Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Dopingopfer
Kampf gegen die Fristen

Immer mehr Menschen melden sich und beantragen, als DDR-Dopingopfer anerkannt zu werden. Auch wegen eines Entschädigungsgesetzes, das vergangenes Jahr in Kraft trat und eine Ausschlussfrist setzt.

Von Bianka Schreiber-Rietig | 03.05.2017
    Die ehemalige rhythmische Sportgymnastin Susann Scheller steht vor einem Bücherregal.
    Die ehemalige rhythmische Sportgymnastin Susann Scheller leidet bis heute unter den Folgen des Dopings. (Deutschlandradio/Thomas Purschke)
    Bis zum 30. Juni dieses Jahres müssen Doping-Opfer ihre Anträge auf Entschädigung beim Bundesverwaltungsamt gestellt haben. Das sieht das Gesetz vor. Die Vorsitzende der Doping-Opfer-Hilfe Ines Geipel, nahm die Pressekonferenz zum Anlass für einen Appell. Das Gesetz müsse entfristet werden: "Es gibt eine sehr schwierige Aktenlage, die Betroffenen bekommen die Unterlagen nicht, die sie brauchen für die Entschädigung und wir haben eine große Zahl uninformierter Ärzte, die die medizinischen Gutachten nicht schreiben."
    Eine neue Dimension
    Neben bislang bekannten Spätfolgen wie schweren Organschädigungen, Herz-Erkrankungen oder Tumoren wird jetzt eine neue Dimension des Dopings deutlich. Eine Langzeitstudie zeigt, dass etwa 20 Prozent der Doping-Opfer von sexueller Gewalt und Missbrauch durch Trainer und Sportärzte betroffen und schwer traumatisiert sind. Und: Rund 130 Kinder von ehemals gedopten Athleten sind mittlerweile sogenannte Zweit-Geschädigte.
    Die ehemalige rhythmische Sportgymnastin Susann Scheller schilderte bei der Veranstaltung die traumatischen Erfahrungen aus ihrer Sportvergangenheit in der DDR. Sie berichtet von Blutwäsche, von Schmerzen, von einem Tabletten-Potpourri, Hunger und Demütigungen. Ein Kind, das Trainern, Funktionären, Ärzten ausgeliefert war.
    Posttraumatische Erfahrungen
    Heute erinnern Scheller Knorpelschäden, Bandscheibenvorfälle und Depressionen schmerzhaft an den Sport in der DDR. Die 44-Jährige hat lange gebraucht, bis sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gehen konnte.
    Den Ausschlag gab eine Panikattacke, erzählt sie: "Diese posttraumatische Geschichte, da habe ich gedacht: Oha, ich hab eigentlich gedacht, dass ich alles aufgearbeitet habe im Leben, was ist da also noch? Und bin dann so ganz tief nach innen drinnen gegangen."
    Traumatische Erlebnisse kamen zu Tage. Zusammen mit ehemaligen Teamkolleginnen versucht sie nun ihre schmerzreichen Kindheitsjahre an der Sportschule Zinnowitz zu sortieren. Gemeinsam haben sie sich an den Dopingopfer-Hilfe-Verein gewandt.
    "Auf jeden Fall war das befreiend. Also a erst einmal zu hören: Man ist nicht alleine damit. Auch die eigenen Kämpfe, die ich ein Leben lang ausgetragen habe und dann zu hören, dass die anderen auch Erschöpfungszustände haben, obwohl wir eigentlich so kräftig sind," berichtet Scheller.
    Täglich melden sich neue Betroffene bei der Dopingopferhilfe. In vier Wochen steht der Verein, der bisher bei der Havemann-Stiftung untergekommen war, ohne Räume da. Wie es weitergehen wird? Schon seit längerem ist der Verein mit dem DOSB im Gespräch, den er in der Pflicht sieht. Noch steht das zugesagte Gespräch dazu aus.