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Portugal
Theaterdonner oder politischer Geniestreich?

Eine geplante Gehaltsnachzahlung für Lehrer hat Portugal in eine schwierige politische Lage gebracht. Regierungschef António Costa hat sogar mit Rücktritt gedroht. Verantwortlich machte er die konservativen Oppositionsparteien, die daraufhin zurückruderten.

Von Tilo Wagner | 07.05.2019
Portugals Premierminister António Costa - 10/04/2018.
Regierungschef António Costa macht die Opposition für die politische Krise veratwortlich (picture alliance / Pierre Rouanet)
"Das war die beste politische Leistung, seit António Costa Premierminister ist". Selbst vom politischen Gegner bekommt der sozialistische Regierungschef Lob für sein Auftreten in den vergangenen Tagen. Luís Marques Mendes, der ehemalige Vorsitzende der Mitte-Rechts-Partei PSD hat in seinem viel beachteten wöchentlichen Kommentar auf dem Privatsender Sic António Costa zum moralischen Sieger der politischen Krise in Portugal erklärt. Was war passiert?
Eine ungewöhnliche Mehrheit aus Kommunisten, Linksblock, PSD und Rechtskonservativen hatte am vergangenen Donnerstag im Parlament den Forderungen von Lehrer-Gewerkschaften nachgegeben - gegen den Willen der sozialistischen Minderheitsregierung. Der Konflikt um eingefrorene Gehaltszahlungen hatte in den vergangenen Monaten immer wieder die politische Agenda bestimmt. Es geht dabei um einen Zeitraum von über neun Jahren, eine Folge der Finanzkrise Die Lehrer fordern nun, dass die Regierung die Zeit anerkennt und die Gehälter rückwirkend erhöht.
Ausgaben für den Öffentlichen Dienst
Die Sozialisten haben das bisher abgelehnt und verweisen auf die Risiken für den Haushalt: Die Einkommenserhöhungen würden den Staat 600 Millionen Euro kosten, und falls andere Berufsgruppen aus dem öffentlichen Dienst ähnliche Forderungen durchsetzen, könnte der Haushalt jährlich mit über einer Milliarde Euro oder 0,25 Prozent des Bruttosinlandsproduktes belastet werden.
Das Problem: Premierminister Costa konnte im Konflikt mit den Lehrern nicht mit der Unterstützung der kleineren Linksparteien rechnen, die seit 2015 mit den Sozialisten ein loses Regierungsbündnis bilden. Dabei gehe es um eine Positionierung, sagt der Politologe André Alves, von der Katholischen Universität in Lissabon:
"Ein großer Teil der Wähler, die für die Kommunisten und den Linksblock stimmen, sind Lehrer oder arbeiten im öffentlichen Dienst. Wir stehen kurz vor den Parlamentswahlen, und es ist für diese beiden kleineren Linksparteien nach vier Jahren Bündnis mit den Sozialisten ganz wichtig, ihr eigenes Profil zu bewahren. Sie wollen nicht einfach alle Ideen der Sozialisten unterstützen, denn dann besteht die Gefahr, dass die Leute sich fragen, warum sie überhaupt die kleineren Linksparteien wählen sollen und nicht gleich die Sozialisten."
Opposition unter Zugzwang
Regierungschef Costa hat deshalb in den vergangenen Tagen auch nicht seinen Bündnispartnern, sondern den Rechtsparteien die Verantwortung für die politische Krise gegeben. Die Konservativen, so Costa, hätten ein wichtiges eigenes politisches Ziel verraten: Die Kontrolle der Staatsaugaben. Und damit lag Costa sogar richtig: Denn die Rechtsparteien hatten bei der Abstimmung im Parlament ihre Linie verlassen, die Gehalterhöhungen für die Lehrer im vollen Maße nur dann auszuzahlen, wenn grundlegende Ziele wie ein ausgeglichener Haushalt nicht gefährdet würden.
Costas Strategie zeigte Wirkung, insbesondere in der Führungsspitze der oppositionellen PSD. Rui Rio leitet seit über einem Jahr die Mitte-rechts-Partei. Der studierte Ökonom mag nicht bei allen seinen Parteifreunden unumstritten sein – doch seine klare, wirtschaftspolitische Positionierung macht ihm niemand streitig. Und dazu gehört auch die Kontrolle der Staatsausgaben. Rio gab deshalb bekannt, dass seine Partei das umstrittene Gesetz in der vorläufig verabschiedeten Form nun doch nicht unterstützen könne, weil es unkalkulierbare Kosten für die öffentlichen Finanzen nach sich ziehen würde.
"Künstliche Krise"
Von einer Rolle rückwärts wollte der konservative Oppositionsführer dennoch nicht sprechen. Er beschuldigte dagegen Premierminister António Costa mit einem "Theaterstück" eine künstliche Krise herbeigeschworen zu haben, um von schlechten aktuellen Umfragewerten abzulenken. Was Rui Rio jedoch nicht wahrhaben will: Seinem politischen Widersacher Costa scheint dieses Manöver bestens gelungen zu sein.