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Dosen aus Limburg

In Zeiten der Globalisierung wachsen auch in Deutschland die Zweifel, ob - und wenn ja - inwieweit hierzulande auch simple Produkte noch hergestellt werden können. Blechdosen zum Beispiel. Bei näherem Hinsehen zeigt sich: In vielen Fällen ist die Blechdose zwar immer noch ein Wegwerfartikel. Präzision bei der Herstellung ist trotzdem gefragt und die kann nicht jeder garantieren. Auch deshalb lassen sich solch vermeintlich simple Produkte auch in Deutschland immer noch erfolgreich und mit Gewinn herstellen, wie die Blechwarenfabrik Limburg beweist.

Von Detlev Karg | 21.07.2006
    Im Sekundentakt rollen die Farbdosen durch die Produktionsstraßen der Blechwarenfabrik Limburg. Firmengründer Josef Heppel hatte vor über 130 Jahren offenbar den richtigen Riecher für das Geschäft, denn seinerzeit stand der Konservendose ein Boom bevor. Der hielt auch bis nach dem zweiten Weltkrieg an. Seither freilich haben Gefriertrocknung und Tiefkühltruhe der Konservendose den Rang abgelaufen. Aber Dosen werden als Verpackung seither für etwas ganz anderes benötigt, und das im steigenden Maße: Für Farben und Chemikalien. Über die gute alte Konservendose mit der Suppe darin hat sich so mancher Hungrige wohl kaum seine Gedanken gemacht, nachdem sie entleert in den Müll wanderte. Beim Heimwerker von heute ist es anders: Bei jeder Farbdose, die er aus dem Regal nimmt, ist die Qualitätssicherung das A und O, wie Vertriebsleiter Thomas Fachinger bei einem Rundgang durch die Produktion erläutert:

    "Wichtig: Wir haben an allen unseren Linien jetzt schon eine Einzelkennzeichnung integriert, das hat einfach Qualitätshintergründe, dass wir sagen: wenn es zu einem Defekt kommt, können wir darüber sehr genau eingrenzen, wo war er?"

    Heißt also: Jede Dose trägt eine Nummer, die per Laser aufgedruckt wird. Viel Aufwand für einen Wegwerfartikel. Doch in Zeiten immer schärferer Umweltgesetze kommt einer absolut dichten Verpackung eine immer größere Bedeutung zu, ebenso wie ihrer Rolle als Marketing-Instrument.

    "Das ist also kein Geheimnis, da sind die Farbenhersteller sehr offen, die sagen: 50 Prozent der Innovation die sie im Baumarkt präsentieren kommen nicht von dem Produkt, das drin ist, sondern eigentlich von der Verpackung. Das heißt, da muss rüberkommen dass es eine schöne Farbe ist, brillant, leicht zu verarbeiten, was auch immer."

    Vor allem bunt müssen die Dosen sein, laufend überschwemmen neue Marketingideen der Farbenhersteller die Baumärkte. Ein hohes Risiko, falls mal etwas im Regal floppt. Da Dosen ebenso wie Plakate bedruckt werden, lohnen sich nur hohe Stückzahlen beim teuren Druck auf Blech. Auch hier waren die Blechverarbeiter aus Limburg kreativ. Gemeinsam mit einem Digitaldruckspezialisten haben sie Etiketten entwickelt, die einer bedruckten Dose täuschend ähnlich sehen. So lassen sich auch kleine Auflagen preiswert herstellen und ein eventueller Ladenhüter wird nicht teuer.

    Am laufenden Band werden in Limburg Dosen und Behälter aller Art bedruckt, gefalzt und mit einem Boden versehen. 50 Millionen sind es im Jahr. Bekannte Marken wie Dulux und Xyladecor prangen auf den Limburger Dosen. Den deutschen Markt teilen sich die Limburger mit zwei weiteren Herstellern. Höchst Produktivität ist ein Muss. Nur so können die in der Vergangenheit um jährlich 20 Prozent gestiegenen Stahlpreise mit aufgefangen werden, denn auf die Kunden lässt sich diese Kostensteigerung nur schwer überwälzen, obwohl das verzinnte Stahlblech bei einer klassischen Farbdose rund zwei Drittel der Kosten ausmacht. Trotz dieser Belastungen wurde in dem Familienunternehmen niemand entlassen. Heute erwirtschaften 350 Mitarbeiter 50 Millionen Euro im Jahr mit Blechwaren, zu denen auch Kronkorken zählen, die in einer abgetrennten Halle bei ohrenbetäubendem Lärm hergestellt werden:

    "Die rechnet man nicht mehr in Millionen sondern wir sagen, das sind knapp zwei Milliarden im Jahr. Nur um Ihnen einen Eindruck von der Geschwindigkeit zu geben: So eine Stempelmaschine, und wir haben drei davon, verarbeitet in der Minute ca. 2500."

    Bitburger und Krombacher, das sind nur einige der prominenten Brauereinamen, die die Blechwarenfabrik Limburg auf die massenhaft prasselnden Kronkorken selber druckt. Zu den Kunden zählt auch der Mineralbrunnen Gerolsteiner. 13,5 Milliarden Kronkorken werden jährlich in Deutschland abgesetzt. Das Unternehmen ist hier die Nummer vier im Markt, ein zukunftssicheres Geschäft mit einem simplen Produkt, wie Thomas Fachinger erklärt:

    "So lange, und da ist uns auch nicht bange, der deutsche Biertrinker doch relativ resistent auf einer Glasflasche besteht, wenn er Bier trinkt, dann wird's auch den Kronkorken noch geben, denn das ist einfach das günstigste Mittel, es zu verschließen."

    Auch in punkto Globalisierung muss sich die Blechwarenfabrik Limburg keine Sorgen machen. Da der Markt für Blechwaren aufgrund der Transportkosten regional strukturiert ist, wären Billigkonkurrenten aus Osteuropa oder gar China zumindest für den deutschen Markt zu teuer. Auch darum kann die Blechwarenfabrik Limburg an ihrem Standort festhalten, der heute an die Anfänge der Industrialisierung erinnert: Am Rande der Altstadt, mit einer Einbahnstraße als Zufahrt zum Verwaltungstrakt. Was früher Stadtrand war, ist heute mittendrin, angepasst an die Wohnverhältnisse. Thomas Fachinger:

    "Unsere Nachbarschaft ist da auch Kummer gewöhnt, aber wir tun einiges. Gerade im Bereich Geräuschminimierung dürfen wir in bestimmten Gebäudeteilen auch schon gar nicht mehr fertigen und da wo es erlaubt ist, müssen wir bestimmte Schallschutzmaßnahmen ergreifen. Das ist halt ein historisch gewachsener Standort. Das tut man halt nicht so einfach, von heute auf morgen umziehen."