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Dow-Jones-Absturz
Was gegen einen Crash spricht

Der Kurseinbruch an den Aktienmärkten in New York und Tokio hat auch an der deutschen Börse für Verluste gesorgt. Das Wort Crash geisterte durch die Finanzwelt. Die Börsenhändler erwarteten allerdings schon seit Längerem eine Korrektur der Aktienkurse nach unten.

Von Mischa Ehrhardt | 06.02.2018
    Händler an der New Yorker Börse, die am Montag, 5. Februar 2018, dramatische Kurseinbrüche verzeichnete
    Händler an der New Yorker Börse, die am Montag, 5. Februar 2018, dramatische Kurseinbrüche verzeichnete (AFP/ Bryan R. Smith)
    Am heutigen Morgen zum Handelsstart im Börsensaal in Frankfurt herrschte geschäftige Stille. Alle Händler schauten gebannt auf die Monitore vor ihnen. Interviews und Einschätzungen von sonst recht redseligen Händlern – zunächst Fehlanzeige. Keine Zeit, zu viel Stress.
    Denn heute mussten die Händler auch in Frankfurt für ihre Kunden eine Menge Aufträge abwickeln – vor allem Verkaufsaufträge, nachdem die amerikanischen Börsen gestern in den Keller gerauscht sind. Der Dow Jones Index ist zeitweise innerhalb kürzester Zeit so tief abgestürzt wie nie zuvor in seiner Geschichte. Auch die asiatischen Börsen gingen daraufhin heute in die Knie.
    Der Dax in Frankfurt schließlich verbuchte zum Handelsstart das größte Minus seit eineinhalb Jahren. Das Wort Crash geistert angesichts dieser Verluste durch die Finanzwelt. Börsenhändler Arthur Brunner von den ICF Kursmaklern sieht die Sache entspannter:
    "Nach den Vorgaben aus USA und Asien war mit deutlichen Kursverlusten zu rechnen, aber was gegen einen richtigen Crash spricht, ist dass der Goldpreis nur leicht zulegen konnte. Im richtigen Crash-Zeiten ist Gold als sicherer Hafen natürlich gesucht. Auch die Bundesanleihen sind nicht so fest, wie zu erwarten war. Von daher ist immer damit zu rechnen, dass dieser Tag heute als Kaufgelegenheit genutzt werden wird."
    US-Börsenabsturz auch eine Folge der Technik
    Dafür spricht, dass der Dax seine Verluste im Lauf des Vormittags eingrenzen konnte. Der drastische Absturz in Amerika gestern war Beobachtern zu Folge auch Folge der Technik. Computer reagieren heutzutage automatisch mit Verkäufen, wenn bestimmte Grenzen unterschritten werden. Dann fallen die Kurse weiter und die nächsten Maschinen reagieren darauf. Wegen der Gefahr solcher Entwicklungen diskutieren Experten seit Längerem, der Technik im Börsenhandel Einhalt zu gebieten, um also diese so genannten Flash-Crashs – also Börsenabstürze in kürzester Zeit – zu verhindern.
    Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher von Bündnis 90/die Grünen, sagt:
    "Wenn zu viel automatisch erfolgt beim Handel, dann fehlt die Möglichkeit, auch einen Stopp einzuziehen. Und ich glaube, solche Sicherheiten, wie Schneisen in einem Wald, der Waldbrände verhindert, muss man auch am Finanzmarkt immer wieder einbauen. Ob das, was heute stattfindet, nicht auch in der Sache gerechtfertigt ist, ist eine andere Frage. Ich glaube, dass es Korrekturen an den überbewerteten Aktien- und Immobilienmärkten geben muss, deswegen hat mich das nun auch nicht überrascht."
    Auch andere Beobachter erwarten seit Längerem schon eine Korrektur der Aktienkurse nach unten. Denn die Börsen eilten in den vergangenen Monaten von einem Rekord zum nächsten – da ist es kein Wunder, wenn es dann auch mal nach unten geht.
    Angst der Anleger for Zinsanstieg in USA
    Die zu Grunde liegende Ursache der panikhaften Verkäufe vor allem an der Wall Street sehen Beobachter aktuell in der Angst von Anlegern, dass die Zinsen in den USA stärker und schneller steigen könnten als gedacht. Denn die Wirtschaft in den USA brummt, die Arbeitslosigkeit ist gering und die Löhne steigen. Das wiederum könnte zu steigenden Preisen führen, worauf die Notenbank mit steigenden Zinsen reagieren könnte. Steigende Zinsen aber verteuern die Finanzierung von Unternehmen, weil Kreditzinsen ansteigen – und schmälern im Gegenzug die Gewinne.
    Zum anderen machen steigende Zinsen am Rentenmarkt aber auch Staatsanleihen im Vergleich zu Aktien attraktiver. Deswegen schichten Anleger um – raus aus Aktien, rein in Staatsanleihen. Börsenhändler Arthur Brunner:
    "Das ist im Vergleich lukrativ – und es wird in Zukunft auch zu Umschichtungen kommen. Man kann nicht erwarten, dass die Aktienmärkte dauerhaft zulegen werden. Zuwächse von 30 Prozent innerhalb von eineinhalb Jahren, das ist auch nicht realistisch, das ist deutlich stärker, als die Wirtschaft wächst. Da muss man doch zurückkommen zur Realität."
    Dieser Weg allerdings kann holprig sein – und in den kommenden Tagen und naher Zukunft noch zu einigen Verwerfungen an den Finanzmärkten führen.