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Dorniges Rosenholz

Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, steht in der Kritik. Eine interne Forschungsgruppe hatte das Herzstück der Westaufklärung, die so genannte Rosenholz-Datei, untersucht. Doch die Gruppe wurde mittlerweile aufgelöst, ihr Abschlussbericht vom April 2005 über Stasi-Kontakte zu Bundestagsabgeordneten ist bis heute unter Verschluss. Wird die Aufklärung behindert und wer hat Angst vor Rosenholz?

Von Jens Rosbach | 11.07.2006
    " Das Thema Rosenholz hat, seit es bekannt ist, schon immer auch viel Phantasien freigesetzt, es klingt ja auch ein bissel nach James Bond."

    Gestern Vormittag, in der Stasiunterlagenbehörde: Eine Woche lang hat Marianne Birthler in der Debatte um das so genannte Rosenholz-Material geschwiegen, denn sie war krank. Nun, bei ihrem ersten Interview nach ihrer Abwesenheit, gibt sie sich kämpferisch: Die Kritik, die sich an ihrem Umgang mit der Datei der Stasi-Westspionage entzündet hat, halte sie für unangebracht. Die Bundesbeauftragte für die MfS-Unterlagen erklärt, der Stoff gebe überhaupt keine Nachrichten her.

    " Nichts von dem, was in den letzten drei Wochen diskutiert wurde, ist wirklich neu."

    Nicht Neues? Waren die Schlagzeilen der vergangenen Tage über die Schlüsseldatei der Stasi im Westen - mit ihren Tausenden Agenten- und Zuträgernamen - nur heiße Luft?

    Die Stasi-Beauftragte im Kreuzfeuer"

    Wissenschaftler: Bundesbeauftragte unterdrückte brisanten Bericht

    Streng vertraulich! Kritiker fordern von der Birthler-Behörde die sofortige Offenlegung der Rosenholz-Dateien:


    Rückblick. Der Mann, der die erste Schlagzeile produziert hat, heißt Toralf Staud. Der 34jährige Berliner Journalist schreibt im vergangenen Jahr ein Buch über die NPD - und will deshalb in der Birthler-Behörde Stasi-Akten über diese Partei einsehen.

    " Ich hatte dann Akten beantragt über IM in der NPD und anderen rechtsextremistischen Gruppen und merkte, dass ich weniger kriegte, viel weniger kriegte, als in Büchern offen schon geschildert war und wurde stutzig: Warum krieg ich so wenig? Was ist da los? Woran liegt es? Das war einer der Gründe, dass ich genauer nachgefragt habe."

    Staud stößt auf Journalisten und Wissenschaftler, die ebenfalls klagen, die Birthler-Behörde gebe kaum Akten über die Stasi im Westen heraus. Der Autor recherchiert nun folgendes: Eine behördeninterne Forschungsgruppe hat das Herzstück der Westaufklärung, die Rosenholz-Datei, akribisch untersucht. Doch die Gruppe wurde mittlerweile aufgelöst, ihr Abschlußbericht vom April 2005 ist bis heute unter Verschluss. Das findet Staud merkwürdig. Anfang Mai dieses Jahres interviewt der Journalist schließlich Helmut Müller-Enbergs, den einstigen Chef dieser "Forschungsgruppe Rosenholz".

    " Und dann sagte er in der Tat diesen Satz, den ich im Text zitiert hab: Wir haben anhand einer Legislaturperiode des Bundestages untersucht, ob es so etwas gab wie eine MfS-Fraktion. Das war ja eine Behauptung, die Markus Wolf nach der Wende selbst gemacht hat. Und Müller-Enbergs sagte nichts zum Ergebnis dieser Untersuchung - es war klar, dass er das nicht durfte und von der Behördenleitung das nicht gut gefunden wurde. Aber er schob dann den Satz hinterher: Nach dem Ergebnis haben wir die Frage neu formuliert: Nämlich, ob das MfS irgendwann einmal n i c h t in Fraktionsstärke im Bundestag saß."

