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Fußball
"Eine dopingträchtige Sportart"

Was bringt Doping im Fußball? Diese Frage wird nach den Enthüllungen der Freiburger Evaluierungskommission heiß diskutiert. Trotz aller Unschuldsbeteuerungen: Es gibt Anhaltspunkte für Doping im Spitzenfußball.

Von Matthias Friebe | 07.03.2015
    Ein Dopingkontrolleur von hinten mit gelb-grüner Jacke und der Aufschrift "Dopingkontrolle".
    Ein Dopingkontrolleur des Deutschen Fußball-Bundes, hier am Rand des Spiels Dynamo Dresden gegen Rot-Weiß Erfurt Anfang Februar. (dpa / Arno Burgi)
    26. Januar 2004: Vor Gericht in Turin sagt Zinedine Zidane aus. Weltmeister, Europameister, dreifacher Weltfußballer des Jahres. Zwar spielt er bereits für Real Madrid, es geht bei seiner Zeugenaussage aber um Dopinganschuldigungen gegen seinen langjährigen Ex-Klub Juventus Turin. Die Staatsanwaltschaft wirft Juve-Generaldirektor Antonio Giraudo und Teamarzt Riccardo Agricola vor, gesundheitsschädliche Mittel verabreicht zu haben. Zidane gibt sich verschlossen vor Gericht, gibt aber zu, bis zu zweimal die Woche Kreatin bekommen zu haben – ein Präparat, das den Muskelaufbau beschleunigt. Ausgelöst wurde das Verfahren gegen Juventus durch Aussagen von Zdenek Zeman im Sommer 1998. Der Trainer von Juves Ligakonkurrent AS Rom bekannte gegenüber dem italienischen Magazin "L'Espresso", der Fußball müsse mal aus den Apotheken rauskommen. Und er nannte sogar Namen:
    "Ich bin immer wieder erstaunt angesichts der muskulären Explosionen mancher Juventus-Spieler. Eine Verblüffung, die bei Gianluca Vialli beginnt und bei Alessandro Del Piero endet."
    Im November 2004 verurteilte das Gericht Teamarzt Agricola wegen Sportbetrugs durch Epo-Doping und Verabreichung gesundheitsschädlicher Medikamente zu einem Jahr und zehn Monaten Gefängnis. Juventus, 1996 Champions-League-Sieger, ist vielleicht das prominenteste Beispiel für Dopingermittlungen im Fußball. Sportrechtliche Konsequenzen gegen Spieler oder Trainer wurden in dem Fall aber nicht gezogen.
    In einem weiteren Fall dagegen schon: Pep Guardiola wurde in seiner Zeit bei Brescia Calcio im Herbst 2001 positiv auf das Kraft und Ausdauer fördernde Mittel Nandrolon getestet und vier Monate gesperrt, wenn auch Jahre später rehabilitiert und freigesprochen – doch bis heute bleiben Zweifel an der Unschuld Guardiolas bestehen.
    Für Aufsehen sorgt im Sommer 1999 auch Emmanuel Petit, Zidanes Teamkollege in der französischen Nationalmannschaft, der im WM-Finale ein Jahr zuvor gegen Brasilien, das 3:0 erzielte. Er sagt in einem Interview zu den Anforderungen an die Profi-Fußballer:
    "Es kommt so weit, dass wir alle Doping brauchen. Einige tun es schon."
    Die enormen Anforderungen an Fußball-Profis bestätigt auch Perikles Simon. Der Dopingforscher von der Universität Mainz rechnet vor, dopen mit EPO steigere die Ausdauerleistungsgrenze um etwa zehn Prozent.
    "Diese zehnprozentige Steigerung ist nichts weiter als ein Feldspieler mehr an Laufleistung bringt. Umgerechnet. Das heißt, da spielen jetzt auf einmal 12 gegen 11. Und nicht mehr 11 gegen 11. Das bedeutet natürlich auch, dass Sie als Trainer eine komplett andere Taktik fahren können."
    Und deshalb sei Fußball inzwischen durchaus eine dopingträchtige Sportart. Wegen der enorm gestiegenen Anforderungen, würde man in Fachkreisen davon sprechen, so Simon
    "... dass jetzt heute wieder Balletttänzer auf den Platz gehen, die gleichzeitig hervorragende Mittelstreckenläufer sind und eben auch noch sehr, sehr gut Fußball spielen können. Und diese Punkte miteinander zu vereinen, ist schon eine Extremanforderung an ein Individuum. Und wenn da jetzt einer dieser Aspekte nicht so perfekt dasteht, aber dem internationalen Druck im Fußballgeschäft unterliegt, dann liegt eben die Gefahr doch nahe, dass man etwas nachhilft."
    Nachgeholfen wurde offenbar auch im spanischen Fußball. Der Name, der wie kein Zweiter für Doping im Radsport steht, taucht auch hier auf. Eufemiano Fuentes, der Arzt, den auch Jan Ullrich und Co besucht haben sollen. Im Prozess gegen ihn sagt 2013 unter anderem Iñaki Badiola aus. Der ehemalige Präsident von Real Sociedad San Sebastian berichtet von langjährigem Doping in seinem Verein, der in der Saison 2002/2003 völlig überraschend in die Champions League eingezogen war und fast den spanischen Meistertitel geholt hätte. Doping mit Hilfe von Eufemiano Fuentes. Fuentes, der in seinem Prozess zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, hatte sich bereits im Jahr 2006 im Radiosender Cadena SER den Fragen des Journalisten José Ramón de la Morena gestellt.
    "Hat man gedroht, Sie umzubringen? – Nicht mit genau diesen Worten, aber es ging aus der Drohung hervor. – Haben Sie Angst? – Na, sicher habe ich Angst."
    Angst hatte Fuentes aber nicht vor Radsportlern oder Funktionären. Angst hatte er vor dem Fußball. Nicht der einzige, der das zu spüren bekam. Stephane Mandard, damaliger Chefredakteur der Zeitung "Le Monde", wurde vor Gericht sogar von Real Madrid und dem FC Barcelona auf Schadensersatz verklagt, weil er von Treffen mit Fuentes berichtete.
    "Dr. Fuentes hat mir Pläne für vier der wichtigsten spanischen Fußballclubs gezeigt. Es waren medizinische Vorbereitungspläne für ganze Mannschaften für eine komplette Saison."
    Juventus Turin und Real Sociedad San Sebastian sind offenbar nur zwei Beispiele für Doping im Spitzenfußball.