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"Doppelstrukturen, die nicht notwendig sind"

Die Zusammenlegung der technischen und finanziellen Zusammenarbeit, wie sie Entwicklungsminister Dirk Niebel plant, wird vom Grünen-Politiker Uwe Kekeritz begrüßt. Er hoffe, dass damit die Effizienz erhöht und Synergieeffekte genutzt werden könnten.

Uwe Kekeritz im Gespräch mit Sandra Schulz | 09.03.2010
    Sandra Schulz: 1,2 Milliarden Euro Umsatz, knapp 2.000 Mitarbeiter in Deutschland, rund 10.000 in aller Welt in den 87 Projektländern. Das sind nicht die Koordinaten eines gut laufenden globalisierten Mittelständlers; das sind die Koordinaten der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, kurz GTZ. Gestern meldete die "Süddeutsche Zeitung", Dirk Niebel (FDP), Minister für wirtschaftliche Entwicklung, plane, die GTZ zu entmachten – ein Zungenschlag, dem er gestern bei seinem Staatsbesuch in Vietnam widersprach. Eines zeichnet sich aber ab: ein Umbau der Entwicklungsorganisationen.
    Telefonisch bin ich jetzt verbunden mit Uwe Kekeritz, für Bündnis 90/Die Grünen ist er Mitglied im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit. Guten Morgen!

    Uwe Kekeritz: Guten Morgen nach Berlin.

    Schulz: Ist der von Dirk Niebel geplante Umbau nicht überfällig?

    Kekeritz: Der ist meines Erachtens längst überfällig. Wir unterstützen auch einen Umbau. Wir haben schon seit Langem eine Zusammenlegung der technischen und der finanziellen Zusammenarbeit gefordert. Wir haben das als die große Reform bezeichnet. Dirk Niebel scheint sich genau wie seine Vorgängerin nicht an den großen Wurf ranzutrauen. Ich kann mit seinem Ansatz mal leben, dass er versucht, die technische Zusammenarbeit GTZ, DED, Inwent und einige kleinere Organisationen zusammenzuführen.

    Schulz: Was meinen Sie mit großer Wurf?

    Kekeritz: Großer Wurf, eben die technische Zusammenarbeit und die finanzielle Zusammenarbeit, also GTZ und KfW zusammenzuführen.

    Schulz: Und das ist ein Projekt, das dann Rot-Grün auch schon verschlafen hat?

    Kekeritz: Richtig, das haben die auch schon verschlafen. Damals war es aber noch nicht so in der Diskussion. Heute weiß man, dass die technische und die finanzielle Zusammenarbeit einfach an einem Strang ziehen müssen, um dort wirklich effizient zu sein. Das sind so Parallelstrukturen, Doppelstrukturen, die nicht notwendig sind, und die Absprachen sind sowieso notwendig, und darum gehen wir davon aus, dass die Absprachen in einem Haus sinnvoller wären als in zwei getrennten Häusern.

    Schulz: Und die kleine Reform, die Dirk Niebel jetzt plant, also die Zusammenlegung der drei Organisationen, die hätte dann Rot-Grün auch schon verschlafen?

    Kekeritz: Ja, das muss man so sagen. Aber man muss eben aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und die Zukunft ins Auge nehmen, und darum steht das jetzt eben auch einfach an.

    Schulz: Das heißt, dass Sie alles in allem auch ganz zufrieden sind, dass Dirk Niebel von der FDP jetzt Entwicklungsminister geworden ist?

    Kekeritz: Nein. Überhaupt heißt das das nicht. Dirk Niebel hat versucht, oder die FDP hat lange versucht, dass BMWZ abzuschaffen. Das ist ihnen nicht gelungen. Jetzt habe ich mehr oder weniger den Eindruck, dass Dirk Niebel versucht, die Bedeutung des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit von innen auszuhöhlen, indem er nämlich wirklich fähige Mitarbeiter ersetzt durch Leute, die eher durch persönliche Bekanntschaften des Ministers entscheidende Positionen besetzen. Also ich bin überhaupt nicht glücklich über die Wahl.

    Schulz: Aber Sie haben eben schon gerade skizziert, dass Dirk Niebel jetzt eine Reform in Angriff nimmt, zu der Rot-Grün die Kraft fehlte. Wie passt das jetzt zusammen?

