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Doch weniger Ökosteuer für energieintensive Unternehmen?

Der Protest des Industrieverbandes BDI scheint zu wirken: 1,5 Milliarden Euro im Jahr sollte der Abbau der Ausnahmen bei der Ökosteuer eigentlich in die Kassen der Bundesregierung spülen. Nun will Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ökosteuerpläne der Bundesregierung noch einmal überdenken.

Von Dieter Nürnberger | 30.09.2010
    Nachdem sich auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, der Oppositionsführer also, gegen eine Verschärfung der Ökosteuer ausgesprochen hat, schien es in der Tat so, als ob die Befürworter dieser steuerlichen Lenkungsabgabe inzwischen in Berlin recht rar seien, doch es gibt sie noch. Eine deutliche Kritik kam heute beispielsweise von Lisa Paus, sie ist Abgeordnete der Grünen im Bundestag. Kritik am Auftritt der Kanzlerin vor zwei Tagen vor Industrievertretern.

    "Wir waren anfangs schon positiv überrascht, dass die Bundesregierung mit dem Abbau von umweltschädlichen Subventionen beginnen wollte. Dass die Kanzlerin aber wieder einen Kotau vor der Wirtschaft macht, das ist nur noch peinlich."

    Und auch von einigen Wissenschaftlern wird das Zurückrudern der Kanzlerin sehr kritisch beäugt. Der Abbau der Ausnahmen bei der Ökosteuer sollte ja Geld in die Kassen bringen, 1,5 Milliarden Euro. Wobei sich der Gesamtbetrag der Befreiungen bei der Ökosteuer insgesamt immerhin auf über 5 Milliarden Euro pro Jahr summiert. Doch wer sollte eigentlich stärker belastet werden? Nicht jene Unternehmen, die ohnehin von der Ökosteuer befreit gewesen sind, sagt Andreas Burger, er Abteilungsleiter im Umweltbundesamt, dort zuständig für Wirtschaft und sozialwissenschaftliche Umweltfragen.

    "Betroffen wären vor allem Unternehmen des produzierenden Gewerbes, die derzeit Strom- und Energiesteuer zahlen und bisher in den Genuss einer 40-prozneitgen Steuer-Ermäßigung kommen. Das sind rund 120.000 Unternehmen. Das geht sozusagen querbeet durch das produzierende Gewerbe. Diese Unternehmen sind allerdings meist nicht energieintensiv und sie stehen zum Teil auch nicht im internationalen Wettbewerb."

    Deswegen hält Burger die Diskussionen, die die Kanzlerin am Dienstag mit Industrievertretern geführt hat, eigentlich nicht für hilfreich. Es gehe beim Abbau der Ausnahmen von der Ökosteuer eher um den Mittelstand, um das produzierende Gewerbe. Ankündigungen der Industrie, wonach sie durch eine Verschärfung der Ökosteuer deutliche Wettbewerbsnachteile zu erwarten hätten, seien überzogen.

    "Hier handelt es sich um Horrorszenarien. Wenn Sie beispielsweise davon ausgehen, dass ein Unternehmen in den Genuss des sogenannten Spitzenausgleichs kommt, dann muss es bei der Stromsteuer nicht 2 Cent pro Kilowattstunde zahlen, sondern nur 0.06 Cent. Selbst wenn diese 0.06 Cent versiebenfacht würden, kommt da ein relativ geringer Steuerbetrag raus. Insofern sollte diese Diskussion relativiert werden."

    Und zu Befürwortern einer Weiterentwicklung der Ökosteuer in Deutschland gehört – der Name sagt es – auch das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Damian Ludewig ist der Geschäftsführer dieses Vereins. Er fürchtet, dass durch das Zurückrudern der Kanzlerin ein sinnvoller technischer Innovationsdruck in den Unternehmen ausbleiben könne.

    "Insofern war schon bisher der Innovationsdruck suboptimal – um es vorsichtig auszudrücken. Wenn man die Verschärfung der Ökosteuer jetzt ganz bleiben lässt, und stattdessen etwa die Tabaksteuer erhöht, dann gibt es zwar auch eine gewünschte Lenkungswirkung, aber bestimmt keine zur Ökologisierung der Wirtschaft."

    Ludewig hofft, dass dennoch die Ausnahmen bei der Ökosteuer abgebaut werden. Sein Argument: Die hohen Schulden im Haushalt ließen gar keine andere Wahl. Und alle Befürworter hoffen zudem, dass mittelfristig auch ein Neustart bei der Ökosteuer gelingen möge, denn die Entwicklung hin zu einer nachhaltigeren Industrie in Deutschland sei eben nur über eine Intensivierung dieser Lenkungsabgabe – und das soll die Ökosteuer ja sein – möglich. Es gebe aber auch noch anderen Handlungsdruck sagt Lisa Paus, die Abgeordnete der Grünen.

    "Die jetzige Ökosteuer ist in der Europäischen Union nur noch zwei Jahre lang modifiziert. Das heißt, man hat nur noch zwei Jahre die Erlaubnis, diese Subventionen zu gewähren. In 2 Jahren muss Deutschland dann in Brüssel begründen, warum diese Ausnahmen weiterhin notwendig sein sollen. Wir brauchen eine neue Diskussion über die Ökosteuer, wie eine zukunftsorientierte Ökosteuer aussehen kann."