Freitag, 29. März 2024

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Donald Trump
"Die Partei selbst hat das Frankenstein-Monster kreiert"     

Der Politikwissenschaftler Stephan Bierling findet, die US-Republikaner haben es sich selbst zuzuschreiben, dass Donald Trump in den Vorwahlen soviel Erfolg hat. In den vergangenen Jahren seien sie immer weiter nach rechts gedriftet, sagte er im DLF. Er sieht aber noch Chancen, eine Kandidatur Trumps zu verhindern.

Stephan Bierling im Gespräch mit Jasper Barenberg | 02.03.2016
    Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung
    Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung (dpa / picture-alliance / Jim Lo Scalzo)
    Jasper Barenberg: Hillary Clinton ist als Präsidentschaftskandidatin so gut wie gesetzt für die Demokraten. Der Republikaner Jeb Bush wird es im Vorwahlkampf weit bringen und Donald Trump wird sich als Kandidat nicht lange halten können. Viele Voraussagen im Kampf um die Nachfolge von Barack Obama haben sich inzwischen längst als falsch erwiesen und nach dem wichtigen Super Tuesday mit Vorwahlen in 14 Staaten ist zwar noch nichts endgültig entschieden. Das Duell Trump gegen Clinton aber wird immer wahrscheinlicher. Am Telefon begrüße ich Stephan Bierling, Professor für internationale Politik an der Universität Regensburg und USA-Kenner. Schönen guten Tag, Herr Bierling.
    Stephan Bierling: Ich grüße sie.
    Barenberg: Kann man das so sagen, ist das Rennen um die Kandidaturen jetzt schon so gut wie gelaufen?
    Bierling: Auf der demokratischen Seite ganz bestimmt. Hillary Clinton ist weit voraus. Es gibt eigentlich kein Szenario mehr, unter dem Bernie Sanders irgendeine Chance hat, die Mehrheit der Delegiertenstimmen zu gewinnen. Auf der republikanischen Seite sieht es ein bisschen anders aus. Trump hat zwar gewonnen und ist natürlich der Front Runner, was die Delegiertenstimmen anlangt, aber er hat nicht so stark gewonnen, wie man eigentlich glaubte. Er hat im Durchschnitt 35 Prozent der republikanischen Vorwähler für sich eingenommen und damit konnte er nur einige Bundesstaaten gewinnen, weil der Rest der Stimmen sich auf andere Bewerber verteilt. Da sind immer noch vier im Rennen und solange die nicht wirklich sich auf einen Kandidaten einigen, wird sich Trump ins Fäustchen lachen. Aber ausgemachte Sache ist seine Kandidatur nicht.
    Barenberg: Newt Gingrich, der Vordenker der Republikaner und lange Sprecher im Repräsentantenhaus, der hat ja schon vor diesem Super Tuesday gesagt, in Erwartung jedenfalls eines sehr guten Ergebnisses für Donald Trump, was soll ihn jetzt noch stoppen. Was soll ihn jetzt noch stoppen?
    Bierling: Na ja, es gibt mehrere Möglichkeiten, die ihn stoppen können. Das eine ist, wenn jetzt wirklich einer der Bewerber, Ted Cruz zum Beispiel, aus dem Rennen aussteigt. Der hat im Grunde, obwohl er sich gerade in Ihrem Beitrag auch selbst so feierte, nicht wirklich reüssiert in den Staaten, in denen er hätte gewinnen können, nämlich in den Südstaaten. Da hat ihn Donald Trump in die Ecke gedrängt, während jetzt Staaten in den Vorwahlen anstehen, bei denen Marco Rubio sehr viel stärker abschneiden könnte. Das heißt, vielleicht werden wir eine Situation erleben und das könnte Trump stoppen, dass sich doch die Republikaner auf einen Kandidaten einigen, oder es wird eine Situation geben, wo sich diese Vorwahlen ziemlich lange hinziehen, bis zu dieser Convention in Cleveland, und bis dahin es keiner schafft, bis Juli, eine wirkliche absolute Mehrheit der Delegiertenstimmen zu gewinnen, und dann gibt es eine sogenannte Brokered Convention, eine ausgehandelte Convention.
