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Drei-Eltern-Baby
"Das Verfahren hält einer ethischen Beurteilung nicht stand"

Großbritannien hat das sogenannte Drei-Eltern-Baby erlaubt, bei dem ein Teil der DNA einer Mutter mit Gen-Defekt durch einen DNA-Teil einer gesunden Frau ersetzt wird, um Erbkrankheiten zu verhindern. Das Ziel, ein gesundes Kind erzeugen zu können, sei moralisch achtenswert, sagte der Theologe Eberhard Schockenhoff im DLF. Das konkrete Verfahren halte einer kritischen ethischen Beurteilung aber nicht stand.

Eberhard Schockenhoff im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 04.02.2015
    Eberhard Schockenhoff
    Eberhard Schockenhoff (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    Doris Schäfer-Noske: Homosexuelle Partnerschaften, Homoehe mit oder ohne Adoptionsrecht, Patchwork-Familien, künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft – was Familie bedeutet, das hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Elternschaft wird jedoch immer noch über Blutsverwandtschaft definiert. Auch Kinder, die durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden, dürfen in Deutschland zum Beispiel erfahren, wer ihr leiblicher Vater ist.
    Großbritannien hat nun wie gesagt als einziges Land der Welt das sogenannte Drei-Eltern-Baby erlaubt. Dabei wird ein Teil der DNA einer Mutter, die einen Gendefekt hat, durch einen DNA-Teil einer gesunden Frau ersetzt, um Erbkrankheiten zu verhindern – ein umstrittenes Verfahren. Gegner sprechen sogar von einem Dammbruch. – Frage an den Theologen Eberhard Schockenhoff, Mitglied des Deutschen Ethikrates. Herr Schockenhoff, würden Sie denn diese britische Neuregelung als Dammbruch bezeichnen?
    Eberhard Schockenhoff: Mit Dammbruchvorwürfen, meine ich, muss man immer vorsichtig sein. Auch ist die Rede vom Drei-Eltern-Baby etwas irreführend, denn das sind ja nicht drei gleichgewichtige biologische Elternteile, sondern von einer Mutter stammen nur die Mitochondrien. Das ist ein sehr geringer Anteil auch des genetischen Materials. Darin sehe ich nicht den eigentlichen Kern des Problems.
    Kern des Problems ist beim gegenwärtigen Verfahren, dass hier zwei Eizellen befruchtet werden. Das heißt, es entsteht eine Zygote, die Anfangsphase eines entwicklungsfähigen Menschen. Das wird aber sofort wieder aufgehalten, dieser biologische Prozess, weil man will ja nicht diesen Menschen hervorbringen, sondern man möchte nur Biomaterial gewinnen, um über die Reproduktionstechnik einen anderen Menschen zu erzeugen. Und das halte ich für ethisch problematisch, weil es mit der Selbstzwecklichkeit des Menschen kollidiert. Und hier dieses konkrete Mittel, das Verfahren, das letztlich auf die Erzeugung und sofort anschließende schon geplante Vernichtung dieser Zygote hinausläuft, das halte ich für ethisch nicht akzeptabel.
    "Ein unverfügbares Geschenk"
    Schäfer-Noske: Die Befürworter argumentieren hier, dass ja gar kein Verwandtschaftsverhältnis bestehen würde mit der DNA-Spenderin, weil diese ersetzte Erbsubstanz auch keine charakterprägenden Merkmale enthalte. Man hätte quasi denselben Menschen, nur mit weniger Krankheitsrisiko. Wäre das denn nicht ethisch vertretbar unter Verweis auf die Nächstenliebe?
