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Dorfaufstand gegen die spanische Zentralregierung

Bei den Parlamentswahlen in Katalonien am Sonntag wollen Nationalisten über die Abspaltung von Spanien abstimmen. Madrid vernachlässige die katalanische Infrastruktur und investiere Steuergelder in anderen Regionen. 600 Dörfer haben sich schon in einer Unabhängigkeitsbewegung zusammengeschlossen.

Von Julia Macher | 19.11.2012
    Die katalanische Fahne mit den vier roten Streifen und einem weißen Stern auf blauem Grund: Auf dem Kreisverkehr am Ortsverkehr weht die "Estelada", die Fahne der Unabhängigkeitsbewegung und tut so, für alle sichtbar, die Mehrheitsmeinung kund. In Caldes de Malavella, tief im Landesinnern der Provinz der Girona, will man mit Rest-Spanien nicht viel zu tun haben und hat sich dem Netzwerk "Kommunen für die Unabhängigkeit" angeschlossen.

    "Die Unabhängigkeit ist für uns der einzig mögliche Weg aus der Krise,"

    … sagt Bürgermeister Salvador Balliu von Convergència i Unió, der mit absoluter Mehrheit im Rathaus regiert.

    "Als Katalanen haben wir uns immer gefühlt, aber jetzt kommt zum Emotionalen eben auch die wirtschaftliche Seite dazu. Allein was wir an Steuern zahlen, würde uns zu einem der reichsten Länder Europas machen. "

    Caldes de Malavella ist kein armes Dorf. Dank der drei Thermen und der ortsansässigen Mineralwasserunternehmen spüren die 7000 Bewohner des Kurorts von der Wirtschaftskrise vergleichsweise wenig. Vor den Häusern stehen Landrover, der Bürgermeister fährt Jaguar.
    Für ihn misst sich die Krise nicht in Arbeitslosen, sondern in "struktureller Benachteiligung". Fahrt zur N-II: Seit 17 Jahren sei die Nationalstraße Richtung Frankreiche eine Bauruine, schimpft Balliu.

    Für die 22000 PKWs und Laster, die hier täglich entlangrauschen, gibt es pro Richtung eine Spur. Schotterpisten und Brückenpfeiler künden von angefangenen und wieder abgebrochenen Arbeiten. Die Anwohner beschweren sich seit Jahren über umständliche und schwer einsehbare Zufahrten, am Straßenrand stehen Kreuze: 67 Menschen verunglückten in den letzten Jahren auf der N-II. Aber statt hier zu investieren, stecke die Zentralregierung das Geld lieber in Autobahnen in Extremadura.

    "In Zamora de Buenavente, wo vielleicht 4000 Autos am Tag entlangfahren, hat man 54 Kilometer Autobahn auf einen Schlag gebaut, hier 5,6 Kilometer in vier Jahren."

    "Für uns als Dorf ist das ein Riesenproblem. Wir leben vom Tourismus und brauchen deswegen gute Verkehrsanbindungen."

    Eine Bürgerinitiative kämpft seit Jahren für einen Ausbau, Unternehmer beschweren sich über Wettbewerbsnachteile. David Plana verwaltet das Fünf-Sterne-Golf-Resort PGA Catalunya.

    "Kunden, die sich für unsere Häuser interessieren, fragen: Wird diese Straße hier irgendwann einmal fertig? Das ist einfach ein zusätzlicher Zweifel, eine Ungewissheit. Und das ist ein Problem, weil man in diesen Zeiten nur eine Chance auf dem Markt hat, wenn einfach alles stimmt."

    Aber ist das Grund genug, sich von Spanien loszusagen? David Plana lacht: Als Unternehmer wolle er in erster Linie Lösungen, egal von welcher Partei, egal von welcher Institution – aber als Privatmensch, da fühle er sich in erster Linie als Katalane.

    Wie fast alle in Caldes de Malavella. In der Dorfbar kommentiert man überwiegend mit Wohlwollen den Unabhängigkeitskurs des Bürgermeisters.

    "Wir sind der abschätzigen Bemerkungen aus Madrid einfach müde," sagt Josep. Dort gibt es Minister, die sagen, wir sollten uns hispanisieren. Lediglich eine junge Frau sagt – auf spanisch:

    Sie sei nicht nur Katalanin, sondern auch Spanierin, aber das werde hier fast als Verrat gewertet. Es ist die einzige Ratsabgeordnete der konservativen Partido Popular, der Regierungspartei in Madrid.