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Doping
Miami heiß

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Florida haben ergeben: Nicht nur berühmte Spitzensportler wie der Baseballprofi Alex Rodriguez waren Teil eines langjährigen Dopingrings. Auch minderjährige Athleten wurden mit illegalen Mitteln versorgt.

Von Jürgen Kalwa | 10.08.2014
    Der Baseballspieler Alex Rodríguez läuft von links nach rechts. Im Hintergrund ist Publikum zu sehen.
    Alex Rodríguez, Spitzname A-Rod, in einem Spiel der New York Yankees gegen die Tampa Bay Rays in St. Petersburg, Florida (picture alliance / dpa / Brian Blanco)
    Wenn man als Redakteur bei einer kleinen alternativen Wochenzeitung arbeitet, träumt man wie so viele Journalisten von den großen Enthüllungsgeschichten. Dass sie einem auf den Schreibtisch flattern, ist allerdings unwahrscheinlich.
    Aber die Wege zum Scoop sind unergründlich. So wie in diesem Fall in Florida, in dem ein Mann, der eine Betriebseinlage von 4000 Dollar nicht zurückerhielt, sich auf seine Art an dem Schuldner rächte: In dem er Unterlagen mitnahm und Tim Elfrink gab, dem Redakteur der Miami New Times. Und weil der sie auswertete und das wichtigste aus ihnen publizierte, wurde einer der größten Dopngskandale in der Geschichte der USA aufgedeckt. "Das Material war sehr unübersichtlich", sagt Elfrink. "Das meiste bestand aus vier Büchern mit handschriftlichen Notizen. In denen hatten die Profisportler alle Code-Namen."
    Weshalb der Journalist mehrere Monate brauchte, bis er das Material ausgewertet hatte und seinen Lesern in einem übersichtlichen und verständlichen Bericht präsentieren konnte. Der Artikel war eine ziemliche Sensation. "Major League Baseball is being rocked by another steroid scandal, allegeledly... involving..." – "The biggest name involved: Alex Rodriguez..."
    Denn nicht nur Alex Rodriguez, der Höchstverdiener im amerikanischen Baseball, war verwickelt. Ein Mann, der in den Jahren davor zunächst die Einnahme von Dopingmitteln abgestritten und dann doch zugegeben hatte, sondern eine ganze Reihe von Baseball-Spitzenspielern. Sie akzeptieren die resultierenden Sperren, dei die Liga seit Elfrinks Bericht und auf der Basis eigener Recherchen verhängte. Rodriguez kämpfte ein Jahr lang mit teuren Anwälten gegen das Unvermeidliche. Ehe er dann doch die Strafe akzeptierte: ein Jahr Sperre und damit ein Verlust von knapp 30 Millionen Dollar Gehalt.
    Auch diese Phase produzierte Material, das Elfrink verwerten konnte, als er zusammen mit einem Co-Autor ein Buch über den Skandal schrieb. Es heißt "Blood Sport" und ist vor wenigen Wochen erschienen. "Wir sind in den Besitz der Liga-Protokolle der Anhörung von Rodriguez gekommen. Und in dem Material befanden sich Aussagen von Spitzenfunktionären. Darunter auch die überraschende Information, dass Alex Rodriguez 2007 von der Liga die Genehmigung erhalten hatte, eine ganze Saison lang Testosteron zu nehmen."
    Die Sache klingt verworrener, als sie ist. Denn der Beschaffer der Dopingmittel hat längst öffentlich zugegeben, dass er Rodriguez den Stoff besorgte und ihm notfalls sogar selbst injizierte. Er heißt Tony Bosch und war Betreiber einer florierenden Firma namens "Biogenesis" mit Sitz in Miami. "Alex is scared of needles. So at times he would ask me to inject."
    Bosch, Sohn eines Arztes, hatte einst ein Medizinstudium begonnen, aber nicht abgeschlossen. Was er mit "Biogenesis" – einer sogenannten Anti-Aging-Clinic – trieb, war illegal. Es verstieß gegen das amerikanische Arzneimittelgesetz. Testosteron und Wachstumshormon sind verschreibungspflichtige Substanzen. Aber das Geschäft war einfach zu lukrativ, sagt Tim Elfrink: "Alex Rodriguez allein hat ihm bis zu 12.000 Dollar im Monat bezahlt. Dafür, dass er ein oder zweimal im Monat vorbeikam und die Drogen abholte."
    All das ist jedoch offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs. Am Dienstag nahmen Drogenfahnder und die Bundesstaatsanwaltschaft in Miami Bosch sowie mehrere Komplizen fest und präsentierten sie mit einer weitreichenden Anklage. Dabei geht es hauptsächlich darum, dass sie Dopingmittel auch an Minderjährige verkauft haben sollen: Teenager, die an der High School Sport treiben.
    Bosch wird vermutlich im Gefängnis landen. Rodriguez, Spitzname A-Rod, wahrscheinlich nicht. Zumindest nicht, wenn er den Ermittlern sein Wissen preisgibt und keine uneidliche Falschaussage macht. Etwas, was anderen Sportlern wie der Leichtathletin Marion Jones zum Verhängnis wurde. Die Staatsanwaltschaft will in jedem Fall ein Exempel statuieren. "Junge, leicht zu beeindruckende Sportler müssen daran erinnert werden", sagte einer der Ankläger vor Journalisten, "dass Profis, die Drogen nehmen, um ihre Leistung zu steigern, keine Helden sind. Sie sind Betrüger."
    Weshalb die Sache für einige, bislang noch nicht bekannte Baseball-Profis auf jeden Fall noch haarig werden wird. Denn die Elfrink zugespielten Unterlagen enthielten offensichtlich nicht alle Namen von Spitzenspielern, die bei Bosch Kunde waren. Sie werden gewiss im Rahmen des nun anstehenden Verfahrens bekannt werden.