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Donald Trump in Saudi-Arabien
"America-First-Strategie auch in die Tat umzusetzen"

Saudi-Arabien als erste Station seiner Nahost-Reise: US-Präsident Donald Trump wolle damit zeigen, dass er das Land als wichtigsten arabischen Partner sehe, sagte Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Deutschlandfunk. Neben dieser symbolischen Perspektive gebe es aber auch gewichtige wirtschaftliche Gründe.

Sebastian Sons im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 20.05.2017
    US-Präsident Donald Trump (li) trifft den den saudi-arabischen König Salman bin Abdulaziz al-Saud.
    US-Präsident Donald Trump (li) trifft den saudi-arabischen König Salman bin Abdulaziz al-Saud. (AFP / Mandel Ngan)
    Jürgen Zurheide: Ziemlich genau in zwei Stunden wird US-Präsident Donald Trump in Saudi-Arabien landen. Es ist seine erste Auslandsreise. Bemerkenswert ist, dass er nach Saudi-Arabien zunächst fährt, allerdings gibt es handfeste Gründe dafür, wirtschaftliche, und zwar auf allen Seiten. Wir wollen, bevor wir diese Seite der Medaille beleuchten, zunächst fragen: Was erwarten denn eigentlich die Saudis?
    Wir wollen jetzt andersherum fragen: Warum reist Donald Trump in diese Region als Erstes, welche Signale sind damit verbunden und welche Erwartungen auf dieser Seite? Darüber wollen wir reden mit Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, den ich jetzt herzlich am Telefon begrüße. Guten Morgen!
    Sebastian Sons: Ja, schönen guten Morgen!
    Zurheide: Die Beziehungen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Staaten sind ja durchaus eng, das kann man sagen. Allerdings wundert einen dann schon, dass US-Präsident Donald Trump als erstes Land nach Saudi-Arabien fährt. Warum tut er denn das, warum zunächst Saudi-Arabien als erstes Land überhaupt?
    Sons: Ich glaube, es gibt hier zwei Perspektiven, die man beachten muss. Das erste ist eine symbolische Perspektive, Donald Trump möchte zeigen, dass er auch in der islamischen Welt Einfluss nehmen möchte, dass er vor allen Dingen Saudi-Arabien als wichtigsten arabischen Partner sieht, insbesondere im Vorgehen gegen den Iran. Da ähneln sich ja beide Ansichten, Saudi-Arabien sowie die USA sehen im Iran eine interventionistische Regionalmacht, die man eindämmen muss. Und das ist die erste Ebene. Die zweite Ebene hat wirtschaftliche Gründe: Donald Trump kommt mit einem 100 Milliarden Dollar schweren Rüstungspaket im Gepäck nach Saudi-Arabien, was er den Saudis anbieten möchte, und das ist für beide Seiten ebenso wichtig wie die symbolische Ebene.
    Zurheide: Das heißt, die wirtschaftlichen Aspekte überwiegen. Ich würde gerne noch eine andere Variante gerne hinzufügen oder eine Einschätzung von Ihnen haben: Was heißt denn Saudi-Arabien für Donald Trumps Geschäfte persönlich, respektive die seiner Familie? Er hat das ja vermeintlich getrennt.
    Sons: Das kann ich nicht hundertprozentig einschätzen. Aber mit Sicherheit kann es auch so sein, dass hier persönliche Interessen eine Rolle spielen. Er hatte sich ja auch vor geraumer Zeit dazu geäußert, dass er mit den Saudis eben gerne Geschäfte machen, dass er sie auch deswegen möge. Also, auch das ist nicht komplett auszuschließen. Aber es geht hier zumindest offiziell darum, seine America-First-Strategie auch in die Tat umzusetzen, nämlich mit diesen Rüstungsdeals auch Arbeitsplätze in den USA zu schaffen. Ob das der Realität entspricht oder auch nur seiner Propaganda, das muss man dann abwarten, aber zumindest hat das hier eine sehr, sehr wichtige Dimension und deswegen auch diese Reise.
    Saudi-Arabien agiert mithilfe einer interventionistischen Regionalpolitik
    Zurheide: Der Einfluss des Landes in der Region, schichten Sie das noch mal ab! Wie groß ist der denn? Sie haben gerade schon gesagt, der Iran ist der Hauptfeind und die Saudis tun vieles, was gegen den Iran läuft, auf der anderen Seite sind sie auch sehr aktiv, wenn es darum geht, eine bestimmte Sicht des Korans zu verbreiten: Der Wahhabismus ist stark. Also, der Einfluss des Landes in der Region zunächst, bitte!
    Sons: Saudi-Arabien ist seit dem sogenannten Arabischen Frühling zum wichtigsten arabischen Regionalakteur in der Region aufgestiegen. Das liegt daran, dass ehemals einflussreiche Länder wie Ägypten, Syrien, Tunesien an Bedeutung verloren haben aufgrund der persönlichen Krisen. Diesen Einfluss muss Saudi-Arabien jetzt in irgendeiner Art und Weise ausnutzen und tut das in Form einer interventionistischen Regionalpolitik. Das sieht man im Jemen, wo Saudi-Arabien Krieg führt, das sieht man aber auch in Syrien und anderen Ländern, wo Saudi-Arabien versucht, massiv Einfluss zu nehmen, einerseits um – wie Sie schon richtig gesagt haben – den Erzfeind Iran zu schwächen, um der Sorge Vorschub zu leisten, dass Iran noch mehr Einfluss in der Region bekommen könnte; und zum Zweiten – auch da haben Sie recht – versteht sich Saudi-Arabien als Hüter der beiden heiligen Stätten, als Schutzpatron aller sunnitischen Muslime auf der Welt und hat deswegen auch ein Interesse daran, dass der Wahhabismus, eben die erzkonservative, puristische Islamauslegung in Saudi-Arabien, nicht nur in der Region, sondern auf der ganzen Welt verbreitet wird. Das war früher noch sehr viel stärker ausgeprägt und ist kein neues Phänomen, aber auch das spielt rein in die strategische Agenda Saudi-Arabiens, wenn es um die Außenpolitik geht.
