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Doppelausstellung: "Kernstücke"
Ergänzung im Widerspruch

Die Ausstellungen von Imi Knoebel und David Reed sind "kontrapunktisch aufeinander bezogen", sie folgen also dem Prinzip von Stimme und Gegenstimme: Hier die hartkantigen, geometrischen Objekte von Imi Knoebel, dort eine gestische, informelle Malerei von David Reed. Zu sehen sind die Ausstellungen im Museum Haus Esters und Lange in Krefeld.

Von Georg Imdahl | 23.03.2015
    Der Künstler Imi Knoebel 2014 vor seinen Werken "Aliaaa" (l, 2002) und "Ich Nicht X" (2006) in der Ausstellung "Imi Knoebel. Werke 1966-2014" im Kunstmuseum in Wolfsburg.
    Der Künstler Imi Knoebel 2014 vor seinen Werken "Aliaaa" (l, 2002) und "Ich Nicht X" (2006) in der Ausstellung "Imi Knoebel. Werke 1966-2014" im Kunstmuseum in Wolfsburg. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Die beiden Villen Haus Esters und Haus Lange haben offenbar etwas Magisches an sich. Wann immer ein Künstler hier zu einer Ausstellung eingeladen wird, fühlt er sich dazu aufgerufen, das eigene Schaffen wie vor einem Spiegel der Moderne zu entfalten und sich zugleich mit der noblen Architektur von Mies van der Rohe zu messen. Seit fünfzehn Jahren erlebe er, so Museumsdirektor Martin Hentschel,
    "was diese Orte für eine unglaubliche Faszination ausstrahlen. Sie sind ja von einer derartigen Klarheit und Strenge, die für die Künstler immer auch eine Herausforderung bedeutet, ihre eigenen Arbeiten zu sortieren, zu ordnen. Man kann das auch an diesen beiden Ausstellungen wieder sehen, wie sehr die Orte die Arbeiten, die entstanden sind, geprägt haben in ihrer Klarheit, in ihrer Präzision, und das ist wirklich einzigartig hier in Krefeld mit diesen beiden Villen."
    Die Ausstellungen von Imi Knoebel und David Reed sind, so das Museum, "kontrapunktisch aufeinander bezogen", sie folgen also dem Prinzip von Stimme und Gegenstimme: Hier die hartkantigen, geometrischen Objekte von Imi Knoebel, dort eine gestische, informelle Malerei von David Reed.
    "Kernstücke" nennt Imi Knoebel seine 21 Objekte, die zwischen Malerei und Skulptur changieren und mit denen er das Haus Esters gleichsam bestückt hat. Es handelt sich um Variationen früherer Arbeiten seit den sechziger Jahren, in denen Knoebel heute Schlüsselwerke seines Schaffens erkennt. Er zitiert und kanonisiert sich selbst. Spröden handelsüblichen Industriematerialien hatte der junge Künstler noch als Student von Joseph Beuys die Qualitäten von „Wärme" und eigener Farbigkeit abgewonnen; souverän hängt er die großen Tafeln in ihren sanften Brauntönen nun als monochrome Malerei an die Wand: Eine angenehm sonore Wirkung geht davon aus.
    Vokabular der Moderne
    Wie in einem Ideen-Lager ordnet Knoebel eine flache Bodenplatte, einen kleinen massiven Würfel aus Stahl und schrankähnliche Buffets, wie er sie ironisch nennt, in den wohlproportionierten Zimmern an. Oder er bestreicht ein reckteckiges Feld auf der Wand mit weißer Farbe und löst das Mauerwerk so in pures Licht auf. "Alle Farben" wiederum heißt eine Bildtafel, deren Farbe Grau tatsächlich sämtliche Farben durch Mischung in sich vereint. All dies erscheint wie ein Vokabular der Moderne – oder doch wenigstens wie die Essenz des Schaffens von Imi Knoebel.
    Auch David Reed greift auf frühe Formeln seines eigenen Oeuvres zurück. Mit Hilfe von Schablonen wiederholt er in seinen jüngsten Bildern jene ornamentalen Pinselzüge, die ihn als Maler einer "barocken" Abstraktion bekannt gemacht haben. Die ideale Architektur möchte der in New York lebende Maler dagegen nicht bestätigen, sondern ihr etwas entgegensetzen. Es gebe immer einen Streit zwischen Architektur und Malerei, so Reed, und er wolle nicht, dass die Architektur die Malerei kontrolliere. Stattdessen habe er das gesamte Haus in ein Gemälde verwandeln wollen:
    "There is always a struggle between painting and architecture, and I didn't want the architecture to control the painting. Bud I wanted to turn the whole house into a painting."
    Das Licht und die Leichtigkeit der Räume von Haus Lange haben bei Reed die Assoziation befördert, darin mit den Augen baden zu gehen. So malte er für die Wände einen umlaufenden Fries mit geschwungenen Formen auf hellblauem Grund, die von David Hockneys Swimming-Pool-Bildern inspiriert sind und deren Spritzer an den berühmten "Bigger Splash" erinnern. Das schmale Bilderband hängt auf Augenhöhe und lässt den Blick – mit etwas Fantasie – in tiefes Wasser eintauchen. Das milde Licht seiner Werke, berichtet Reed, habe er denn auch auf die Sommermonate abgestimmt, in denen seine Ausstellung zu sehen sein wird.
    Während Imi Knoebel die Villa Haus Esters mit seinen Arbeiten kongenial ausstattet und sozusagen möbliert, macht David Reed aus Haus Lange einen malerischen Pool für die Augen. Das ist insgesamt ein gelungenes Duo und zugleich ein Modell einer Doppelausstellung, deren Werke sich im Widerspruch ergänzen.