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Doktoranden
Kaum Lust auf eine Karriere an der Uni

Die Aussichten für Doktoranden sind gut: Mit Doktortitel verdienen Absolventen laut Statistik deutlich mehr und sind selten arbeitslos. Trotzdem fühlen sich viele Doktoranden prekär und klagen über befristete Verträge und kleine Gehälter. Da bleibt wenig Zeit für die eigene Dissertation.

Von Jennifer Rieger | 06.05.2015
    Besucher der Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin sitzen zwischen Bücherregalen.
    Die Dissertation schreiben und Seminare betreuen - viele Doktoranden haben mehrere Aufgaben. (dpa / picture alliance / Tim Brakemeier)
    "Ich mach in der Regel zwei bis drei Seminare pro Semester. Man darf den Aufwand der Seminare nicht unterschätzen. Die Betreuungsleistung für Studierende ist sehr, sehr hoch. Aus deren Perspektive sind wir ja quasi Dienstleister und so benutzen die uns auch. Man ist nur dabei, zu liefern", so eine Doktorandin der Politikwissenschaften. Ihren Namen und den Namen des Lehrstuhls möchte sie lieber nicht im Radio hören.
    Es gibt mehrere Wege zum Doktortitel. Die meisten Promovenden sind an einem Lehrstuhl angestellt. Manche schreiben ihre Doktorarbeit berufsbegleitend, andere finanzieren sich über Stipendien. Oder klassisch als wissenschaftlicher Mitarbeiter.
    "Wir haben in der Regel halbe Stellen, arbeiten aber Vollzeit letztendlich. Klar, weil wir auch an der eigenen Dissertation arbeiten, aber das ist ja nicht so trennscharf."
    Verena Rossow geht es ähnlich. Die studierte Geografin promoviert an der Hochschule Düsseldorf und an der Universität Duisburg-Essen. Seit knapp zwei Jahren arbeitet sie an ihrer Dissertation, davon war sie acht Monate lang in Elternzeit.
    "Die werden hinten drangehängt. Das wird mir zugestanden, weil ich auf Grundlage des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes beschäftigt bin und da, obwohl es ein Drittmittelprojekt ist, aber auf einer Qualifikationsstelle sitze. Würde ich nicht meine Promotion schreiben und nicht von Drittmitteln bezahlt werden, würde die Elternzeit nicht an den Vertrag drangehängt werden, was unglaublich ist, wenn man sich überlegt, dass so ein Projekt für junge Leute zwischen 20 und 30 oder 40 ins Leben gerufen wird und dann sind solche Dinge wie, wie gehen wir mit Elternzeit um, nicht berücksichtigt."
    Mobilität als Voraussetzung für eine Karriere
    Eine Karriere an der Universität nach der Promotion finden beide wenig attraktiv.
    "Ich muss sagen, dass ich meine Promotion nicht mache, um im Wissenschaftsbetrieb zu verweilen. Aussteigen hört sich jetzt so dramatisch an, aber der Gedanke, sich was anderes zu suchen, um Geld zu verdienen, ist schon immer da. Der begleitet einen immer und mal ist er stärker, mal ist er wieder schwächer, aber ich muss schon sagen, ich denke jeden zweiten Tag darüber nach, mir was anderes zu suchen."
    "Ich sehe es bei meinem Freund, der letztes Jahr promoviert wurde, der im Grunde dasselbe verdient wie ich, obwohl er das Qualifikationsziel der Promotion schon hat. Dann sind es die Perspektiven, dass ich die Stellenvielfalt im Hochschulsystem einigermaßen unattraktiv finde, weil vieles auf die prestigeträchtige Stelle der Professur zugeschnitten ist und es wenig gibt für Leute, die gern in die Lehre gehen, die gerne Hochschulen von der anderen Seite stärken wollen."
    Dazu kommt, dass junge Wissenschaftler meist sehr mobil sein müssen: Nach der Promotion schließen sich oft Postdoc-Verträge an, die nur ein bis drei Jahre dauern.
    "Wir sind nicht bereit, ein Jahr in Kassel zu arbeiten, das nächste Jahr nach Greifswald zu gehen, um dann vielleicht ein halbes Jahr in Konstanz anzuheuern. Wir diskutieren das in der Beziehung auch viel, insbesondere seit die kleine Tochter da ist, dass wir schon gesagt haben, wir würden den Versuch wagen, uns räumlich festzulegen und zu sagen, erst mal setzen wir das und gucken nur in einem vertretbaren Rahmen nach Stellen und pendeln nicht jeder Stelle hinterher."
    Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz sollte bei seiner Einführung Wettbewerb schaffen - aber da sei man inzwischen übers Ziel hinausgeschossen, meint Rossow:
    "Es ist, glaub ich, jetzt nicht schwer zu erkennen, dass der Schuss nach hinten losgegangen ist. Dass Sechsmonatsverträge keine Planbarkeit, mehr Stress als wissenschaftliche Brillanz produzieren."
    Keine Zeit fürs Netzwerken
    Die Bundesregierung will nun gegensteuern - mit einer Novelle des Gesetzes und mit einer sogenannten Personaloffensive im Rahmen der Exzellenzinitiative. Bis sich an der Situation der Doktorandinnen und Doktoranden tatsächlich etwas ändert, wird es aber noch eine Weile dauern, davon ist Verena Rossow überzeugt. An Universitäten und Graduiertenzentren gibt es schon jetzt Netzwerke und Coaching-Angebote, die den Promovierenden bei der Karriereplanung helfen.
    "Der Netzwerkgedanke ist insofern klasse, als dass man sich tatsächlich ein Stück weit solidarisieren kann. Auch ermuntern kann zu sagen, du musst nicht jede Stelle annehmen. Wenn die Arbeitsbedingungen so schlecht sind oder du sechs Monate irgendwo angestellt wirst, dass man auch den Mut hat zu sagen, schlag das Stellenangebot aus."
    Aber auch Netzwerken und Coaching kostet Zeit - und die ist oft Mangelware.
    "Wenn ich noch anfangen würde mich zu coachen, da wüsste ich vorne und hinten nicht, wann ich an meiner Promotion arbeiten soll. Aber Fakt ist man muss daran arbeiten, sonst macht es keinen Sinn auf dieser Stelle zu hocken."