    Schockenhoff: Das Ziel, ein Kind erzeugen zu können, das nicht von dieser Mitochondrien-Schwäche betroffen ist, das ist natürlich moralisch achtenswert. Aber das konkrete Verfahren hält einer kritischen ethischen Beurteilung nicht stand. Das ist, meine ich, eine fremdnützige Verwendung dieser ersten beiden Eizellen, die man befruchtet. Das ist immerhin eine Zygote, also ein entwicklungsfähiges Stadium. Nach deutschem Recht gilt zwar das Vorkernstadium noch nicht als Embryo und deshalb wäre das insofern nach deutschem Recht wahrscheinlich sogar erlaubt. Das müssten Juristen prüfen. Dass da ein Verwandtschaftsverhältnis besteht und drei Elternteile, das, glaube ich, ist nicht so dramatisch, weil tatsächlich der Einfluss, der von den mitochondrialen Genen ausgeht auf den Charakter und die Identität des künftigen Kindes, nach allem, was wir heute wissen, wahrscheinlich gering ist, obwohl man auch hier weiß, dass es auch eine Interaktion zwischen den Genen in den Mitochondrien und im Zellkern gibt.
    Schäfer-Noske: Mit dem Argument, man verhindere Erbkrankheiten, taucht ja auch eine Frage auf, die auch im Zusammenhang mit der pränatalen Diagnostik immer wieder gestellt wird, und zwar die nach einem Recht auf ein möglichst gesundes Kind. Wie problematisch sehen Sie denn die britische Regelung vor diesem Hintergrund?
    Schockenhoff: Elternverantwortung beinhaltet eigentlich immer die Bereitschaft, ein Kind so anzunehmen, wie es von sich aus ist, und als ein unverfügbares Geschenk anzunehmen und für es auch unbegrenzt Verantwortung zu übernehmen. Wenn man nun sagt, ich möchte ein Kind, aber nur unter der Voraussetzung, dass es gesund ist, dann ist das eigentlich schon problematisch, weil das eine konditionierte, an selbst gesetzte Bedingungen geknüpfte Bereitschaft zur Elternschaft ist. Ein Recht auf ein gesundes Kind kann es nicht geben.
    Schäfer-Noske: Gegner fürchten auch, Ärzte könnten nun noch stärker in die Natur eingreifen und Designer-Babys schaffen. Wie groß ist da Ihrer Meinung nach die Gefahr?
    "Den Begriff Designer-Baby mag ich nicht"
    Schockenhoff: Dass der Prozess der ganzen modernen Reproduktionsmedizin darauf hinausläuft, dass immer stärker Kinder zu den Verfügungsobjekten elterlicher Wünsche werden, das ist unbestreitbar und das ist sehr problematisch. Den Begriff Designer-Baby, den mag ich nicht so, weil das suggeriert, man kann ein Kind designen. So ist es nicht. Aber man kann zumindest durch negative Auswahlentscheidungen Einfluss nehmen auf das Kind, und das schwächt die Bereitschaft, ein Kind so anzunehmen, wie es von sich aus ist.
    Schäfer-Noske: Wird denn auch dadurch, dass es dann vielleicht immer weniger Menschen mit Krankheiten und Behinderungen gibt, die Akzeptanz in der Gesellschaft sinken?
    Schockenhoff: Das ist eine aus meiner Sicht berechtigte Befürchtung, die auch die Vertreter von Menschen mit Behinderungen immer wieder äußern, dass man dann sagt, das müsste ja nicht sein, das ist ja nicht ein Schicksal und angesichts dieses Schicksals müssen wir solidarisch sein und auch die Lasten miteinander tragen, sondern man sagt, das wäre vermeidbar gewesen, das ist vielleicht sogar individuelle Unverantwortlichkeit. Der Begriff der elterlichen Verantwortung könnte dann sogar eine solche Pervertierung annehmen, dass Eltern nun verantwortlich sind für ein genetisch einwandfreies Kind, wenn das reproduktionsmedizinisch möglich wäre, und dann wird die Vorstellung von Elternverantwortung auf den Kopf gestellt.
    Schäfer-Noske: Das war der Theologe Eberhard Schockenhoff, Mitglied des Deutschen Ethikrats, über die Entscheidung der Briten für das sogenannte Drei-Eltern-Baby.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.