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DNA-Analyse bei Straftaten
Umfassendere Auswertungen gefordert

Bislang darf DNA, die an einem Tatort gefunden wird und möglicherweise vom Täter stammt, nicht auf Merkmale wie Augen-, Haar- oder Hautfarbe analysiert werden. Dabei spräche viel für eine umfassenderen Auswertung, sagte Forensik-Experte Manfred Kayser im DLF. Die Gesetzeslage müsse an den Stand der Forschung angepasst werden.

Manfred Kayser im Gespräch mit Uli Blumenthal | 07.12.2016
    Ein Wattestäbchen zum Einsatz in der Forensik
    Ein Wattestäbchen zum Einsatz in der Forensik (imago/stock&people/Jochen Tack)
    Uli Blumenthal: Herr Kayser, Sie sind Professor am Institut für Genetische Identifikation der Erasmus Universität Rotterdam. Auf welche Merkmale dürfen biologische Spuren an einem Tatort bisher untersucht werden
    Manfred Kayser: Also im Prinzip aufgrund der jetzigen Gesetzeslage in Deutschland kann allein das sogenannte DNA-Profil, also ein Nummerncode, der für vergleichende Identifizierung genutzt wird, aus der DNA herausgelesen werden und das Geschlecht - und nichts anderes.
    Blumenthal: Warum ist es in Deutschland verboten, DNA auf Augen-, Haar- und Hautfarbe hin zu untersuchen? Warum ist es in Deutschland verboten oder nicht erlaubt?
    Kayser: Ganz einfach weil die Gesetzeslage, die die Nutzung von DNA in der Forensik erlaubt, aus den 90er-Jahren stammt und damals wollte und konnte man auch nichts anderes als diesen DNA-Profil-Zahlencode aus der DNA herauslesen.
    Inzwischen kann man mehr: Man kann ein paar äußere Merkmale, man kann geographische Abstammung - und um es dann zu dürfen, wie das so ist, muss man dann den Gesetzestext anpassen, wenn man es denn anwenden möchte. Und das hat man in den Niederlanden gemacht - schon 2003 - und das hat man in Deutschland bislang nicht gemacht.
    Augen- und Haarfarbe sind mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersehbar
    Blumenthal: Was lässt sich denn theoretisch und mit welcher Sicherheit aus einer Haarprobe oder aus einer DNA-Probe auf die Augen-, Haar- und Hautfarbe schließen? Also welche Genauigkeiten, welche Sicherheiten sind da möglich und zuverlässig?
    Kayser: Ja, also erst einmal muss man begreifen, dass diese Art von DNA-Nutzung natürlich eine ganz andere ist, als die einer Identifizierung über ein DNA-Profil. Weil die Idee ist natürlich, dass man das dann nutzt, wenn man keinen Treffer hat, wenn man keine DNA-Profil-Übereinstimmung hat.
    Das heißt, man weiß nicht, wer der Spurenleger ist. Insofern benutzt man dann Aussehen und geographische Abstammung bei der Suche nach dem möglichen Spurenleger und eben nicht für eine Identifizierung. Das hat schon Einfluss darauf, wie hoch so eine Wahrscheinlichkeit sein sollte.
    Unabhängig davon können wir zurzeit, mit den Methoden, die wir entwickelt haben, Augenfarbe, zumindest was blau und braun angeht, mit einer durchschnittlichen Wahrscheinlichkeit von ungefähr 94 Prozent vorhersagen, also relativ hoch. Nicht blaue und nicht braune Augenfarben, das sind meist so mischfarbige Augen, ein bisschen weniger akkurat.
    Und was Haarfarbe angeht können wir mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, also im Schnitt über 90 Prozent, rote Haare vorhersagen und mit einer 85-prozentigen Wahrscheinlichkeit schwarze Haare. Bei blonden und braunen Haaren liegt die Wahrscheinlichkeit bei ungefähr 80 Prozent.
    Aber wie gesagt: Man soll sich da nicht von den Wahrscheinlichkeiten - es sind ja Durchschnittswerte - leiten lassen. Weil die Idee ist eben, wenn die Polizei überhaupt keine Ahnung hat, dann zu sagen: Okay, ich benutze jetzt so ein Aussehens- und geographisches Abstammungsprofil um die Ermittlungsarbeit zumindest zu lenken und zu leiten.
    Spuren lassen sich oft schwer einem Täter zuordnen
    Blumenthal: Nun findet man ja an einem Tatort oder einem möglichen Tatort jede Menge biologischer Proben - Haare, Hautschuppen, was auch immer - die müsste man dann alle untersuchen und dann hat man auf einmal ein Riesen-Sample von Informationen wer welche Haarfarbe, Hautfarbe hat. Ist denn das praktisch wirklich umzusetzen oder bracht man schon sehr gezielt eine biologische Probe von der man annimmt, sie würde zum Täter führen können?
    Kayser: Ja, das ist genau das Problem. Aber das Problem haben Sie auch, wenn Sie so eine DNA-Profilanalyse machen. Jeder der am Tatort war - vor oder nach oder während der Tat - hinterlässt Spuren. Und wenn ich eine normale DNA-Profilanalyse mache, dann bekomme ich auch ein DNA-Profil von all diesen Leuten. Ich bekomme dann auch, wenn ich es darf und mache, die Augen-, Haar- und Hautfarbe von diesen Menschen.
    Da ist dann eher die Frage: Kann ich denn einschränken, dass diese biologische Spur auch wirklich zu demjenigen gehört, der möglicherweise der Straftäter ist. Also dieses Verhältnis zwischen Tatort und Spur und Täter und nicht irgendjemand anderes, der am Platz war, das ist durchaus ein Problem.
    Gerade weil die Polizei heutzutage unsichtbare Spuren sammelt. Aber dieses Problem haben Sie genauso mit der herkömmlichen DNA-Profilanalyse.
    "Wir schauen nicht in den Menschen hinein, wir schauen auf den Menschen drauf."
    Blumenthal: Was spricht aus Ihrer Sicht abschließend für beziehungsweise gegen eine Ausweitung dieser Erfassung dieser DNA-Untersuchung auf Merkmale wie Augen-, Haar-, oder Hautfarbe, wie sie jetzt in Deutschland ja auch unter anderem von Bundesjustizminister Heiko Maas gefordert wird?
    Kayser: Ja meines Erachtens spricht da überhaupt nichts dagegen, das spricht alles nur dafür. Allerdings muss man es sauber regulieren. Man muss dann genau im Gesetzestext festhalten, was man machen möchte. Nämlich zum Beispiel nur äußerlich sichtbare Merkmale und zum Beispiel keine Merkmale wie Krankheitsrisiko, was man eben nicht äußerlich sehen kann.
    Und das kann man natürlich regulieren, das kann man genau so auch in den Gesetzestext reinschreiben, so wie es die Holländer auch gemacht haben. Und wenn man das so macht, dann kann man auch irgendwelche Missnutzung, die dann immer angeführt wird als der 'gläserne Mensch' - verhindern. Weil wir schauen nicht in den Menschen hinein, wir schauen auf den Menschen drauf.