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Doping
Nahrungsergänzungsmittel - Für Sportler kein Muss

Nach Evi Sachenbacher-Stehle und dem italienischen Bobfahrer William Frullani wurden auch der ukrainischen Langläuferin Marina Lisogor und der lettische Eishockey-Spieler Vitalijs Pavlovs des Dopens mit Stimulanzien überführt. Methylhexanamin wurde bei ihnen festgestellt. Schuld sollen verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel sein. Aber sind diese Supplements überhaupt notwendig?

Von Heinz Peter Kreuzer | 23.02.2014
    Methylhexanamin gilt als die Nummer eins der Stimulanzien. Keine andere Substanz wird so oft nachgewiesen. Alleine 2012 gab es 320 Fälle. Dopinganalytiker führen die Häufigkeit der positiven Proben in erster Linie auf verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel zurück. Professor Mario Thevis vom Kölner Zentrum für Präventive Dopingforschung:
    "Das Methylhexanamin war vor vielen Jahren als Medikament, ich meine als abschwellendes Nasenspray, entwickelt worden. Ist aber dann vom Markt genommen worden. Mir ist kein Medikament, kein Therapeutikum bekannt, was momentan mit Zulassung vertrieben wird."
    Deshalb gelten Nahrungsergänzungsmittel als Ursache für die positiven Dopingtests. Professor Thevis beschreibt, wie Stimulanzien in die Nahrungsergänzungsmittel gelangen:
    "Zum einen, dass es im Produktionsprozess zu Verunreinigungen gekommen ist, die spielen sich im Kleinstmengenbereich, im Spurenbereich ab. Das andere Szenario, was in vielen Fällen als wesentlich plausibler zu betrachten ist, dass es Beimengungen in illegaler Art und Weise gegeben hat. Das herstellende Unternehmen nicht deklarierte Stimulantien wie Methylhexanamin in rein pflanzliches Produkt beimischen, um einen deutlich höheren Wirkungsgrad zu erzielen."
    Trotz dieses Risikos greifen viele Spitzensportler zu den Nahrungsergänzungsmitteln. Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch beschreibt die Einstellung vieler Spitzensportler.
    "Es ist für uns Sportler extrem schwierig. Wir müssen so viele Zusatzpräparate nehmen, um einfach den Vitamin- und Mineralstoffhaushalt im richtigen Bereich zu haben. Wir haben einfach extreme Belastungen, man isst viele Energierigel und Nahrungsergänzungsmittel."
    Hans Braun, Ernährungsberater am Olympiastützpunkt Rheinland, kennt die Einstellung der Athleten aus der eigenen Praxis.
    "In eigenen Erhebungen auch mit Olympiakadern, in dem Fall vorwiegend Sommersportarten, haben wir schon feststellen können, dass einzelne Athleten in einem Befragungszeitraum von vier Wochen bis zu im Einzelfall, 25, 30 verschiedene Produkte nehmen. Und dann kann man von vorneherein sagen, das kann nicht sinnvoll sein, so eine hohe Notwendigkeit kann nicht bestehen."
    Nach den Erfahrungen von Ernährungsberater Braun besteht keine generelle Notwendigkeit von Nahrungsergänzungsmitteln für Sportler.
    "Aber es gibt im Leistungssport Situationen, in denen es auf Grund der Belastungsumfänge oder auch der Belastungsintensitäten zum Beispiel zu der Notwendigkeit kommt, das man während der Belastung Energie nachschiebt, zum Beispiel Kohlehydrate in Form von einem Sportdrink, eines Sportgels oder eines Energieriegels."
    Die Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln ist für Braun daher eine Angelegenheit von Experten. Auch Hilfsmittel wie die Kölner Liste - ein Verzeichnis von Nahrungsergänzungsmitteln, die auf Dopingsubstanzen getestet wurden - würden keine Sicherheit für dopingfreie Nahrungsergänzungsmittel garantieren, sondern nur das Risiko minimieren. Professor Thevis erläutert:
    "Aber hier ist einschränkend zu sagen, dass dies immer nur für eine aktuelle Charge gelten kann. Das heißt, ein Produktionsprozess wird in Großmengen durchgeführt, die so genannten Chargen werden abgefüllt und verkauft, dementsprechend gibt es auf jeder eine Chargennummer, und das Analysezertifikat kann nur für diese Charge gelten. Wenn ein Hersteller ein Produkt vor drei Jahren hat untersuchen lassen, ist das keine Garantie dafür, dass es auch heute noch von Verunreinigungen frei ist."
    Dazu kommt ein weiteres Problem: Um die Spitzensportler scharen sich immer mehr selbsternannte Experten in Sachen Ernährung, sagt Hans Braun:
    "Natürlich sind viele Personen an den Sportler interessiert. Viele, ich sage jetzt mal Agenturen, die versuchen, die Sportler nach vorne zu bringen, weil sie alle gemeinsam davon einen Nutzen darin sehen. Und dann kommt es vielleicht zu einem Wildwuchs an Beratern und privaten Initiativen. Da fehlt mir manchmal so bisschen der sinnhafte Umgang, auch die eigene Verantwortung, kann ich das überhaupt beurteilen als jemand, der vielleicht im psychologischen Bereich perfekt aufgestellt ist, aber kann ich den ernährungsphysiologischen Part beurteilen."
    Auch Evi Sachenbacher-Stehle hatte angegeben, die Nahrungsergänzungsmittel von ihrem Mentaltrainer erhalten zu haben.