    Hatte Markus Wolf, der Ex-Spionagechef der DDR, also doch recht? War der Bundestag jahrzehntelang Stasi-durchsetzt? Heute erklärt Rosenholz-Forscher Müller-Enbergs, er sei missverständlich zitiert worden. Aber noch bevor Autor Staud die brisante Passage veröffentlicht, macht Müller-Enbergs eine inhaltlich ähnliche Aussage: Und zwar Mitte Mai, vor dem Beirat der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Auf jener Sitzung geschieht noch etwas Entscheidendes: Behördenchefin Birthler informiert das vom Bundestag gewählte Gremium, die Rosenholz-Forscher hätten eine andere, "wichtigere" Aufgabe bekommen. Professor Manfred Wilke, Beiratsmitglied und Chef des "Forschungsverbundes SED-Staat", greift Birthler daraufhin an:

    " An dem Punkt setzte meine Kritik ein, indem ich gefragt hab: Ob sie denn wirklich wolle, dass man den Deutschen Bundestag unter dem Verdacht lasse, dass in allen Legislaturperioden die Stasi - wie es der Historiker Enbergs formuliert hat vor dem Beirat - eventuell in Fraktionsstärke vertreten war. Und ich hab gesagt, es wäre eine Frage der Selbstachtung des Parlaments, dass das aufgeklärt wird. "

    Wilke, zugleich stellvertretender Landesvorsitzender der Berliner CDU, droht in der vertraulichen Sitzung, er werde die Unionsfraktion im Bundestag darüber informieren, dass die Rosenholzforschung eingestellt worden sei.

    " Diese Aufklärung abzubrechen, hielt ich nicht im Geist des Stasi-Unterlagen-Gesetzes."

    Beiratsmitglied Wilke verlangt eine genaue Untersuchung. Denn die Forschungsgruppe Rosenholz war auf 43 Bundestags-Abgeordnete gestoßen, die von der Stasi Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre als IMA, als "Inoffizielle Mitarbeiter mit Arbeitsakte" geführt worden waren: 30 von der SPD, 10 von der Union und 3 von der FDP. Von diesen 43 Abgeordneten aus der sechsten Wahlperiode waren bereits zuvor fünf als Stasi-Zuträger bekannt.
    " Das Pikante an dieser Wahlperiode ist ja, dass es damals zu einem Misstrauensvotum gegen den amtierenden Bundeskanzler Willy Brandt kam und wir jetzt schon wissen, ganz genau wissen, dass das MfS zwei Abgeordnete der Union gekauft hat, um dieses Misstrauensvotum zum Scheitern zu bringen!"

    Wilke bezieht sich auf den damaligen CDU-Abgeordneten Julius Steiner sowie den CSU-Politiker Leo Wagner, die - so der Forschungsstand - 1972 von der Stasi bestochen worden waren, um Kanzler Brandt zu halten. Soweit die Vorgeschichte. Vor knapp drei Wochen, am 22. Juni, veröffentlicht der Journalist Staud seine Recherchen über die aufgelöste Forschungsgruppe in einem pointierten Artikel in der Wochenzeitung "Die Zeit". Überschrift:

    " Wer hat Angst vor Rosenholz? Auch im Westen gab es Stasi-Spione. Doch die Birthler-Behörde behindert die notwendige Forschung. "

    Die Behörde reagiert prompt. In einer Presseinformation von Marianne Birthler heißt es: Die Stasi-Aufklärung werde nicht behindert. Der Zeit-Artikel verfälsche Tatsachen. Und unter den 43 Abgeordneten seien nicht nur inoffizielle Mitarbeiter, also Agenten, sondern auch Kontaktpersonen gewesen, die abgeschöpft wurden. Doch für Manfred Wilke bleiben viele Fragen unbeantwortet. Öffentlich wirft der Historiker Birthler vor, sie habe die Aufarbeitung der Westspionage im vergangenen Jahr gestoppt, um ihre anstehende Wiederwahl durch den Bundestag nicht zu gefährden.

    " Die Aufarbeitung der Spionage im Westen, ist immer noch mit ziemlichen Schwierigkeiten verbunden, weil die betroffenen Institutionen, seien es Parteien, seien es Unternehmen, nicht so gern damit konfrontiert sind. Also hatte sie gute Gründe, auf solche Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. "

    Die Gegenreaktion ist scharf: SPD-Politiker Wolfgang Thierse wirft Wilke "wissenschaftliche Eifersüchteleien" vor, und Thierses Parteikollege Richard Schröder, der Chef des Beirats der Bundesbeauftragten, unterstellt Wilke sogar Stasi-Methoden.

    " In der Stasi-Terminologie hieß so etwas "Zersetzungsarbeit". Und bestand darin, dass man ganz gezielt mit falschen Informationen den Ruf anderer Leute und das Vertrauen zwischen Freunden ruiniert, indem man da Falschinformationen streut. Und wenn man das nicht richtig stellen könnte, wäre es für den Ruf von Frau Birthler natürlich tödlich."

