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Dr. med. T-Shirt

Technik. - Intelligente T-Shirts, die den Puls messen und die Atmung registrieren - für Sportler und für Herzpatienten gibt es sie schon. Forscher aus Italien wollen den Dr. T-Shirt nun noch mit einem Bewegungssinn ausstatten und so auch Patienten mit Erkrankungen des Gehirns helfen.

Von Volkart Wildermuth | 02.06.2010
    Keine Karos, kein Pepitamuster, die Hemden im Labor von Danilo De Rossi an der Universität Pisa, kennen nur ein Design und das sind Streifen. Viele parallele Streifen, die den Muskelzügen des Körpers folgen. Ein wenig eintönig vielleicht, aber nützlich. Denn mithilfe der Streifen kann der Professor für Biomedizintechnik genau ablesen, welche Haltung der Träger der Hightech-Kleidungsstücke gerade einnimmt.

    "Wissenschaftlich ist das kompliziert, aber die Idee ist einfach: Es ist wie eine zweite Haut. Man braucht etwas, das eng anliegt, ein elastisches T-Shirt. Und dann druckt man diese langen Sensorlinien darauf. Wenn Sie sich bewegen, dann wird der Stoff gespannt, darauf reagieren die Sensoren. Wenn man viele, viele der Sensoren auswertet, kann man rekonstruieren, wo sich die Gliedmaßen im Raum befinden."

    Interessant zum Beispiel für die Filmindustrie. Sensoranzüge im Liniendesign könnten recht einfach die Bewegungen von realen Schauspielern auf computergenerierte Kinofiguren übertragen. Das ist aber nur ein Nebenaspekt für Danilo Di Rossi, ihm geht es um die Medizin. Schon in der klinischen Erprobung sind Sensorhemden für Schlaganfallpatienten. Nach der Rehabilitation sollen sie zuhause weiter üben, um ihre Beweglichkeit zu verbessern.

    "Man zieht das Hemd an und macht die Übungen vor dem Computer. Das System registriert die Bewegungen und meldet sie an die Klinik. Je nachdem, ob man besser wird, oder gerade ermüdet, können die Ärzte dann die passende nächste Übung an den Computer schicken. So macht man echte Fortschritte, statt ständig zur Klinik zu gehen."

    Die Studien laufen noch, ob der Trainingsassistent im T-Shirt hält, was er verspricht, muss sich noch zeigen. Nicht nur Schlaganfallpatienten könnten von Sensorkleidung profitieren, davon ist auch Professor Guiseppe Andreoni von der Universität Mailand überzeugt. Menschen mit dem Tourette-Syndrom leiden unter unwillkürlichen Tics, rufen plötzlich laut, verziehen das Gesicht, zucken mit dem Schultern. Ohne das beabsichtigt zu haben, ohne es unterdrücken zu können. Für die Ärzte ist es oft schwer festzustellen, ob ein Medikament anschlägt, zu unregelmäßig sind die Tics. Die derzeit verlässlichste Methode besteht darin, die Patienten über Tage mit einer Videokamera zu begleiten und anschließend im schnellen Vorlauf die Tics zu zählen.

    "Das Problem mit dem Video ist, dass man einen Kameramann braucht. Außerdem fühlen sich die Patienten wie bei Big Brother, sie können sich nicht frei bewegen, das ist schon eine große Einschränkung."

    Mit zwei Beschleunigungssensoren in der Kleidung kann Guiseppe Andreoni die Häufigkeit und Stärke der Bewegungs-Tics schon recht gut aufzeichnen. Das System muss noch verfeinert werden, aber Ärzte und Patienten reagieren schon jetzt sehr positiv. Die Beziehung zwischen Bewegung und Krankheit ist beim Tourette-Syndrom und beim Schlaganfall eindeutig. Danilo Di Rossi ist aber davon überzeugt, dass Sensorkleidung auch bei vielen psychiatrischen Krankheiten nützlich sein könnte. So plant er, an der Körperhaltung die Stimmung von Patienten mit einer manischen Depression abzulesen.

    "Wenn wir die Haltung messen, wie jemand steht, Gesten, dann wird das nützlich sein. Nicht um den Psychiater zu ersetzen, sondern um ihm zu helfen, Krisen mit der Gefahr eines Selbstmords zu erkennen oder manische Episoden. Aber noch steht da ein Fragezeichen."

    An Ideen mangelt es offenbar nicht. Ob sich Dr. T-Shirt aber wirklich durchsetzten wird, hängt nicht nur vom Nutzen und vom Preis ab. Deshalb arbeiten in der Forschergruppe um Danilo De Rossi nicht nur Ingenieure, sondern auch Designer.

    "Wenn man will, dass jemand so ein Kleidungsstück anzieht, dann darf er darin nicht wie Frankensteins Monster aussehen. Es muss bequem sein und es muss Stil haben. Niemand möchte dick aussehen deshalb brauchen wir Designer."

    So gesehen ist es vielleicht kein Zufall, dass gerade das modebewusste Italien so viele Forscher auf dem Gebiet der Sensor-T-Shirts hervorgebracht hat.