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Doppelpass-Streit
"Klein-Klein-Spielereien!"

CDU-Vize Armin Laschet zeigt sich verwundert über die Initiative von drei SPD-regierten Ländern zum Doppelpass. Er habe den Eindruck, dass sich diese gegen Parteichef Sigmar Gabriel richte, als sachlich etwas Neues zu bringen, sagte er im Deutschlandfunk.

28.02.2014
    Der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet bei einem Parteitag.
    Der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet (dpa/Roland Weihrauch)
    Christoph Heinemann: Neuer Streit zwischen CDU/CSU und SPD. Zur Erinnerung: Beide regieren in Berlin zusammen. Diesmal geht es um das Staatsangehörigkeitsrecht, ein Wort, das schon rein sprachlich nicht gerade die Lust aufs Deutschlernen fördert. Ein grün-rot und zwei rot-grün regierte Bundesländer schlagen Folgendes vor: Alle Kinder ausländischer Eltern sollen das Recht auf die doppelte Staatsbürgerschaft erhalten, also auch, wenn diese Kinder im Ausland aufgewachsen sind. Der Koalitionsvertrag sieht das nur für die Kinder vor, die hierzulande geboren und aufgewachsen sind. Also, Koalitionsvertrag: in Deutschland aufgewachsene Kinder; die drei Länder Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg auch im Ausland aufgewachsene Kinder. Peanuts, könnte man jetzt auf den ersten Blick meinen. Von wegen: Vorsichtig äußert sich die Bundes-SPD, heute in der Tageszeitung "Die Welt" Justizminister Heiko Maas. Er lobt den Kompromiss mit der Union ausdrücklich als Meilenstein. Die Union, die ist sauer; die CSU spricht von längst überholtem Multi-Kulti-Denken. Am Telefon ist jetzt Armin Laschet, CDU-Partei- und Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen!
    Armin Laschet: Guten Morgen!
    Heinemann: Sie waren auch ehemaliger Integrationsminister dortselbst - sind Sie auch sauer?
    Laschet: Ja - mich wundert die Art und Weise, wie die SPD in diesen Tagen diese Koalition in Berlin führt und handhabt. Man hat nun sehr, sehr lange in dieser Arbeitsgruppe zusammengesessen. Jeder weiß, dass das Thema Staatsbürgerschaft, doppelte Staatsbürgerschaft ein sehr, sehr heikles ist, und dass da ein großer Konsens, auch über Parteigrenzen hinweg erforderlich ist. Und nachdem man nun einen Konsens gefunden hat und man mitten in der Phase ist, wo das Gesetz ausgearbeitet werden soll durch den Bundesinnenminister, wenn dann einzelne SPD-regierte Länder jetzt mit eigenen Vorschlägen auch diesen Prozess stören, dann wundert mich das. Alle die Ministerpräsidenten und Landesminister waren mit in der Koalitionsverhandlung beteiligt. Sie waren ja nicht draußen. Und manchmal habe ich den Eindruck, das ist fast mehr gegen den SPD-Chef Gabriel gerichtet, um zu zeigen, wir Länder sind auch noch da, als dass es irgendeinen sachlichen Anhaltspunkt hat.
    "Unbürokratisch lösen"
    Heinemann: Der Bundesinnenminister, darauf haben Sie hingewiesen, versucht das jetzt auszuarbeiten. Die Pharisäer und Schriftgelehrten überlegen ja im Moment, was aufgewachsen bedeutet, und da plant Thomas de Maizière etwas ganz Besonderes, jetzt kommt es: Junge Erwachsene müssen bis zum 23. Geburtstag mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben, vier davon zwischen dem zehnten und 16. Lebensjahr, oder aber sie haben einen deutschen Schulabschluss. Herr Laschet, das klingt nach Kabarett. Oder, Frage an den Rheinländer: Das klingt nach Karneval oder nach einer Büttenrede - fehlt nur noch der Tusch.
    Laschet: Ja - man muss es sehr unbürokratisch lösen, und das klingt nicht gerade unbürokratisch, was Sie gerade vorgelesen haben. Aber der Grundgedanke ist ja klar, weshalb man auf diesen Gedanken gekommen ist. Dass jedes Kind, das in Deutschland geboren ist, ab der Geburt beide Staatsangehörigkeiten hat, die deutsche und die der Eltern. Das ist ein neuer Gedanke im Staatsbürgerrecht, den kannte man im gesamten 20. Jahrhundert noch nicht. Und dann gab es bisher die Optionspflicht, mit der man sich zwischen 18 und 23 entscheiden musste, die deutsche oder die der Eltern. Und das soll jetzt abgeschafft werden. Aber man will natürlich nicht, dass ein Kind hier geboren ist, dann quasi 20 Jahre in einem anderen Land gelebt hat, die Sprache nicht spricht und dann einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung hat.
    Heinemann: Aber was wir gerade gehört haben, Entschuldigung, die Überlegungen von Thomas de Maizière ist ja eben nicht die Abschaffung der Optionspflicht, sondern, wie Thorsten Albig in Schleswig-Holstein das sagt, sie wird durch bürokratische Ausnahmeregelungen lediglich aufgeweicht.