    Am 3. Juli, nach einer hektischen Woche mit Anfragen von Medien und Politikern, meldet sich die Bundesbeauftragte krank. Gestern früh kaum wieder in ihrem Büro, muss Birthler in der Zeitung lesen, dass Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm die Debatte weiter anheizt: Der Unionspolitiker unterstellt der SPD, sie blockiere die Aufarbeitung, weil die Sozialdemokratie Ende der 60er Jahre auf einen, Zitat, "sehr starken Annäherungskurs" zur DDR gegangen sei.

    " Wenn das geschähe, wäre das sehr bedauerlich. Wenn also versucht würde, von der einen oder anderen Seite das Thema Westarbeit der Stasi von der einen oder anderen Seite zu instrumentalisieren, fände ich das sehr fahrlässig. Es würde auch der Sache nicht gerecht. Denn das MfS hat sich natürlich auf Politiker aus allen politischen Richtungen konzentriert und versucht, Informationen zu gewinnen. 024"

    Die Beschäftigung mit Rosenholz war von Anfang an ein dorniges Unterfangen. Problem Nummer eins: Die meisten Akten der West-Spionageabteilung, der Hauptverwaltung Aufklärung, wurden noch zur Wendezeit vernichtet. Allerdings gelangte auf unbekanntem Weg eine Mikroverfilmung der Findhilfsmittel - also der Personenkartei, der Vorgangskartei und der Statistikbögen - zur CIA: Material, das später Rosenholz genannt wurde. Problem Nummer zwei: Der US-Geheimdienst gab die brisante Datei nicht heraus. Erst 1993 durften bundesdeutsche Verfassungsschützer sie einsehen - soweit es sich um deutsche Spione in der Bundesrepublik handelte. Problem Nummer drei: Die CIA hatte die Unterlagen offenbar manipuliert. Im Jahr 2001 erinnert sich Dirk Dörrenberg, der damalige Spionageabwehr-Chef im Bundesamt für Verfassungsschutz an das Material.

    " Ich erinnere mich, dass die Texte, die ich bekommen habe, merkwürdig waren. Das waren Informationen, die auf Englisch erstellt worden waren und für uns wieder ins Deutsche übersetzt. Später habe ich erfahren, es war der Versuch der CIA, Informationen, die quellengeschützt waren, gewaschen oder etwas umgesetzt darzustellen. "


    Das Material diente schließlich in den 90er Jahren dazu, rund 3000 Verfahren gegen bundesdeutsche Stasi-Agenten einzuleiten - von denen etwa 250 verurteilt wurden.
    Problem Nummer vier: Die Amerikaner hielten nach wie vor alle HVA-Vorgänge zurück, die vor 1987 abgeschlossen worden waren. Problem Nummer fünf: Als die US-Regierung ab März 2000 schließlich doch Kopien der Mikroverfilmung übergab, waren sie als "geheim" eingestuft. Und daran hatte sich auch die Bundesrepublik zu halten - laut deutsch-amerikanischem Geheimschutzabkommen. Doch im Dezember 2001 erklärte plötzlich Marianne Birthler: Sie wolle sich nicht an die amerikanische Verschluss-Weisung halten, Rosenholz müsse zugänglich sein. Damals sagte sie wörtlich:

    " Das sind ja Unterlagen, die eindeutig klassifiziert worden sind als Stasi-Unterlagen, so dass wir, wenn wir sie dann haben, und sie für uns nutzbar sind, verfahren können nach Stasi-Unterlagen-Gesetz. Und was davon geschützt ist und was nicht, ergibt sich aus dem Stasi-Unterlagen-Gesetz. "

    Mit anderen Worten: Vor viereinhalb Jahren präsentierte sich Birthler als Kämpferin für die Offenlegung der Rosenholzdatei. Heute dagegen zeichnen viele Medien ein anderes Bild von ihr:

    Stasi-Behördenchefin Birthler soll Akten zurück gehalten haben

    So viele Fragen offen.

    Druck auf Birthler-Behörde wächst.


    Die Sachlage ist verwirrend. Für jedes Argument von Marianne Birthler haben die Kritiker ein Gegenargument parat. Die zentrale Frage: Warum hat die fünfköpfige Rosenholz-Forschungsgruppe nicht weiter gearbeitet, nachdem die 43 IMA-Vorgänge entdeckt worden waren? Birthlers Antwort: Die Forschungsgruppe habe die "wichtigere" Aufgabe bekommen, ein in Arbeit befindliches "Handbuch des MfS" zu vervollständigen.

