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Dopingopfer
Die Gräben sind auch nach 25 Jahren noch tief

Auf Initiative der Aufarbeitungsbeauftragten des Landes Brandenburg fand in dieser Woche eine Diskussionsveranstaltung zur derzeitige Situation der Geschädigten durch das DDR-Staatsdoping statt. Erstmals nach 25 Jahren Mauerfall wurde über die Dopingopfer öffentlich im dem Bundesland diskutiert.

Von Robert Kempe | 29.05.2014
    "Bis jetzt ist nichts passiert. Ich glaube, dass es sich der Landessportbund zu einfach macht."
    Erläuterte Ulrike Poppe, Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der DDR-Zeit, ihr Motiv, Geschädigte des DDR-Sports und hochrangige Vertreter aus Landespolitik und Sport erstmals auf ein Podium zu bringen.
    Hintergrund:
    In Brandenburg tagte in den letzten vier Jahren eine Enquete Kommission, die sich mit der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit im Bundesland beschäftigte. Auch der Sport in Brandenburg stand dabei im Mittelpunkt. In der Kritik vor allem der Umgang mit Doping-Geschädigten und Stasi-Altlasten.
    In dem 400-Seiten starken Abschlussbericht der Enquete-Kommission stellt die Politik an den Landessportbund Brandenburg nun klare Forderungen: Den Opfern des DDR-Doping-Systems sollen Hilfsangebote unterbreitet und Beratungsstellen finanziell unterstützt werden. Weiter erwartet man, dass der Landessportbund konkrete Initiativen für Dopingopfer entwickelt.
    Ines Geipel, die Vorsitzende des Vereins Doping-Opfer-Hilfe DOH, kritisierte auf der Veranstaltung den Landessportbund. Der Verein DOH engagiert sich für die Belange Geschädigter des DDR-Sports. Zusagen, so führte Geipel aus, für eine finanzielle Unterstützung einer Beratungsstelle des DOH seien nicht eingehalten, der Dialog von Seiten des Landessportbunds nicht fortgesetzt worden. Nachfragen dazu blieben seit Monaten unbeantwortet, so Geipel. Außerdem habe man den Verband Namen von Dopinggeschädigten mitgeteilt, bisher sei der Landessportbund aber untätig geblieben, erklärte Ines Geipel.
    "Der Bedarf ist ja herangetragen, der Bedarf ist ja ganz konkret. Die Namen hat der Landessportbund, die Fälle hat der Landessportbund. Es gibt gar kein Argument mehr, die Not der Geschädigten weiter zu verwarten. Wir werden auf eine Lösung mit dem Landessportbund Brandenburg drängen."
    "Wir drehen uns doch im Kreis. Wenn keiner der Geschädigten sich an uns wendet, in welcher Form sollen wir dann Sachen entwickeln?"
    wies Andreas Gerlach, Hauptgeschäftsführer des Landessportbunds Brandenburg, alle Kritik von sich und betonte:
    "Es sind staatliche Programme der DDR, es sind keine staatlichen Programme des Landessportbundes gewesen. Das muss man auch so deutlich sagen. Trotzdem kann man an bestimmten Stellen auch eine ganze Menge helfen. Und Spätfolgen einer Diktatur, dass sich da ein Verein so in den Mittelpunkt stellt, ist natürlich auch ein bisschen schwierig."
    so Andreas Gerlach auf der Veranstaltung. Eine bequeme Position in die sich der organisierte Sport zurückzieht. Ulrike Poppe, Brandenburgs Aufarbeitungsbeauftragte, hat dafür eine Erklärung:
    "Der Sportbereich gehört zu den Bereichen, die sich noch relativ weitgehend aus der Verantwortung für die Vergangenheit heraushalten in Brandenburg. Obwohl es sehr enge, oder weil es sehr enge Verknüpfungen gibt mit führenden Persönlichkeiten in der Politik. Aber es gibt in diesem Landessportbund keine – dieses hässliche Wort Bereinigung will ich gar nicht sagen - aber es gibt einfach noch viele DDR-Funktionäre in den Sportbereichen."
    Brandenburgs Politik stellt sich schützend vor den Landessportbund.
    "Ich sehe, dass der Landessportbund seiner Verantwortung hier nachkommt. Nachdem was ich weiß, und ich bin in einem intensiven Austausch mit dem Landessportbund, stellt sich der Landessportbund diesen Themen. Es gab mehrere Gespräche mit unserer Diktaturbeauftragten im Vorfeld. Und der Landessportbund hat auch angeboten hier zu unterstützen."
    erklärt die für den Sport zuständige Bildungsministerin Martina Münch. Münch und der Landessportbund wissen man von einander hat - auch in kritischen Zeiten. Als die SPD-Politikerin wegen ihrer Reise zu den Olympischen Spielen nach Sotschi in Erklärungsnot geriet, sprangen ihr Brandenburgs Sportfunktionäre zur Seite.
    Auch unter Woche standen Politik und Sport in Brandenburg zusammen. Einmal mehr bestätigte sich der Eindruck, dass man kritische Töne zu DDR-Altlasten im Brandenburger Sport nicht gewohnt ist. Der Kanute Thomas Kersten wurde in den siebziger Jahren aus politischen Gründen aus dem DDR-Leistungssport ausdelegiert. Er kommt zu folgendem Schluss:
    "Ich habe eigentlich eher das Gefühl, dass man sich damit überhaupt nicht auseinandersetzen möchte. Das sind unbequeme Themen. Das Thema Doping, das Thema Stasi, wenn man sich das vom Hals halten kann, dann besser so."
    25 Jahre nach dem Mauerfall sind die Gräben zwischen Geschädigten des DDR-Sports und dem organisiertem Sport in Brandenburg tiefer als zuvor. In puncto Aufarbeitung hat das Bundesland weiter hohen Nachholbedarf.