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Doping-Vorwürfe
IAAF: Russische Leichtathleten bleiben gesperrt

Der Leichtathletik-Weltverband hält an der Sperre der russischen Sportler fest. Die Entscheidung des Councils bestätigte IAAF-Präsident Sebastian Coe in Wien. Damit droht Russlands Leichtathletik der Ausschluss von den Olympischen Spielen in Rio. Eine Ausnahmeregelung könnte einzelnen Athleten den Start ermöglichen. Darüber will das Internationale Olympische Komitee nun schon morgen entscheiden.

17.06.2016
    Sebastian Coe, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen des Councils in Wien.
    Sebastian Coe, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen des Councils in Wien. (EPA)
    Nach Angaben des IAAF-Präsidenten Coe fiel die Entscheidung einstimmig. Die Pressekonferenz des Weltverbandes war am Nachmittag mehrfach verschoben worden. Schon vor der offiziellen Bekanntgabe durch die IAAF hatten das russische Sportministerium und der nationale Leichtathletik-Weltverband bekannt gegeben, dass die Sperre der russischen Sportler aufrecht erhalten werde.
    IAAF-Chef Sebastian Coe sprach nach der Entscheidung der 24 Council-Mitglieder von einer "machtvollen Entscheidung". Er gab bekannt, dass es Ausnahmen von der Sperre geben könnte: Ein Start einzelner Athleten unter neutraler Flagge sei möglich, sagte der Brite bei der Pressekonferenz. Explizit als mögliche Starterin wurde die Whistleblowerin Julia Stepanowa genannt, die das Doping-System in Russland mit aufgedeckt hat.
    Die Exekutive des Internationalen Olympischeb Komitees (IOC) wird bereits morgen und nicht wie geplant am kommenden Dienstag über das mögliche Olympia-Aus der russischen Sportler beraten. Das teilte das IOC nach der Bekanntgabe der Suspendierung der russischen Leichtathleten durch die IAAF mit. Die Entscheidung über die Zulassung der russischen Athleten für die Olympischen Spiele liegt formal beim IOC.
    Ursprünglich hatte das IOC am Dienstag bei einem Treffen über das Startrecht entscheiden wollen. IOC-Präsident Thomas Bach hatte die Frage, ob das IOC die IAAF-Sperre überstimmen könnte, im Vorfeld mit den Worten beantwortet: "Ich kann nicht spekulieren." Das Treffen finde statt, um "saubere Athleten zu schützen und ein geebnetes Spielfeld für alle Athleten in Rio sicherzustellen".
    Russischer Sport: enttäuscht, aber nicht überrascht
    Der russische Sportminister Witali Mutko erklärte in Moskau, man habe die Verlängerung der Sperre erwartet und kündigte an, dass man reagieren werde. Das Sportministerium sei "extrem enttäuscht", dass die Sperre aufrecht erhalten werde und die Leichtathleten von den internationalen Wettbewerben, unter anderem von den Olympischen Spielen, ausgeschlossen würden. Er hoffe, das Internationale Olympische Komitee könne diese Entscheidung "irgendwie korrigieren", zitiert ihn die Nachrichtenagentur "R-Sport".
    Die zweimalige Olympiasiegerin im Stabhochsprung, Jelena Issinbajewa, kündigte an, vor Gericht zu ziehen. Laut TASS will sie beweisen, dass die Sperre gegen die russischen Leichtathleten gegen die Menschenrechte verstoße.
    DLV-Chef befürwortet Entscheidung - mit Einschränkungen
    Der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Clemens Prokop sagte, er begrüße die "konsequente Entscheidung über den russischen Ausschluss." Gleichzeitig stehe er dem Beschluss, vermeintlich sauberen Athleten eine Startberechtigung zu geben, "mit größter Skepsis gegenüber." Wenn ein Anti-Doping-Programm in der Vergangenheit nachweislich nicht funktioniert habe, könne Chancengleichheit nicht gegeben sein.
    Deutsche Sportler hatten heute im Vorfeld der Entscheidung ihre Forderung nach einer harten Bestrafung des russischen Leichtathletik-Verbandes bekräftigt. Die Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) teilte in einem offenen Brief an IOC-Chef Thomas Bach und WADA-Chef Craig Reedie mit: "Es muss eine ernsthafte Sanktion geben, eine Sperre ist unumgänglich." Sie forderten ein starkes Signal, dass man durch Betrug, Doping und Bestechung keinen Vorteil erlange.
    Der russische Präsident Wladimir Putin sagte bereits am Nachmittag, es könne nicht sein, dass das gesamte Team die Schuld für Einzelne tragen müsse. "Von staatlicher Seite haben wir gegen Doping im Sport gekämpft und werden das auch in Zukunft tun." Es habe in Russland keine Unterstützung für Verstöße im Sport - und vor allem nicht im Bereich Doping - gegeben, und es werde sie auch in Zukunft nicht geben.
    Zahlreiche Belege und Whistleblower-Aussagen
    Allerdings gibt es zahlreiche Belege für systematisches flächendeckendes Doping in Russland, wie Marina Schweizer aus der DLF-Sportredaktion erklärte: Videoaufnahmen der Whistleblower Julia und Witali Stepanov zeigten in der ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping" Leichtathleten, den Nationaltrainer und den Mannschaftsarzt. Darin sei eindeutig belegt, wie sie nicht nur über die Dopingpraktiken sprechen, sondern auch, wie Mittel verteilt werden. Zudem gebe es klare Beweise dafür, dass der damalige Chef des russischen Leichtathletikverbandes, Walentin Balachnitschew, von gedopten Athleten gewusst habe und dass diese Sportler sich bei Funktionären des Weltleichtathletikverbandes hätten freikaufen können.
    Der Leiter des russischen Doping-Kontrolllabors hatte zudem in einem Interview mit der New York Times das staatliche Doping russischer Sportler bestätigt.
    Auch die Ermittlungskommission der Welt-Anti-Doping-Agentur empfahl dem Leichtathletik-Weltverband in ihrem Bericht, Russland auszuschließen und fünf Athleten sowie fünf Trainer auf Lebenszeit zu sperren. Die Kommission riet dem IOC, russische Leichtathleten nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen zu lassen.
    (vic/am)