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Draußen dreht sich die Welt weiter

Rechnungen zahlen, Verträge abschließen - Straftäter, die wieder auf freien Fuß kommen, müssen diese Dinge häufig neu lernen. In der Justizvollzugsanstalt Siegburg bekamen sie bisher Hilfestellungen dazu. Nun wurde das Pilotprojekt beendet.

Von Bamdad Esmaili | 12.05.2011
    "Sie können Fleisch essen, aber nur in kleinen Mengen. Um das jetzt lebendiger zu gestalten, habe ich hier so Kärtchen mitgebracht, die Sie vielleicht einfach mal aufhängen. Häftling: boah ist das ´ne Frikadelle? Genau, wollen Sie die Frikadelle aufhängen? Wo gehört die hin? Häftling: ganz nach oben ..."

    Ernährungskunde im Freizeitraum der Justizvollzugsanstalt Siegburg. Acht Häftlinge um einen langen Tisch lernen die Ernährungspyramide kennen. Gesundes Kochen, trotz wenig Geld, ist das Thema der letzten Sitzung. In den vergangenen sechs Monaten lernten die jungen Teilnehmer, wie man ein Haushaltsbudget verwaltet und vorausschauend plant, damit das Geld bis zum Monatsende reicht. Und sie erfuhren Wissenswertes zum Abschluss von Kauf-, Miet- oder Versicherungsverträgen, aber auch zu Telekommunikationsangeboten oder Abo-Fallen im Internet. Der 20jährige Sascha sitzt seit über eineinhalb Jahren ein, weil er Polizisten niedergeprügelt hat. Er zieht nach sechs Monaten eine positive Bilanz.

    "Ich habe viele Schulden. Und ich hab gedacht, lassen wir das sein, Schulden nicht zu bezahlen, einfach auf sich beruhen, aber hier hat man die Chance zu lernen, wie mache ich was, wo kann ich was kürzen oder Ernährung zum Beispiel, großer Punkt gewesen, Miete, wenn man sich eine neue Wohnung sucht, worauf man achten muss, allgemein im Leben sowas."

    Der 20jährige muss allein an Schmerzensgeld rund 50.000 Euro zahlen und hat obendrein noch 20.000 Euro weitere Schulden. Er meint, dass er jetzt gelernt hat, mit Geld umzugehen. Und er wisse inzwischen auch, wie er seine Verbindlichkeiten bezahlen kann. Für Anstaltsleiter Wolfgang Klein gibt es genügend Gründe für das Pilotprojekt.

    "Die Jungs werden dadurch sicherer, mit den Dingen, die auf sie draußen einstürmen werden. Ob es um Handyverträge geht, ob es um Ratenzahlungsverträge geht, ob es ums Überleben mit Hartz IV geht. Das sind alles Dinge, die man können muss, wenn man einigermaßen draußen unfallfrei durch Leben gehen möchte."

    Das Pilotprojekt wurde in Kooperation mit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gestartet - finanziert durch das Landesjustizministerium. Einmal in der Woche lehrte Kursleiter Martin Wieler in eineinhalb Stunden verschiedene Verbraucherthemen. Für ihn sei es wichtig, dass das Projekt auch von anderen Anstalten übernommen wird.

    "Wenn man sehr lange in der JVA sitzt, kriegt man vielleicht gar nicht mit, dass Kontonummer, Bankleitzahl abgeschafft wird. Durch IBAN und BIC ersetzt wird. Dass es neue Regeln für den Überweisungsverkehr gibt. Und Ähnliches gibt es auch in anderen Themen. Wenn es um Insolvenzrecht geht, wie komme ich von meinen Schulden runter, ist ein Thema gewesen. Und wenn man überlegt, dass manche 1-2 Jahre hier sitzen, die Welt dreht sich weiter. Da hat sich in allen Richtungen, die der Verbraucher kennen muss, was getan. Anbieterwechsel bei Strom oder Gas. Das sind so die Themen in Kurzform."

    Nach der Theorie-Stunde müssen die Häftlinge der Siegburger JVA in die Küche. Ernährungsberaterin Beate Fackeldey hat ein Viergänge-Menü zusammengestellt, das die Insassen schon lange nicht gegessen haben. Picknickbrot, Nudelsalat, Lasagne und Quark mit Früchten.

    "Erst mal ein Löffel reintun. Und dann so bisschen ausschenken. Erst mal gibt es einen leckeren Rand, dann Sesam ist sehr gesund, sind viele Vitamine, die gesund sind und es sieht einfach schön aus"

    Nach eineinhalb Stunden stehen die Gerichte auf den Tisch. Zum Abschluss bekommen die Gefangenen eine Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme.