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Doping-Studie
Politisches Nachspiel für den DOSB

Vor ziemlich genau einem Jahr wurde der deutsche Sport von einer umfangreichen und provokanten Studie erschüttert. Titel: „Doping in Deutschland von 1950 bis heute". Zentrale Aussage: Doping mit wissenschaftlicher Unterstützung und aus politischen Motiven hat es auch in Westdeutschland gegeben. Für den Deutschen Olympischen Sportbund könnte diese Studie jetzt noch einmal politische Folgen, die sich der Dachverband wohl eher nicht gewünscht hat.

Von Bastian Rudde | 20.08.2014
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    Diese Doping-Mittel hat die Polizei in einem geheimen Labor gefunden. (Bild: Boris Roessler / dpa) (Boris Roessler / dpa)
    An einem Samstag im August 2013 gibt es im deutschen Sport ein Erdbeben.
    „Beim Doping in Deutschland dachte man bisher an DDR-Athleten, die planmäßig vollgepumpt wurden. Nun wissen wir: Auch in Westdeutschland war das System."
    Auf die provokante Studie der Humboldt Universität Berlin reagiert der damalige Präsident des deutschen Olympischen Sportbundes und heutige Chef des Internationales Olympischen Komitees, Thomas Bach, mit einem Versprechen im ZDF.
    „Wir haben eine unabhängige Kommission eingesetzt und den Vorsitzenden benannt. Das ist der ehemalige Bundes-Verfassungsrichter Udo Steiner. Der wird dem Präsidium des DOSB für den Umgang damit und auch lehren für die Zukunft."
    Diese Empfehlungen stehen seit Mitte Juni der Öffentlichkeit zur Verfügung. Einen Tag vor der Fußball-WM hat sie der DOSB auf seine Internetseite gestellt. Aus diesen Empfehlungen heraus liest die SPD-Politikerin Dagmar Freitag auch viel Kritik am DOSB. Und eine Aufforderung zum generellen Umdenken im großen deutschen Dachverband:
    „Dopingbekämpfung steht im Vordergrund. Möglicherweise sogar unter Verzicht auf Medaillen. Das wäre in der Tat ein Novum."
    Dagmar Freitag ist Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. Der wird sich im Dezember mit den Empfehlungen an den DOSB beschäftigen.
    „Mir ist ein Punkt besonders wichtig. Der Bericht empfiehlt dem DOSB, die Erfolgsabhängigkeit der Trainer von den Erfolgen ihrer Athleten zu verringern. Und deshalb kann ich nur sagen: Weg mit diesen unsinnigen Trainerprämien, die der DOSB aber als Forderung gestellt hat."
    Neben einer womöglich zu großen Erfolgsabhängigkeit greift der Experten-Bericht auch andere grundsätzliche Punkte auf. Von zunehmend überhöhten Medaillenerwartungen ist die Rede. Von einem Leitbild, dass die Anti-Doping-Haltung des DOSB deutlicher machen müsse. Sätze, die man als Ohrfeigen lesen kann.
    „Nein, das empfinde ich überhaupt nicht so."
    Kontert Generaldirektor Michael Vesper. Er verweist darauf, dass der DOSB auch für seine Anti-Doping-Arbeit der jüngeren Vergangenheit gelobt werde und sich von der Experten-Kommission bestätigt auf diesem Weg bestätigt sehe.
    „Wissen Sie, es geht hier nicht um irgendwelche spektakulären Maßnahmen, sondern es geht hier um Schwarzbrot, wie man den Anti-Doping-Kampf Schritt für Schritt verbessern kann."
    „Wenn der Sport und wenn Herr Vesper der Meinung ist, das ist etwas ganz Normales. Dann sollen sie es tun!"
    Andre Hahn, der sportpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Trotz der deutlichen Worte Richtung DOSB gehen Hahn die Empfehlungen der Expertenkommission nicht weit genug.
    „Wenn zum Beispiel gesagt wird, dass ein eigenes Anti-Doping-Gesetz nicht zwingend erforderlich sei, dann haben wir als Linke da eine deutlich andere Meinung. Wir brauchen ein solches Gesetz!"
    So steht es auch im Vertrag der Großen Koalition im Berlin – fast ein Jahr nach der Bundestagswahl ohne dass es umgesetzt wurde. Auch darum wird es wohl gehen, wenn die enthüllende Studie „Doping in Deutschland" von 2013 im Sportausschuss wieder auf die politische Bühne zurückkehrt. Genauso wie um die Frage, ob die Vergangenheitsaufarbeitung – wie vielfach gefordert – über das Jahr 1990 hinaus fortgesetzt wird. Generell sollte man den Einfluss des Sportausschusses in solchen Prozessen nicht überschätzen. Was er aber kann ist: Druck aufbauen. Und genau das will die Ausschuss-Vorsitzdende Dagmar Freitag tun.