    Laschet: Also ich gehe mal davon aus, dass die allermeisten Kinder, um die es geht, und das wird weit über 90 Prozent sein, natürlich, wenn sie hier geboren sind, hier mit ihren Eltern leben, dann auch natürlich die Zeit hier in der Schule verbringen.
    Heinemann: Und wenn nicht?
    Laschet: Es wird um wenige Fälle gehen, und da ist die Frage, wie formuliert man das. Aber Ihre Grundfrage ist ja, was halten Sie von diesem Vorstoß dieser drei Länder. Und ich finde, wir sollten doch jetzt erst einmal im Deutschen Bundestag einen ordentlichen Beratungsprozess machen. Dann kann man in den Ausschüssen des Bundestages ja zwischen SPD und CDU und vielleicht auch noch den Oppositionsparteien zu einem Ergebnis kommen. Aber dass jetzt die Bundesländer quasi was ganz anderes in einen eigenen Gesetzesantrag hineinschreiben, das ist das, was diesem Prozess nicht hilft.
    "Signal aussenden: Du bist hier willkommen"
    Heinemann: Herr Laschet, das ist ein Beitrag zum Verfahren, aber noch mal zur Sache: Fördert es die Verbundenheit mit Deutschland, wenn man als junger Mensch direkt erst mal ein Fall für die Bürokratie wird?
    Laschet: Nein. Man braucht Formulierungen, die einfach sind, die klar sind und die vor allen Dingen das Signal aussenden: Du bist hier willkommen. Wir schaffen die Optionspflicht ab, das ist das Ergebnis des Koalitionsvertrages, und das sollte ohne allzu viel Bürokratie gehen.
    Heinemann: Also Thomas de Maizière muss nachsitzen?
    Laschet: Na, was heißt - Thomas de Maizière muss nicht nachsitzen. Noch liegt der Gesetzesvorschlag dem Deutschen Bundestag ja gar nicht vor. Das sind bisher Überlegungen im Bundesinnenministerium, und ich gehe auch davon aus, wenn ein Gesetz den Bundestag erreicht, wird es da auch noch einmal verändert, das da auch noch mal beraten, und das Ergebnis muss am Ende sein, unbürokratisch, klar, mit der Zielsetzung, wer hier lebt, soll auf Dauer als Kind diese beiden Staatsangehörigkeiten behalten können. Es muss hier aufgewachsen sein. Und wie man das unbürokratisch hinkriegt, dafür braucht man kluge Juristen, und die arbeiten zurzeit auch im Bundesinnenministerium.
    Heinemann: Aber wir halten fest: Das, was bisher bekannt geworden ist, was ich eben vorgetragen hatte, also mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben, davon vier zwischen dem zehnten und dem 16. Lebensjahr, das ist Ihnen zu kompliziert?
    Laschet: An dieser Formulierung wird man sicher noch arbeiten müssen, und dafür ist es ja auch ein Referentenentwurf und noch kein Gesetzesentwurf.
    Heinemann: Jetzt schauen wir doch mal aufs Verfahren. Sollte die Initiative der drei Länder jetzt im Bundesrat Erfolg haben, dann landet der Gesetzentwurf im Bundestag. Was dann? Wird die SPD dann gegen ihre eigenen Wahlversprechen stimmen?
    Laschet: Das ist eine ganz schwierige Frage, in die die drei Länder jetzt auch den SPD-Parteivorsitzenden gebracht haben. Wir haben in Nordrhein-Westfalen im Land da übrigens einen ähnlichen Text gehabt als Landtagsresolution, den Rot-grün dort beschlossen hat. Ob die am Ende noch dem Antrag der anderen drei Länder beitreten, kann ich im Moment nicht überblicken. Aber wir wissen, wie strittig das Thema doppelte Staatsbürgerschaft ist, auch aus der Vergangenheit, auch aus früheren Wahlkämpfen. Und ich kann nur jedem raten, hier zu einem großen Konsens auch in der Bevölkerung zu kommen und nicht solche Klein-Klein-Spielereien zu machen, wie wir sie im Moment von den drei Landesregierungen erleben.
    "Eine Koalition lebt auch von Verlässlichkeit"
    Heinemann: Herr Laschet, Sie waren doch beim Thema Integration und Doppelpass immer viel weiter als der Rest der Union. Sprechen Ihnen die drei nicht tatsächlich aus dem Herzen?
    Laschet: Mancher würde mir aus dem Herzen sprechen, wenn er Anträge stellen würde gegen das, was im Koalitionsvertrag steht. Mancher, der zur Rente 63 klügere Gedanken hat, als da aufgeschrieben worden ist, würde mir aus dem Herzen sprechen. Aber eine Koalition lebt auch von Verlässlichkeit. Und deshalb, wenn man was verabredet hat, muss man sich auch dran halten und das dann umsetzen. Man kann nicht bei jedem Thema dann wieder aus den deutschen Ländern über den Bundesrat völlig neue Vorschläge machen. Dann wird diese Koalition keinen Erfolg haben. Und deshalb finde ich gerade bei diesem Thema Staatsbürgerschaft wird es ein großer Schritt sein, die Optionspflicht abzuschaffen, aber dann müssen am Ende auch alle innerlich dazu Ja sagen können, und dem dient der Vorschlag der drei Länder nicht.
    Heinemann: Armin Laschet, der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Landeschef in Nordrhein-Westfalen. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Laschet: Bitte schön!
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