Dienstag, 16. April 2024

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DLF-Sportgespräch zum Bundesliga-Saisonfinale
"Der größte Trend ist, dass es keinen Trend gibt"

Die 54. Bundesligasaison ist Geschichte. Im DLF-Sportgespräch analysieren wir mit den Journalisten Ronald Reng und Raphael Honigstein, was diese Saison gebracht hat - und blicken in die Zukunft. Raphael Honigstein etwa glaubt, "dass der Fußball noch nicht mal die Hälfte, vielleicht ein Drittel seines Potentials erreicht hat, was man an Geld damit umsetzen kann."

Ronald Reng und Raphael Honigstein im Gespräch mit Matthias Friebe | 21.05.2017
    Münchens Spieler feiern mit den Fans den Sieg und die deutsche Meisterschaft.
    Nach der 54. Bundesligasaison ist Bayern München zum 27. Mal Meister. In England sehe man das als Manko, sagt der in London lebende Journalist Raphael Honigstein: "Man macht sich etwas lustig über das 'One-Horse-Race'". (dpa / Peter Steffen)
    Gab es einen klaren Trend zu beobachten, in dieser 54. Bundesligasaison? Eher nicht, sagt der in London lebende und arbeitende Sportjournalist und Buchautor Raphael Honigstein: "Es gibt immer noch - und das ist vielleicht eine gute Sache - ganz verschiedene Art und Weisen ein Fußballspiel zu gewinnen. Es gibt ganzheitliche Ansätze, es gibt Ballbesitz, es gibt das Gegenteil von Ballbesitz, es gibt Mannschaften, die in der Mitte stehen, die man gar nicht mehr definieren kann - wie Hoffenheim, die beides sehr gut machen können. Und es gibt Mannschaften wie Bayern und Real Madrid, die konfus und strukturlos spielen, die aber durch die überragenden Einzelspieler es trotzdem schaffen, die anderen niederzustrecken." Raphael Honigstein veröffentlichte u.a. im Jahr 2015 seine Analyse "Das Reboot. How German Soccer Reinvented Itself and Conqeuered the World."
    "Das einzige Live-Produkt, das noch weltweit funktioniert"
    Ronald Reng dagegen sieht "einen Trend zur steten Verwandlung" in der Bundesliga: "Es gibt im Erbe von Pep Guardiola den Trend zum Alleskönner. Mannschaften, die sich vorgenommen haben, innerhalb des Spiels die Spielweise zu ändern von langen Passagen des Ballbesitzes hin zu plötzlichem schnellen Umschalten, dass man die Situation erkennen muss, das Wechseln von Positionen im Spiel."
    Doch Ronald Reng und Raphael Honigstein blicken im DLF-Sportgespräch zum Bundesliga-Saisonfinale nicht nur zurück, sondern wagen auch Prognosen: "Fußball ist das einzige Live-Produkt, das noch weltweit funktioniert", sagte etwa Raphael Honigstein: "Ich glaube nicht, dass sich so schnell etwas ändert." Nach seiner Einschätzung habe der Fußball noch längst nicht sein volles Potential ausgeschöpft, wenn es um die Frage geht, "was man an Geld damit umsetzen kann."
    Ronald Reng, deutscher Sportjournalist und Buchautor. Er schrieb mit Teresa Enke die Robert Enke Biografie "Robert Enke. Ein allzu kurzes Leben". Aufgenommen am 06.10.2010 auf dem "Blauen Sofa" des ZDF auf der Frankfurter Buchmesse .
    Ronald Reng ist u.a. Autor von: "Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga" (picture-alliance / dpa / Erwin Elsner)
    Gefahr der Übersättigung
    Ronald Reng sieht zwar die Gefahr der Übersättigung - geht aber zugleich davon aus, dass der Fußball "in den nächsten Jahren noch mehr mit Geld zugepumpt" wird: "Wahrscheinlich werden in ein paar Jahren sogar zwei bis drei Spiele am Abend kommen im Fernsehen. Die werden dann zwar nur noch von 120.000 und nicht mehr von 10 Millionen Menschen geschaut. Aber diese Aufsplittung der Interessen findet ja nicht nur im Fußball statt, sondern überhaupt in der Gesellschaft."
    Kann sich der Fußball selbst zerstören? Nur dann, sagt Reng, wenn er sein Innerstes kaputt macht: "die aufrichtige Spannung". Das könne passieren, "wenn die Leute das Gefühl haben, da geht es nicht mit rechten Dingen zu. Dass Wetten so wichtig geworden sind - das kann ein großer, zerstörerischer Faktor werden für die Leute", sagte der Autor im DLF-Sportgespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.