    "Cruz ist für die Partei nicht vermittelbar"
    Barenberg: Darüber würde ich gleich noch gerne mit Ihnen sprechen. Lassen Sie uns kurz auf den Senator aus Florida noch mal genauer schauen, Marco Rubio. Der galt ja vor diesem Super Tuesday jedenfalls als der Hoffnungskandidat, sagen wir mal, für die Mehrheit, für die Mitte der Republikaner. Jetzt hat er nur einen Sieg in Minnesota einführen können, während Cruz ja immerhin in drei Staaten erfolgreich ist. Wir wissen inzwischen, dass er auch Alaska offenbar knapp gewonnen hat. Viele hätten jetzt gesagt, Marco Rubio, das wird nichts mehr, der wird jetzt früher oder später aufgeben. Sie sehen das anders?
    Bierling: Ich sehe das anders. Zum einen ist Cruz einfach nicht vermittelbar für die republikanische Partei. Die republikanische Partei, das Establishment, die gewählten Führer in Washington und die Gouverneure, die hassen Trump über alle Maßen, aber sie hassen Cruz genauso, weil der in seinen wenigen Jahren als Senator in Washington es geschafft hat, wirklich sich mit jedem anzulegen. Das heißt, Rubio ist der einzige Kandidat, hinter den sich die Partei stellen könnte, und deshalb wird er wahrscheinlich auch nicht ausscheiden. Da wird schon das Partei-Establishment dafür sorgen, dass er möglichst lange drin bleibt, zumal sein wichtiger Bundesstaat Florida - da kommt ja der Marco Rubio her - am 15. März seine Vorwahlen halten wird und dort die Stimmen der Delegierten nach dem "Winner take all"-Prinzip vergeben werden, also nicht mehr proportional wie bisher, und das könnte Rubio dann doch deutlicher wieder nach vorne katapultieren.
    "Trump hat nie ein Amt innegehabt - das ist ein Vorteil"
    Barenberg: Auf der anderen Seite haben wir ja auch schon zur Kenntnis genommen, dass Gouverneur Chris Christie beispielsweise sich inzwischen an die Seite von Donald Trump gestellt hat, gesagt hat, dass er ihn jetzt in Zukunft unterstützen wird. Man muss ja sagen, die Republikaner haben bisher kein Rezept gefunden gegen den Populisten, gegen den Zyniker Donald Trump. Was sollte das jetzt ändern? Welche Mittel haben sie noch?
    Bierling: Zum einen muss man sagen, die republikanische Partei kriegt im Moment ein bisschen das, was sie sich selbst kreiert hat, nämlich ein Frankenstein-Monster. Die Republikaner haben über die letzten 20 Jahre immer stärkere Oppositions-, Fundamentaloppositions-Politik betrieben. Sie haben immer mehr polarisiert, sie sind immer weiter nach rechts abgedriftet und glaubten dann, vielleicht bei den Präsidentschaftswahlen doch einen moderaten Kandidaten zu kriegen. Das ist ein paar Mal gut gegangen, aber jetzt geht es wirklich schief und sie sind selbst im Grunde die Partei, die das Monster Trump geschaffen hat. Deshalb fällt es dieser Partei auch so schwer, sich gegen Trump zu stellen. Aber es wird natürlich sehr, sehr, sehr schwer sein, vor allem einen Hauptwahlkampf dann zu bestreiten, im Grunde gegen das gesamte Partei-Establishment. Christie hat sich quasi aus Verzweiflung offenbar hinter Trump gestellt. Er wird mittlerweile lächerlich gemacht selbst in republikanischen Kreisen. Aber Trump kann mit dem Pfund immer wuchern, dass er jemand ist, der nicht nur gegen die etablierten Demokraten und gegen linke Demokraten kämpft, sondern gegen das Establishment per se, und das kann man ihm sogar etwas abnehmen, weil er noch nie irgendwas getan hat, was in der Politik Planung oder Rationalität oder irgendetwas in der Form erfordert. Er hat nie ein Amt gehabt und damit hat er natürlich gerade bei diesen Vorwahlen, wo es oft der Mann ist, der am lautesten schreit, der die Zustimmung kriegt, einige Vorteile gegenüber den anderen.