    Zurheide: Das Land selbst ist ja ein außerordentlich gespaltenes Land. Sie haben es kürzlich auch in einem Buch beschrieben. Ist es so starr und konservativ, wie das auf den ersten Blick wirkt, oder gibt es inzwischen auch eine Menge anderer Tendenzen, zumal in der jungen Generation? Was beobachten Sie da?
    Saudi-Arabien: von Widersprüchen geprägt
    Sons: Ich glaube, Saudi-Arabien ist das Land oder eines der Länder auf der Welt, das sich sehr, sehr stark im Wandel befindet. Es ist ein Land, das sehr dynamisch ist und auch von Widersprüchen geprägt ist, auch von einer gewissen Doppelmoral, keine Frage. Es gibt gleichzeitig sehr starken Hang zu Traditionen, sehr starken Hang zu auch sehr konservativen Weltansichten, auch in der Religion. Und gleichzeitig geht es eben den jungen Menschen – 70 Prozent der Saudis sind unter 30 – darum, sich mit der Welt zu vernetzen, insbesondere auch über Facebook, Twitter et cetera. Viele von ihnen haben im Ausland studiert und sie möchten gerne auch Teil dieser Welt sein. Es ist also auch ein Ringen um das Verhältnis zwischen Tradition und Moderne, um das einmal so zu sagen. Und Saudi-Arabien durchläuft hier wirklich einen sehr fundamentalen Wandel, der von sehr vielen Widersprüchen geprägt ist, und das macht das Land eben auch so faszinierend und auch teilweise so unverständlich.
    Zurheide: Wagen Sie eine Prognose, wer sich da durchsetzen wird? Weil, was Sie gerade über Saudi-Arabien sagen, hören wir ja auch häufig über den Iran, dass da viele junge Menschen was anderes wollen. Wir werden an anderer Stelle in dieser Sendung noch über die Wahlergebnisse aus dem Iran berichten. Wie stabil ist denn Saudi-Arabien?
    "Saudis wollen Evolution anstatt Revolution"
    Sons: Ich glaube, gesellschaftlichen Wandel muss man nicht gleichsetzen mit politischer Stabilität oder mit dem Wunsch nach politischer Demokratisierung oder Ähnliches. Saudi-Arabien oder die Menschen in Saudi-Arabien sehen, dass die Region auseinanderbricht, und sie wollen Sicherheit. Und Sicherheitsgarant Nummer eins ist das saudische Königshaus. Es ist dafür zuständig, seine Leute zu beschützen, und daran glauben auch die meisten Saudis. Sie wollen daher Evolution anstatt Revolution. Sie wollen keinen Sturz des Königs oder Ähnliches, sie gehen nicht auf die Straße und verlangen politische Reformen, aber sie wollen gesellschaftliche Öffnung in gewissen Grenzen, die auch mit ihren Traditionen und auch mit der Religion vereinbar sind, die rote Linie nicht überschreiten, und sie wollen natürlich wirtschaftliche Reformen. Sie wollen, dass die Jugendarbeitslosigkeit, die bei 40 Prozent liegt in Saudi-Arabien, dass die bekämpft wird, dass die wirtschaftlichen Probleme, die durch den gefallenen Ölpreis entstanden sind, gelöst werden. Dafür ist das Königshaus zuständig und hier muss das Königshaus liefern. Gelingt das nicht, droht auch größerer Konflikt, aber meiner Meinung nach kein saudischer Frühling oder ein Sturz der Königsfamilie.
    Zurheide: Kommen wir noch mal zum Stichwort Menschenrechte, das ist ja nicht nur nicht ganz unwichtig, das ist ein zentraler Punkt, wird immer wieder kritisch angemerkt. Von Donald Trump dürfen wir nicht erwarten, dass er das in den Mittelpunkt stellt respektive überhaupt beachtet, oder? Was erwarten Sie da?
    Sons: Ich gehe nicht davon aus, dass Donald Trump in irgendeiner Art und Weise die verheerende Situation der Menschenrechte in Saudi-Arabien anspricht. Auch hier muss man sagen, dass trotz der gesellschaftlichen Öffnung und auch trotz der wirtschaftlichen Reformen keineswegs die Repression aufgehört hat in Saudi-Arabien, ganz im Gegenteil. Unter dem neuen König Salman hat die Zahl der Todesurteile zugenommen, er geht sehr repressiv gegen Menschenrechtsaktivisten, gegen Blogger, gegen politische Kritiker vor, gegen die schiitische Minderheit im eigenen Land. Und das ist tatsächlich sehr besorgniserregend. Donald Trump wird so was nicht ansprechen, das spielt in seiner Agenda meiner Meinung nach keine Rolle und das macht ja auch dann für die Saudis dieses Treffen so angenehm.
    Zurheide: Das war Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, wir haben das Interview kurz vor der Sendung aufgezeichnet. Herzlichen Dank um 6:58 Uhr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.