    " Wir wollen im Jahre 2007 das Handbuch zum Thema MfS komplett editieren und der Teil, der sich mit der Hauptverwaltung Aufklärung beschäftigt, also mit der Arbeit der Stasi im Ausland und im Westen, der hängt noch etwas. Deswegen muss der jetzt vorrangig geschrieben werden, damit wir das Handbuch dann wirklich komplett publizieren können."

    Birthlers Gegner, wie Historiker Manfred Wilke, glauben der ehemaligen Bürgerrechtlerin nicht.

    " Dieses Handbuch, das eine immerwährende Aufgabe ist, als Begründung zu nehmen, um so eine gravierende, politisch brisante Frage, dass in so einer Frage die Forschung abgebrochen wird, das erscheint mir ein... heran geholtes Argument."

    Nächste Frage: Warum wurde der geheime Abschlussbericht seit 15 Monaten nicht veröffentlicht? Birthlers Antwort: Der Bericht sei nur ein Entwurf; er bedürfe - aus Qualitätsgründen - einer grundlegenden redaktionellen Überarbeitung.

    " Entwürfe sind immer Papiere, bei denen man davon ausgeht, dass sie weiter entwickelt werden können, das können Sie Mängel nennen, das können Sie auch anders nennen. Wenn ich einen Entwurf für einen Brief mache, wird der sich im Laufe der Zeit verändern, ob man das nun Mängel nennt oder nicht."

    Auch diese Aussage wird von Eingeweihten angezweifelt. Sie verweisen darauf, dass rund 80 Prozent des Berichts bereits publiziert worden seien. Zudem sei Ex-Forschungsgruppenchef Müller-Enbergs mit über 200 Publikationen in der Fachwelt als Autor bekannt, der keine Mängeltexte schreibe. Selbst Joachim Gauck, der sich im politischen Streit auf Birthlers Seite stellt, lässt auf seinen ehemaligen Mitarbeiter nichts kommen.

    " Ich hatte damals nach meiner Erinnerung keinen Grund, an der Arbeit von Helmut Müller-Enbergs zu zweifeln. "

    Insider mutmaßen, es gebe nur zwei kritische Teile in dem Bericht: Einen über die 43 Abgeordneten. Und weiterhin einen, der Kritik an der Behördenspitze enthalte. Die Forscher hätten sich unter anderem beklagt, nicht an alle Quellen herangekommen zu sein, so die Insider. Die Bundesbeauftragte will sich dazu nicht äußern.

    " In internen Papieren - überhaupt in unserem internen Diskurs kommt es immer auch zu Kritik, aber weil es eine interne Sache ist, rede ich jetzt auch nicht darüber. "

    Die Hauptfrage für die Geschichts-Aufarbeitung: Inwieweit waren die Abgeordneten Stasi-Agenten? Für Marianne Birthler ist die Antwort klar: Die meisten waren nur Abgeschöpfte, also Betroffene.

    " Wir schauen, ob es Indizien dafür gibt, dass es inoffizielle Mitarbeit gab. Und die gibt es in den meisten dieser Fälle nicht. Und solange das der Fall ist, gelten die Abgeordneten für uns als Betroffene. "

    Und Akten über Betroffene dürfen nur mit deren Zustimmung heraus gegeben werden. Hier setzt nun die Kritik des Berliner Historikers Hubertus Knabe an: Laut Knabe müssen die Unterlagen der Abgeordneten juristisch ganz anders eingestuft werden.

    " Ich habe den Eindruck, dass die Öffentlichkeit hier fehl informiert wird, denn bei Bundestagsabgeordneten müssen die Unterlagen herausgegeben werden - ganz unabhängig davon, ob es sich um Betroffene oder um inoffizielle Mitarbeiter handelt, da es sich hier ausnahmslos um Personen der Zeitgeschichte handelt. "

    Hubertus Knabe war einst Mitarbeiter der Stasiunterlagenbehörde. Nach Ansicht des Wissenschaftlers muss Birthler das Material auch trotz des immer wieder zitierten Kohl-Urteils herausgeben. Der Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juni 2004 entschieden, die Birthler-Behörde dürfe nur bestimmte Papiere über Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl veröffentlichen.