    "Trump und Cruz sind auf sich fixierte Egomanen"
    Barenberg: Sie haben die Möglichkeit einer sogenannten Brokered Convention ins Spiel gebracht, also die Situation, dass es nicht wie üblich eine Krönungsmesse gibt auf dem Parteitag der Republikaner im Juli, sondern so etwas wie eine Kampfkandidatur, dass da der Kandidat erst wirklich noch ausgedealt werden muss. Was würde das eigentlich für das republikanische Lager bedeuten, wenn es dazu kommt?
    Bierling: Das kann in der völligen Katastrophe enden, weil Trump und Cruz als erzkonservative, im Grunde nur auf sich fixierte Egomanen vielleicht gar nicht bereit sind, ihre Delegierten freizugeben. Die sind ja mehr oder weniger auf diese beiden Kandidaten verpflichtet. Es kann zu sehr vielen Wahlgängen kommen, bis wirklich eine Lösung erfolgt. So ein Horrorszenario ist, was die Demokraten 1924 mal hatten. Die hatten 124 Wahlgänge, bis sie wirklich einen Präsidentschaftskandidaten aufgestellt haben. Das ist natürlich suizidal und heute in dieser sehr schnelllebigen Zeit natürlich viel suizidaler, weil es heißt, die Republikaner können sich überhaupt nicht einigen auf irgendwas. Es gibt eine, wenn ich das noch anfügen darf, positivere Variante. Es könnte sein, dass, wenn kein Kandidat die Mehrheit erreicht, bis im Juli diese Convention in Cleveland stattfindet, man sich vielleicht auf einen völlig neuen Kandidaten einigt, der unverbraucht ist, und da käme einem immer der neue Sprecher des Repräsentantenhauses in den Kopf, der schon als Vizepräsidentschaftskandidat unter Romney angetreten war, so ein bisschen ein Vermittler ist, aber doch auch für die Rechten akzeptabel ist. Der könnte dann unverbraucht in den Hauptwahlkampf gehen und könnte Hillary Clinton dann doch auch Probleme bereiten.
    "Auch auf europäischer Seite sprießen die Donald Trumps aus dem Boden"
    Barenberg: Nun ist Donald Trump ja ein Kandidat, der Stimmung macht gegen Ausländer, gegen Muslime und gegen Menschen mit Behinderungen beispielsweise, und wir haben ein Stück darüber gesprochen, dass es in gewisser Weise der Kandidat ist, den die Republikaner sich selbst zuzuschreiben haben. Was wäre das eigentlich - aus unserer Sicht ist das ja ein verheerender Kandidat, sollte er dann der Kandidat der Republikaner werden -, spricht irgendwas dagegen, dass man sich Sorgen machen muss um das transatlantische Verhältnis, sollte am Ende Donald Trump der nächste Präsident werden?
    Bierling: Nein, nein. Da müssen wir uns schon Sorgen machen, zumal ja - und das darf man nicht vergessen - auch auf europäischer Seite die Donald Trumps überall aus dem Boden sprießen. Schauen Sie sich Orbán in Ungarn an, schauen Sie sich an, was in Polen passiert, schauen Sie sich die Le Pen an in Frankreich, die ja wohl auch eine Kandidatin in der Endausscheidung der französischen Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr sein wird. Das heißt, wir erleben auf beiden Seiten des Atlantiks Populisten, die mit einfachen Rezepten im Grunde die komplexen Probleme, die dramatisch auf uns einprasseln, mehr noch in Europa als in den USA, zu lösen versprechen. Und das ist natürlich für die transatlantischen Beziehungen eine Katastrophe; das ist aber auch für Europa eine Katastrophe, wenn wir wieder zurück in diesen platten rechten und linken Populismus fallen, der uns schon so viel Verdruss vor allem in Europa gebracht hat.
    Barenberg: Professor Stephan Bierling von der Universität Regensburg. Vielen Dank für das Gespräch heute Mittag. Danke für die Zeit.
    Bierling: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.