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Dopingforschung mit Staatsgeldern?

Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft, kurz BISp, hat Dopingforschung an der Universität Freiburg mit staatlichen Geldern gefördert. Das geht aus Dokumenten hervor, die die Tageszeitungen "Main-Post" und "Märkische Oderzeitung" veröffentlicht haben.

Von Jonas Reese | 30.07.2013
    Die Freiburger Sportmediziner Herbert Reindell und Joseph Keul interessierten sich für folgende Fragestellung:

    "ZITAT "....ob durch geringe Gaben von Insulin bzw. in Zusammenspiel mit Wachstumshormonen eine höhere Dauerleistungsfähigkeit erzielt werden kann.""

    Für diesen Forschungsansatz und auch zur leistungssteigernden Wirkung von Anabolika beantragten sie rund ein halbes Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele 1972 in München finanzielle Unterstützung beim staatlichen Bundesamt für Sportwissenschaft, kurz BISp.
    139.200 D-Mark bewilligte die Behörde damals formlos. Das geht aus den Original-Dokumenten aus dem Koblenzer Bundesarchiv hervor, die die Märkische Oderzeitung und die Main-Post gefunden haben. Für den Historiker Giselher Spitzer von der Humboldt Universität Berlin eine kleine Sensation.

    "Das ist absolut neu, bisher gab es kaum Hinweise auf die Verwendung von Insulin, wenn ein Arzt einem gesunden Sportler diese Hormone verabreicht. Also schon 1971 Einsatz von Insulin und Einsatz von Wachstumshormonen. Das war damals ein ganz seltener und teurer Stoff."

    Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang Herbert Reindell. Der eine Antragsteller war damals Mitglied der Ärztekommission des Internationalen Olympischen Komitees und darin mitzuständig für die Liste verbotener Dopingmittel. Anabolika standen für die Spiele in München nicht auf der Verbotsliste. Dass rückt Reindells Rolle für Giselher Spitzer in ein fragwürdiges Licht.

    "An diesem Beispiel kann man eigentlich sehr gut erkennen: Die IOC-Kommision hätte das erkämpfen können, dass Anabolika auf diese Liste kommt, aber wenn wir jetzt sehen, dass er jetzt der Hauptantragsteller war, über die Verbesserung der Leistung von Spitzengewichthebern zum Beispiel. Dann ist doch völlig klar, dass er kein Interesse daran hat, Anabolika dort schon auf der Liste zu haben."

    Bewegung könnte dieser Aktenfund in den schon länger andauernden Streit um die Aufarbeitung der westdeutschen Doping-Geschichte bringen. Der Abschlussbericht zu der vom Deutschen Olympischen Sportbund initiierten Studie "Doping in Deutschland 1950 bis heute", an der Spitzer beteiligt ist, soll laut DOSB nicht veröffentlicht werden. Auch an der Freiburger Uni warf die eigens eingesetzte Untersuchungskommission ihren Auftraggebern vor, sie bei ihrer Aufarbeitung der Freiburger Dopinggeschichte zu behindern.

    Das Bundesinnenministerium, dem das BISp untergeordnet ist, begrüßt in einer Stellungnahme die neuen Erkenntnisse. Nur ein komplettes Bild über die Dopingpraktiken in der Vergangenheit würde ausreichen, die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen, so das BMI.

    Für den sportpolitischen Sprecher der SPD Martin Gerster ist das Heuchelei. Er zweifelt den Aufklärungswillen des Innenministeriums an.

    "Ich halte das für einen Skandal, dass hier offenbar verschleiert wird, vertuscht wird, Wege gesucht und gefunden werden, damit man die Abgeordneten hinters Licht führen kann bzw. im Unwissen lassen kann."

    Ob vollends Licht in die Dopingvergangenheit Westdeutschlands gebracht werden kann, bleibt fraglich. Denn offenbar sind die jüngst gefundenen Akten, die letzten ihrer Art im Bundesarchiv. 2005 soll es laut Spitzer eine Aktenvernichtung in diesem Forschungsbereich gegeben haben. Damals war der SPD-Politiker Otto Schily Innenminister.