Donnerstag, 28. März 2024

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Donja R. Loves "Fireflies" am Atlantic Theater
Provozierendes Drama aus der Zeit der Bürgerrechtsbewegung

Der Dramatiker Donja R. Loves bezeichnet sich selbst als Afro-Queer. Nun kommt das zweite Drama aus seiner Trilogie "The Love Plays" auf die Bühne. Sie handelt von Menschen, die mit ihrer Sexualität, Moralvorstellungen und Gott ringen – in entscheidenden Momenten afroamerikanischer Geschichte.

Von Andreas Robertz | 18.10.2018
    Die 49. Gay Pride Parade in New York, 2018, hier mit afroamerikanischen Teilnehmern mit Regenbogenfahnen bei der Strassenparade
    49. Gay Pride Parade in New York, 2018 (imago/Levine-Roberts)
    "Während des Stücks steht der Himmel in Flammen". Aus dieser Regieanweisung des Autors hat das Regieteam um Regisseur Saheem Ali einen weiten, den gesamten Hintergrund der Bühne umspannenden Projektionsstreifen kreiert, auf dem blutrote Wolken vor einem tiefblauen Abendhimmel treiben. Davor, zerbrechlich wie ein Kartenhaus, eine Küche mit einer Holzveranda. Im Radio wird vom Brandanschlag auf die schwarze Baptistenkirche in der 16ten Straße in Birmingham, Alabama, berichtet, bei dem vier junge Mädchen starben. Es ist der 15. September 1963, einer der dunkelsten Momente in der Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.
    Bezüge zur Bürgerrechtsbewegung und Martin Luther King
    Im Zentrum des Dramas steht das junge Ehepaar Olivia und Charles: er ein charismatischer Prediger und wie es im Stück heißt "das Gesicht der Bewegung" und sie die hinter ihm stehende Ehefrau, die seine Predigten schreibt. Die direkten Bezüge zu Martin Luther King und seiner Frau Coretta sind offensichtlich. Olivia ist gerade erst schwanger geworden, außerdem durch die politischen Ereignisse traumatisiert; sie hat Albträume von einem brennenden Himmel, aus dem Bomben fallen und von Seelen, die wie Glühwürmchen – Fireflies - zu Tausenden gen Himmel fliegen. Charles versucht Olivia mit guter Laune, Charme und Sex auf andere Gedanken zu bringen, doch in unbeobachteten Momenten greift sie wie eine Ertrinkende nach den versteckten Zigaretten und krümmt sich vor Schmerzen zusammen, wenn wieder ein Blitz über den Himmel zuckt. Frieden und Trost findet sie nur, wenn sie einer mysteriösen Frau schreibt, in die sie sich verliebt hatte, aber die zu Tode vergewaltigt wurde, nachdem ihre homosexuelle Neigung öffentlich wurde. Als Charles die Briefe findet droht er sie zu verbrennen: Feuer, das alles verzehrende Element des Stückes.
    Geschichten homosexueller Afroamerikaner würden verdrängt
    Donja R. Love schreibt, weil die Geschichten homosexueller Afroamerikaner seiner Ansicht nach aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt wurden. Sie passten einfach nicht zum Männlichkeitswahn und den Moralvorstellungen der schwarzen Gemeinde. Und in allen seinen Stücken gibt es eine Mutterfigur, die um das Leben ihres Kindes ringt. In einem öffentlichen Gespräch sagt er:
    "Als ich meiner Mutter gesagt habe, dass ich schwul bin, hat sie mir gesagt, dass es Millionen Menschen auf der Welt gibt, die mich nicht kennen, und mich doch lieber tot sehen wollten. Sie hat das aus einem liebevollen Gefühl heraus gesagt, aber der Kampf gegen diese Realität steckt im Zentrum all meiner Stücke."
    Charles Fassade als liebevoller Ehemann bricht zusammen, als das FBI Olivia eine Aufnahme zukommen lässt, auf dem ihr Mann beim Sex mit einer anderen Frau zu hören ist. Auch hier sind die Parallelen zu Martin Luther King offensichtlich. Zum Entsetzen Charles beschließt Olivia ihr Kind abzutreiben. Sie kann Gott nicht verzeihen, ihr in einer Zeit, in der, wie sie sagt, die "farbigen Kinder Gottes geschlachtet werden", ein Kind geschickt zu haben.
    Kritik an Homophobie und Frauenfeindlichkeit
    In "Fireflies" purzeln die verschiedenen Themen und Motiven über- und durcheinander und man hat zuweilen Schwierigkeiten, den sich überstürzenden Ereignissen zu folgen. Die Dialoge sind oft melodramatisch, zwischen TV-Drama und einer theologischen Bildsprache, die zu einer Tradition gehört, die der Autor eigentlich in Frage stellen will. Und die Homosexualität Olivias wirkt in ihrem Kampf um Selbstbestimmung und Freiheit eher wie ein Nebenschauplatz.
    Doch trotz der dramaturgischen Schwächen fesseln zwei herausragende Schauspieler ein letztlich begeistertes Publikum. Besonders Dewanda Wise spielt Olivia überzeugend wie ein eingesperrtes Tier, mal fahrig, dann wieder voller Leidenschaft, mit Gott ebenso ringend wie mit den politischen Ereignissen und den Erwartungen ihres Ehemannes. Die Unberechenbarkeit ihres inneren Erlebens wird zur emotionalen Achterbahn für das Publikum.
    Die Stücke von Donja R. Love finden besonders bei einer jüngeren Generation von Afroamerikanern große Resonanz, für die Infragestellung sexueller Rollen ebenso zum Gebot der Stunde gehört wie die Kritik an Homophobie und Frauenfeindlichkeit innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft.