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Drei Länder, ein Problem

Etwa 600.000 Lehrer werden in den nächsten 15 Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz gebraucht. Doch bisher ist der Beruf für viele Studierende zu unattraktiv: Schüler zu unterrichten, ist anstrengend und das Gehalt ist relativ gering. Deswegen haben sich die Lehrerverbände aller drei Länder in Wien beraten, wie die Berufsbedingungen verbessert werden können - ein Gespräch mit dem Bundesvorsitzenden des Verbandes Bildung und Erziehung, Ludwig Eckinger.

Ludwig Eckinger im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 20.11.2008
    Ulrike Burgwinkel: Rund 600.000 Lehrer gesucht - in Deutschland, in Österreich und der Schweiz in den nächsten 15 Jahren. Das klingt ja so, als könne nur noch die Schule ohne Lehrer Abhilfe schaffen.

    Die jeweiligen Vorsitzenden der Länderlehrerverbände haben sich in Wien getroffen und beraten, was zu tun sei und wie man vielleicht gemeinsam vorgehen könne. Ludwig Eckinger ist Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, VBE. Guten Tag nach Wien!

    Ludwig Eckinger: Hallo, guten Tag!

    Burgwinkel: Herr Eckinger, was haben Sie denn genau beschlossen?

    Eckinger: Wir haben heute ein Leitbild für den Lehrerberuf verabschiedet, das heißt "qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer, ein Eckpfeiler der Demokratie". Und da haben wir, GÖD, so heißt die österreichische Lehrergewerkschaft, LCH, die schweizerische, und der VBE einige unverzichtbare Grundsätze definiert für den Lehrerberuf.

    Und natürlich ist der Hintergrund der Lehrermangel und auch das nicht genügend große Image des Lehrerberufs. Und wenn Sie wollen, kann ich gerne einige Punkte gleich mal nennen. Also es sind insgesamt sieben, die wir auch berufsethisch meinen, sieben Punkte, die wir fordern.

    Burgwinkel: Die Grundpfeiler, von denen Sie gerade sprachen, was wäre denn wirklich das Wichtigste und das Entscheidendste Ihrer Meinung nach?

    Eckinger: Wir setzen an die erste Stelle natürlich, dass Lehrerinnen und Lehrer Experten für Fragen des Unterrichts und der Erziehung sind, also Fachleute für Lernen und Lehren. Sie fördern und fordern ihre Schülerinnen und Schüler, so haben wir es in die Erklärung hineingeschrieben, sie gestalten fachlich und didaktisch ihren Unterricht und geben Anregungen zum selbstbestimmten Lernen.

    Das allein genügt aber natürlich nicht, denn Sie wissen so gut wie ich, dass Lehren und Erziehen untrennbar sind. Und aufgrund der Anforderungen unserer Gesellschaft, auch der veränderten Kindheit insgesamt, auch der Veränderung der Gesellschaft, ist der Erziehungsauftrag für die Lehrerinnen und Lehrer evident, das heißt also, wir müssten uns dem auch stellen. Und darum ist das die zweite Forderung beziehungsweise das zweite Bekenntnis. Mit unserer Vorbildfunktion sind wir uns natürlich darüber im Klaren, dass wir Orientierung zu geben haben und mit pädagogischer Kompetenz erziehen.

    Burgwinkel: Da muss man es aber auch schaffen, genau die richtigen Menschen zu motivieren, den Lehrberuf zu ergreifen. Das ist ein großes Problem, oder?

    Eckinger: Genau, das ist ein wirklich großes Problem. Der Lehrermangel ist ja nicht von selbst entstanden, der ist natürlich auch deswegen entstanden, weil die Politik keine Personalplanung hinbekommen hat. Aber es liegt schon auch ganz stark daran, dass dieser Beruf schon beim Einstieg nicht genügend attraktiv definiert ist.

    Das heißt also, wenn Sie eine Referendarin, einen Referendar heute in München oder Düsseldorf treffen oder ganz egal in welcher Stadt, in Leipzig und so weiter, dann ist das Einstiegsgehalt so niedrig, dass man davon allein nicht leben kann. Und dann sind natürlich die Bedingungen insgesamt in den Schulen teilweise so schlecht, dass man sich dafür nur schwer entscheidet. Und überhaupt ist die Aufklärung über diesen Beruf nicht genügend gut. Auch die Ausbildung an den Universitäten läuft nicht so, wie wir uns das wünschen.

    Also, häufig ist die Lehrerbildung fünftes Rad am Wagen, und deshalb allein haben wir jetzt einen eklatanten Lehrermangel. Der Hauptgrund ist allerdings die verheerende Alterspyramide in Deutschland. Es ist so, dass Hunderttausende von Lehrerinnen und Lehrer in den nächsten Jahren ganz normal in Pension geschickt werden müssen.

    Burgwinkel: Sehen Sie eine Möglichkeit, mit Quereinsteigern oder Aushilfen für die Übergangszeit zu arbeiten?

    Eckinger: Also, das sage ich widerwillig, dass wir Quer- und Seiteneinsteiger vorübergehend als Notmaßnahmen akzeptieren müssen. Es hat nichts mit Diskriminierung von einzelnen Personen zu tun, aber das kann natürlich nicht zum Maß erhoben werden.

    Normal wäre, dass man für diese Profession an der Universität ausgebildet wird und von vornherein das Berufsziel Lehrerin/Lehrer im Blick hat. Jetzt müssen wir vorübergehend natürlich auch mit Quer- und Seiteneinsteigern arbeiten. Allerdings, das ist eine Forderung, die wir erheben, dass auch Quer- und Seiteneinsteiger die notwendigen pädagogisch-psychologisch-didaktischen Kompetenzen bekommen. Das heißt also, es muss hier Aufbaukurse geben.

    Burgwinkel: Wenn Sie davon ausgehen, dass es wirklich gelingen könnte, genügend richtige Lehrer, die das Lehren als Beruf und als Berufung ansehen, an die Universitäten zu bekommen, wie entgeht man dann diesem ja nicht nur beim Lehrerstudium auftretenden Schweinezyklus?

    Eckinger: Wir brauchen einen Personalentwicklungsplan, der zehn Jahre umfasst und der den Einstieg in den Beruf schon attraktiver gestaltet, der klar macht, worum es in diesem Beruf geht. Da kann man nicht wie in Spitzenberufen, was das Finanzielle angeht, das ganz große Geld verdienen. Aber es ist schon notwendig, dass die Rahmenbedingungen auch finanzieller Art so gesetzt sind, dass man sagen kann, das ist ein akademischer Beruf, der erklärtermaßen einer der ganz besonders wichtigen ist in unserer Gesellschaft, und wenn ich das werden will, dann soll ich es auch werden können.

    Deshalb sind wir auch übrigens sehr drauf aus, dass wir die Eignungsfeststellungen sicherer machen. Das heißt also, die Möglichkeiten für die Kandidatinnen und Kandidaten, sich selbst zu überprüfen, verbessern - durch Angebote von Praktika, durch fundierte Hintergrundgespräche, was auf jemanden zukommt beziehungsweise was einen erwartet in diesem erfüllenden, aber auch schwierigen Beruf.

    Burgwinkel: Vielen Dank für das Gespräch. Das war Ludwig Eckinger, Bundesvorsitzender des VBE über die heute Mittag veröffentlichte Wiener Erklärung der drei deutschsprachigen Lehrerverbände, aus der Schweiz, aus Österreich und aus Deutschland.