Die Leidenschaft für die Welt und das Meer verbot es Hamilton-Paterson geradezu, Nein zu sagen, als er im Oktober 1994 gefragt wurde, ob er als beobachtender Gast an einer Tauchexpedition in die atlantische Tiefsee teilnehmen wollte. Noch der Titel seines Berichts darüber atmet die Faszination, einen Punkt der Welt erreicht zu haben, den kaum jemand vor oder nach ihm anpeilen wird: "Drei Meilen tief". Durchgeführt wurde die Expedition unter äußerst merkwürdigen Bedingungen. Das Mutterschiff, die "Akademik Keldysch", von dem aus die Tiefseetauchboote MIR I und MIR II starteten, ist eines der besten Forschungsschiffe der ehemaligen Sowjetunion. Die Besatzung hatte bereits die Unterwasserdreharbeiten zu James Camerons Titanic-Film begleitet, doch was im Frühjahr 1995 auf sie zukam, erwies sich als noch größere Zumutung. Hamilton-Paterson dazu: "Der Vorwand für diese Reise war: Eine kleine britische Firma war gegründet worden, um Gold von zwei Schiffen zu bergen, die während des Zweiten Weltkriegs vor der Küste Afrikas gesunken waren. Das eine war ein U-Boot, das andere ein Truppentransporter. Diese kleine Firma hatte das russische Forschungsschiff Keldysch mit seinen Spezialtauchbooten gemietet. Nach 1990 mußten diese Wissenschaftler sich nun an kommerzielle Schatzsucher verdingen. Für mich war es unglaublich spannend diese 94 erstklassigen Wissenschaftler zu beobachten, die seit Jahren zusammen gefahren und geforscht hatten, wie sie sich nun plötzlich der Gnade ganz ordinärer Kapitalisten ausgeliefert sahen. Früher standen sie an den Piers von Kaliningrad, wo sie stationiert sind, und befahlen: füllt die Tanks. Jetzt mußten sie mit der lokalen Mafia verhandeln, um auch nur den Kraftstoff zu bekommen, mit dem sie nach England fahren konnten. Und so waren diese hochrangigen Wissenschaftler, die lieber unterseeische Vulkane untersucht hätten, ziemlich verzweifelt über diese dämlichen britischen Schatzsucher, mit denen sie ihre Zeit verschwenden mußten."
Nicht nur im Gespräch, auch in seinem Buch hält Hamilton- Paterson sich respektvoll zurück, und man kann die satirereifen Momente nur erahnen, die sich aus dem Zusammenprall dieser zwei Welten ergeben haben. Grandios wird Hamilton-Patersons Schilderung, als sich sein Kindertraum erfüllt: Obwohl weder Schatzsucher noch Wissenschaftler, darf er mit dem Tauchboot auf den Meeresgrund hinabsteigen, drei Meilen tief. Wie fühlt man sich beim Einstieg in eine winzige Kugel, die fünf Kilometer durch die Dunkelheit sinken wird? "Das war eine sehr seltsame Empfindung. Wissen Sie, vor dem Tauchen bekamen wir sehr genaue Instruktionen. Es war ein russisches Schiff, von dem aus eines von diesen Unterseebooten eingesetzt wurde, mit denen die Titanic gefilmt wurde. Jeder weiß, daß es in der Tat extrem gefährlich ist, in diese Tiefe zu tauchen. Man ist nicht mit dem Schiff verbunden. Diese Unterseeboote sind gänzlich unabhängig. Sie ähneln Helikoptern und schweben wie Helikopter über dem Boden der See. Jeder ist aufgeregt, versucht die Gefahren vorauszusehen. Es gibt so viele Möglichkeiten zu scheitern. Der Druck ist so stark, daß kleinste Materialschwächen schon die Katastrophe bedeuten. Die Fahrt dauerte drei Stunden abwärts und drei Stunden aufwärts, wir blieben etwa zwölf Stunden unten, insgesamt dauerte es also 17- 18 Stunden. Die Druckkammer selbst ist kugelförmig und mißt zwei Meter im Durchmesser. Seit dem Tauchrekord, den der Amerikaner Beebee in den 30er Jahren aufgestellt hat - eine halbe Meile tief - benutzt man immer die gleichen Kugeln aus Titanstahl. Wir waren zu dritt eingequetscht in diesem kleinen Stahlball. Die beiden anderen waren Russen, beide Wissenschaftler und erfahrene Tiefseepiloten. Nach der ersten Minute war ich völlig verzaubert, als ich durch die Ladeluke blickte. Ich hatte als Kind Beebees Bericht über seine Tauchfahrten gelesen und geliebt. Es bewegte mich sehr, zu sehen, was er gesehen hatte. Das war es, was ich seit meiner Kindheit wollte. Und über diesen Punkt hinauszugehen, tiefer und tiefer, sechs mal so tief wie die halbe Meile, die Beebee erreicht hatte, war tief bewegend. Als wir auf den Grund kamen und die Außenlichter angingen, und ich zum ersten Mal sah, was außer mir kein menschliches Auge erblickt hat, erst recht nicht an diesem Ort und in dieser Tiefe -so tief im Ozean sind weniger Menschen gewesen als im Weltraum - da fühlte ich mich sehr privilegiert auf diesem Planeten."
Dieses Privileg ist nun vorbei. Die Tauchboote der Akademik Keldysh dienen inzwischen im kommerziellen Kreuzfahrtgeschäft zum Wrack der Titanic - und auch aus den gesunkenen Schiffen, die die Abenteurer 1995 vergeblich suchten, wurde inzwischen das erste Gold geborgen. Doch das macht Hamilton-Patersons Bericht erst recht einzigartig.