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Drei-Eltern-Baby
Hoffnung auf gesunde Kinder?

Das britische Oberhaus will über ein medizinisches Verfahren abstimmen, bei dem ein sogenanntes Drei-Eltern-Baby entsteht. Der Humangenetiker Klaus Zerres sieht darin eine Chance, Familien mit schweren erblichen Erkrankungen gesunde Kinder zu ermöglichen.

Klaus Zerres im Gespräch mit Uli Blumenthal | 23.02.2015
    Professor Klaus Zerres vom Institut für Humangenetik der Universitätsklinik der RWTH Aachen
    Professor Klaus Zerres vom Institut für Humangenetik der Universitätsklinik der RWTH Aachen (Uniklinik RWTH Aachen)
    Die Mitochondrien, die auch als Kraftwerke der Zelle bezeichnet werden, besitzen eigene Erbinformationen - wenn auch nur wenige: insgesamt 37 Gene. Ist ein Teil dieser Gene bei der Mutter defekt, kann das bei dem Neugeborenen schwere Erbkrankheiten hervorrufen, zum Beispiel seltene Leiden, die zu epileptischen Anfällen führen können, aber auch zu Erblindung.
    Bei der Methode wird defektes Erbgut der eigentlichen Mutter durch einen gesunden DNA-Teil einer anderen Frau ersetzt. Genauer: Der Zellkern der eigentlichen Eltern und die Mitochondrien einer weiteren Eizell-Spenderin sorgen für das neue menschliche Leben. Ein möglicherweise defektes Mitochondrien-Gen der eigentlichen Mutter wird so nicht weiter vererbt.
    In Großbritannien wird derzeit kontrovers diskutiert, ob die Methode letztendlich zugelassen werden soll. Professor Klaus Zerres vom Institut für Humangenetik der Universitätsklinik der RWTH Aachen und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik sagte im Deutschlandfunk:
    "Ich würde das im Interesse der wenigen Familien mit schwersten Erberkrankungen natürlich ganz pragmatisch sehen - dass das ein Weg sein kann, diesen Familien mit schweren erblichen Erkrankungen dann doch die Chance zu geben, nicht-betroffene Kinder zur Welt zu bringen."
    In Deutschland werde das Verfahren in absehbarer Zeit wohl nicht angeboten werden können, sagte Zerres - "weil das Embryonenschutzgesetz diese Art von Technik nicht zulässt. Das würde eine Gesetzesänderung voraussetzen, die in Anbetracht der schwierigen Diskussion - zum Beispiel im Zusammenhang mit der Präimplantationsdiagnostik - nicht zu erwarten ist."
    Paare, die den Eingriff im Ausland durchführen lassen, würden hierzulande "wahrscheinlich nicht juristisch belangt", so seine Einschätzung.
    Jedoch könne der Hinweis und die Aufforderung zu einer Straftat für die Berater problematisch werden. "Insofern wird es sich weitestgehend in einem Raum abspielen, der außerhalb offizieller Beratungstätigkeiten funktioniert und sich seinen Weg bahnen wird."
    Medizinisch stellte Zerres klar: "Der Vater gibt mit seiner Samenzelle keine Mitochondrien an das Kind weiter, sondern die stammen immer ausschließlich von der Mutter."
    Langzeitbeobachtungen und Erfahrungen beim Menschen gebe es bezüglich des Verfahrens bisher nicht, sagte Zerres. Generell sei die Vererbung von mitochondrialer DNA ein anderer Mechanismus als der von Erbanlagen, die sich im Zellkern befinden. "Aber es ist sozusagen schon ein künstlicher Vorgang."
    Das gesamte Interview können Sie fünf Monate im Audio-Bereich nachhören.