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Doping-Studie mit wenig Aussagekraft

Laut einer neuen Studie des Bundesgesundheitsministerium greift nur ein Prozent der Deutschen zu Dopingmitteln. Aber: Die Studie scheint das Problem zu verharmlosen.

Von Daniel Drepper | 21.05.2011
    Nur ein Prozent der Deutschen nimmt Dopingmittel. Das ist die Erkenntnis von ‘Kolibri', einer Studie des Robert-Koch-Instituts im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums, die jetzt veröffentlicht wurde. Über den Sport sagt das wenig aus. Die Herangehensweise bei der 160.000 Euro teuren "Studie zum Konsum leistungsbeeinflussender Mittel in Alltag und Freizeit" so der komplette Titel, verhinderte Ergebnisse, die mehr Aufschluss gegeben hätten.

    "Ich ganz persönlich, wenn ich Dopingkonsument wäre, dann würde ich an so einer Befragung auch nicht teilnehmen - um auf Nummer sicher zu gehen. Also wer ist denn schon wirklich dazu bereit, als Dopingmittelkonsument Auskunft über seine Praktiken zu geben."

    Mischa Kläber, Sportsoziologe an der TU Darmstadt, hat Zweifel, ob die vorgestellten Zahlen zuverlässig sind. Denn die Ergebnisse der Kolibri genannten Befragung sind genauso harmlos, wie ihr Name klingt. Die Macher schreiben, die Antworten ließen nicht den Schluss zu, dass ein großer Teil der Sporttreibenden regelmäßig zu Doping greift. Nur ein Prozent gab an, innerhalb eines Jahres Dopingmittel genommen zu haben. Ohne Not zu verschreibungspflichtigen Medikamenten hatten im selben Zeitraum angeblich nur sechs Prozent gegriffen. Das ist erstaunlich gering. Sportsoziologe Kläber sieht einen Grund im Aufbau der Studie: Die immerhin 10000 Fragebögen waren breit gestreut und per Post verschickt worden. 40 Prozent der Bögen wurden nicht beantwortet. Hier verstecke sich naturgemäß ein großer Anteil an Dopingkonsumenten, so Kläber.

    "Und bei so einer Studie - das muss man auch ganz offen und ehrlich sagen - wenn man dann in der Kopfzeile als Befragter liest 'Robert Koch Institut‘ oder vielleicht auch noch 'Durchs Bundesministerium für Gesundheit gefördert‘ oder in Auftrag gegeben, dann hat das natürlich eine extrem abschreckende Wirkung auch auf viele. Also generell ist es schwierig für einen Forscher, da einen angemessenen Zugang zum Feld zu finden. Und dieses Forschungsfeld zeichnet sich durch seine extreme Verschwiegenheit aus."

    Auf die Probleme der Studie weist auch Kolibri selbst hin. Die 160000 Euro teure Befragung schließt nicht aus, dass in Untergruppen der Anteil der Dopingkonsumenten deutlich höher ist. Bezogen auf Doping im Breitensport hat Kolibri trotz der hohen Zahl von Fragebögen nur wenig Aussagekraft. Die Studie ist zu breit angelegt. Für weiterführende Analysen sind laut Kolibri zielgruppenspezifische Studien erforderlich.

    Ganz speziell nach Doping in Fitnessstudios hatten in den vergangenen Jahren verschiedene Studien gefragt. Sie waren auf Missbrauchswerte zwischen zehn und 20 Prozent gekommen. Diese Ergebnisse bestätigt auch eine kürzlich vorgestellte Befragung aus Frankfurt. Ein Viertel der befragten Männer gab an, leistungssteigernde Medikamente zu nehmen. Bei den Frauen waren es 14 Prozent. Fast ein Drittel der Befragten hatte die Dopingmittel von einem Arzt bekommen.

    Mischa Kläber befragte in seiner im Vorjahr veröffentlichten Doktorarbeit selbst zahlreiche erfahrene Freizeit-Doper. Er analysierte, welche Umstände dazu führen, dass Breitensportler zu Dopingmitteln greifen. Kläber kritisiert, dass es nicht mehr qualitative Studien gibt. Stattdessen werde immer wieder nach Zahlen gefragt. Dabei sei der Umfang des Problems längst deutlich genug beschrieben.

    "Und jetzt müsste man dazu übergehen, genauere Untersuchungen zu machen, die auf einen verstehenden Nachvollzug abzielen. Weil wir wissen eigentlich noch viel zu wenig über Doping im Bereich des Freizeit- und Breitensports."

    Die Ergebnisse der Kolibri-Studie dürften die Politik nicht ermuntern, in weitere Forschungsprojekte zu investieren. Im Gegenteil. Die Studie scheint das Problem zu verharmlosen. Immerhin kommt auch Kolibri zu dem Schluss, dass allgemeine Präventionsmaßnahmen wenig bringen. Ganz im Gegenteil müsse man die dopenden Gruppen differenziert untersuchen. Dass dies mit einem an breite Massen verschickten Fragebogen nicht funktionieren konnte, leuchtet ein.

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    Der Link zur Kolibri-Studie