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Dokumentarfilm "David Lynch: The Art Life" im Kino
Naked Lynch

Von "Eraserhead" über "Twin Peaks" bis "Inland Empire": Die Regiearbeiten des US-Amerikaners David Lynch stecken voller Geheimnisse und Metaphern. Den Filmemacher selbst umgibt eine rätselhafte Aura. Jon Nguyens und Rick Barnes' Dokumentarfilm "David Lynch: The Art Life" versucht in des Künstlers Seele vorzudringen.

Von Jörg Albrecht | 29.08.2017
    Der US-amerikanischer Filmregisseur, Filmproduzent und Drehbuchautor David Lynch.
    Sitzt im Atelier, malt, raucht und erzählt: Hollywoods sympathischer Exzentriker David Lynch. (imago / ZUMA Press)
    Womit andere Künstlerbiografien beginnen, nämlich mit dem ersten bedeutenden Werk, ist hier der Schlussakkord. David Lynch erzählt, dass sein Spielfilmdebüt "Eraserhead" eine seiner größten und glücklichsten Kinoerfahrungen gewesen sei. Ein Film, in dem er seine ganz eigene Welt erdacht und gebaut habe. Und das für so gut wie kein Geld.
    Kaffee, Zigaretten und Mädchen
    Nach "Eraserhead" kam mit "Der Elefantenmensch" der große Durchbruch in Hollywood. Dann die Kultfilme "Blue Velvet" und "Wild at Heart", mit "Twin Peaks" die bedeutendste Fernsehserie der 1990er-Jahre sowie das Meisterwerk "Mulholland Drive" im Jahr 2001.
    Das alles aber wird nicht erwähnt, nicht einmal in einem Nebensatz. "David Lynch: The Art Life" berichtet von der Zeit vor der Regiekarriere, von den ersten 30 Jahren im Leben eines Mannes, der von frühester Jugend an nichts anderes als ein Künstlerdasein angestrebt hat.
    Er wisse nicht mehr, wann er den Begriff "Künstlerdasein" zum ersten Mal verwendet hat. Aber er habe sich vorgestellt, dass man Kaffee trinkt, Zigaretten raucht und malt. Weiter nichts. Dann ergänzt Lynch noch, dass in diesem Künstlerdasein vielleicht auch Mädchen eine gewisse Rolle spielen sollten.
    Mehr Seelen- als Werkschau
    "The Art Life" zeigt Lynch, wie er in seinem Atelier in den Hollywood Hills sitzt, raucht, sehr viel raucht und malt. Und wir hören ihn erzählen. Streng chronologisch. Angefangen bei seiner Kindheit und seinen Eltern über die prägende Begegnung mit dem Vater eines Schulkameraden, der Maler war, bis hin zum Stipendium am American Film Institute, das seinen Weg zum Filmemacher ebnen sollte.
    Wäre "David Lynch: The Art Life" ein Gemälde - es wäre wohl ein Selbstporträt. Dabei werden gleich drei Namen als Regisseure gelistet. Die aber vertrauen ganz auf ihren Protagonisten und seine reflektierten und - zumindest für Lynch-Fans - erhellenden Anekdoten. Verknüpft werden diese immer wieder mit Fotografien und alten Filmaufnahmen. Inside David Lynch. Wir befinden uns im Kopf eines Universalkünstlers. Keine Werk-, sondern eine Innenschau. Mehr Intro- als Retrospektive.
    Dunkle, fantastische Träume
    Er habe nie gelernt, nie etwas für die Schule gemacht, lässt uns Lynch wissen. Es sei abgrundtiefer Hass gewesen. Alles Wichtige habe sich außerhalb der Schule abgespielt: Menschen, Beziehungen, die Blues-Partys, die große Liebe und die Träume. Dunkle, fantastische Träume. Eine unglaubliche Zeit.
    "The Art Life" zeigt einen Mann, der seine Kunst wie die Luft zum Atmen braucht, der ausschließlich in seiner ganz eigenen Welt existieren will. Eine Welt, die auch am Ende dieses Dokumentarfilms noch rätselhaft und vieldeutig sein wird. Und das ist auch gut so, denn eine Künstlerseele ist eben kein genetischer Code, der sich so einfach entschlüsseln lässt.