    Kekeritz: Na gut, das ist eine Reform, das ist ein Ansatz, den wir sehr wohl auch begrüßen. Das ist die kleine Reform und Niebel sagt ja auch, das ist der erste Schritt, weil er nämlich sagt, das ist eine zu große Anstrengung, alles auf einmal zu machen. Das kann ja natürlich auch richtig sein. Wenn man zu viel auf einmal umändert, kann natürlich auch sehr viel falsch laufen. Darum begrüßen wir es, dass jetzt zumindest einmal die kleine Reform, also die Zusammenlegung der technischen Zusammenarbeit in eine Einheit, erfolgt. Das heißt nicht, dass wir Niebel jetzt für großartig finden oder so, aber das ist mal ein Ansatz, der jetzt nicht grundsätzlich falsch ist.

    Schulz: Es wird ja mit erheblichem Widerstand gerechnet, unter anderem, weil es auch um Stellen hier in Deutschland gehen könnte. Ist es zynisch, darüber zu spekulieren, ob Stellenstreichungen bei den Organisationen auch Mittel freisetzen könnten, die in anderen Ländern besser eingesetzt werden können?

    Kekeritz: Das sind natürlich zwei Aspekte. Zum einen geht es natürlich darum, die Effizienz zu erhöhen, die Doppelstrukturen abzubauen, Synergieeffekte zu nutzen. Wenn jetzt natürlich Niebel hergeht und sagt, da können wir auch insbesondere Personal einsparen, Mittel einsparen um des Sparens Willen, dann wäre das natürlich schlecht. Wenn hier tatsächlich Mittel eingespart werden – das hoffe ich auch -, dann müssen natürlich diese Mittel in direkte Projektarbeit, in den Entwicklungszusammenhang fließen und dürfen nicht zum Stopfen der Haushaltslöcher verwendet werden. Insofern werden wir aufpassen, dass das nicht geschieht. Ich hoffe, es gelingt uns, das zu verhindern.

    Schulz: Wie ist denn die Kontrolle der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit derzeit aufgestellt?

    Kekeritz: Ich glaube, die ist sicherlich verbesserungswürdig. Sie haben es ja schon in Ihrem Bericht vorhin genannt. Die GTZ ist so ein kleiner Staat im Staat, das ist ein riesiger Apparat, der meines Erachtens viel zu wenig kontrolliert wird, und das müsste sicherlich noch verbessert werden.

    Schulz: Und für die Reformschritte, die Dirk Niebel jetzt plant, braucht er aller Voraussicht nach auch die Unterstützung des Parlaments. Da habe ich Sie richtig verstanden, dass er zumindest die Unterstützung der Grünen-Fraktion hätte?

    Kekeritz: Ich habe gesagt, im Ansatz finde ich das mal richtig. Wir müssen uns natürlich anschauen, wie die Entwicklung konkret ausschaut und welche Maßnahmen er konkret plant. Solange ich natürlich das nicht kenne, kann ich nicht sagen, ob ich es im Ende dann unterstützen werde oder nicht, aber die Idee ist einmal die richtige.

    Schulz: Alsodass die deutsche Entwicklungshilfeorganisationen auch übersichtlicher auftreten müssen?

    Kekeritz: GTZ, DED, Inwent und kleinere Organisationen, dass die tatsächlich in einem Haus vereint werden.

    Schulz: Wenn wir jetzt noch auf das andere Thema schauen, auf den Anteil der Entwicklungsgelder. Der liegt derzeit ja bei 0,36 Prozent. Das war jüngst auch in der Diskussion. Bis 2015 sollen es 0,7 Prozent werden. Glauben Sie daran, dass das so wird?

    Kekeritz: Nachdem die Bundeskanzlerin zweimal im Parlament und Herr Niebel auch mehrmals im Parlament betont hat, sie werden das Ziel erreichen, und wir gestern in den Zeitungen lesen mussten, dass sie davon ausgehen, dieses Ziel nicht mehr zu erreichen, glaube ich inzwischen auch nicht mehr daran. Ich denke, der Regierung fehlt tatsächlich der Wille, dieses Ziel anzugehen, und das halte ich für einen ganz großen Fehler, denn wir verabschieden uns aus internationalen Verpflichtungen auf UN-Ebene, auf europäischer Ebene, aber auch gegenüber den Entwicklungsländern selbst, die davon abhängig sind, dass sie verlässliche Partner haben, und Niebel scheint eine Politik betreiben zu wollen, die die Verlässlichkeit eben nicht ganz oben hinstellt.

    Schulz: Uwe Kekeritz, für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied im Bundestagsausschuss für Entwicklungspolitik und heute Morgen hier im Deutschlandfunk in Köln. Danke schön!

    Kekeritz: Gerne. Auf Wiederhören.