    " Ja, das Kohl-Urteil ist aber keine Ausrede dafür, nun generell keine Unterlagen über Personen der Zeitgeschichte mehr heraus zu geben. Ganz im Gegenteil. Das Gericht hat festgestellt, es muss abgewogen werden zwischen den Persönlichkeitsrechten und dem Informationsrecht der Öffentlichkeit. Mit der Folge, dass die Unterlagen, wenn die Betroffenen noch leben, diesen vor Herausgabe zur Kenntnis übersandt werden. Sie können sich dann gegebenenfalls auf dem Rechtsweg gegen eine Herausgabe wenden. Das ist aber nicht erfolgt. Obwohl seit über einem Jahr hier diese 43 IM-Vorgänge im Deutschen Bundestag bekannt sind. Hier hat die Behörde also offensichtlich die Unterrichtung der Betroffenen versäumt. "

    Darauf angesprochen, widerspricht Marianne Birthler: Sie habe die entsprechenden Abgeordneten bislang nicht angeschrieben, weil noch nicht alles Material zusammen getragen worden sei.

    " Wir schreiben erst an, wenn die Recherchen abgeschlossen sind und die laufen gegenwärtig noch. "

    Aus Insiderkreisen verlautet hingegen, dass nach Auflösung der Forschungsgruppe kaum noch zu den Abgeordneten geforscht worden sei. Wer hat nun Recht? Argumente, Gegenargumente, Fragen. Bernd Neumann, der Staatsminister für Kultur und Medien und auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, beide CDU, sehen Klärungsbedarf. Die Politiker baten Birthler deshalb jeweils um eine Stellungnahme. Die Bundesbeauftragte schickte als Antwort einen Artikel, den sie bereits zuvor in der FAZ veröffentlicht hatte. Lammert und Neumann reichte dies nicht aus, Birthler musste in der vergangenen Woche eine weitere Stellungnahme schreiben. Außerdem will der Ältestenrat des Bundestages nach der Sommerpause die Sache diskutieren. Birthlers lakonischer Kommentar:

    " Ich freue mich immer, wenn der Bundestag sich mit unseren Themen beschäftigt."

    Die Rosenholzdebatte ist nicht nur wegen der 43 Parlamentarier brisant. Denn die Birthlerbehörde steht insgesamt zur Disposition. Unter anderem, weil Ende dieses Jahres - nach der jetzigen Rechtslage - die Überprüfung für den öffentlichen Dienst ausläuft. Kritiker Manfred Wilke fragt sich, welche Aufgabe die Behörde mit ihren 2100 Mitarbeitern dann noch hat.

    " Das ist natürlich ein Komplex, der normalerweise nicht diskutiert wird. Die Behörde kostet den Steuerzahler jedes Jahr ungefähr 100 Millionen Euro. Gleichzeitig hat der Bund natürlich zurzeit nicht so furchtbar viel Geld, um zum Beispiel Gedenkstätten auszubauen, die aber für die historische Bildung der jungen Generation jetzt notwendig sind. Also ich denke an die Gedenkstätte Berliner Mauer. Dieser Streit, der auch ein Streit um Geld ist, der wird jetzt, in dieser ganzen Geschichte auch mit verwoben. "

    Marianne Birthler erklärt dazu, dass die Überprüfungen nur fünf Prozent der Behördenressourcen in Anspruch nähmen. Es gebe noch genügend andere Aufgaben. Mitstreiter Richard Schröder weist zudem darauf hin, dass Kritiker Wilke ja selbst den Rosenholzstreit mit der Debatte um die Behördenzukunft verbinde. Wilke setze sich derzeit dafür ein, dass die Stasi-Akten in Zukunft in das Bundesarchiv überführt werden. SPD-Politiker Schröder vermutet, dass viele Historiker auf diese Weise an die Rosenholzdatei heran kommen wollen.

    " Aber die würden sich umgucken, wenn die Birthlerbehörde, geschlossen würde und die Akten in das Bundesarchiv gingen, dann kämen die Rosenholzdateien dort genauso in den Giftschrank und würden wie bisher nur für eine begrenzte Anzahl von Aufgaben benutzt. "

    Ein Streit um die Stasi-Westdatei, zugleich eine Debatte um die Zukunft der Behörde - die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen zeigt sich gelassen. Sie werde, wie geplant, den Rosenholzbericht erst im nächsten Jahr in irgendeiner Form veröffentlichen - und die Kritik an ihrem Vorgehen wolle sie nicht überbewerten.

    " Es gibt ja zwei Arten von Kritik. Die eine Art von Kritik, die nicht immer angenehm ist, für die sind wir dankbar, wenn es darum geht, unsere Arbeit zu verbessern, weiter zu entwickeln. Und dann gibt es manchmal auch ne Kritik, die darauf zielt, die Behörde oder mich zu schwächen. Mit der ... gehe ich ein bisschen anders um, aber das halt ich nicht für ein relevantes Problem.