Donnerstag, 28. März 2024

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Dresdener Bücherbus
Eine Bibliothek auf Rädern

Seit 1929 gibt es in Dresden eine Fahrbibliothek. Bis heute ist sie im Einsatz und versorgt Wohngebiete ohne eigene Stadtteilbibliothek mit Lesestoff. Auch im digitalen Zeitalter ist das kein Auslaufmodell.

Von Alexandra Gerlach | 03.03.2018
    Ein blauer LKW mit der Aufschrift "Fahrbibliothek"
    Das aktuelle Modell: seit 1929 fährt eine Fahrbibliothek durch Dresden (Deutschlandradio / Alexandra Gerlach)
    Pünktlich um 16:00 Uhr biegt der mit weißen Dinosauriern verzierte, aquamarinblaue Sattelschlepper um die Kurve und sucht sich einen freien Platz am rechten Straßenrand. Vorsichtig setzt Jan Tempel den großen LKW zurück. Die Lücke passt.
    Seit 25 Jahren fährt Jan Tempel die Fahrbibliothek durch Dresden.
    "Ich mag es an der Arbeit, dass es abwechslungsreich ist, also mit dem LKW durch die Stadt fahren, Interesse an Büchern und anderen Medien, die wir hier haben, habe ich auch, und dann das Arbeiten mit den Menschen, Beratung und so, also die Abwechslung gefällt mir einfach."
    Innerhalb weniger Minuten besuchsfertig
    Heute ist sein Bruder dabei. Detlev Tempel ist Bibliothekar und betreut seit 3 Jahrzehnten den Bücherbus der Stadt Dresden. Mit routinierten Handgriffen machen die beiden Brüder innerhalb weniger Minuten den Bücherbus besuchsfähig. Sicherungen werden gelöst, eine komfortable Stahltreppe ausgefahren, Arretierungen an den Bücherregalen geöffnet. Rund 1.400 Bücherbegeisterte nutzen den Service der Stadt und leihen regelmäßig Bücher, CDs, DVDs und Zeitschriften im Bücherbus aus. Rund die Hälfte davon seien Kinder, erzählt Bibliothekar Detlev Tempel:
    "Wir versuchen schon eine gewisse Bildung zu vermitteln, aber der Unterhaltungswert steht schon hoch im Kurs, man muss auch da mitgehen, was gefragt wird. Aber man kann auch die Kinder trotzdem noch für Bücher begeistern. Man muss es Ihnen eben nahebringen und da sind wir eben da sozusagen. Wir haben diese Funktion bei dem lebenslangen Lernen, dass wir sozusagen für die Leute da sind, die nicht mehr oder noch nicht so mobil sind, also für Kinder und Ältere."
    Fotos der alten Bücherbusse
    Die Ahnengalerie des Bücherbusses (Deutschlandradio / Alexandra Gerlach)
    Am Straßenrand wartet geduldig eine Rentnerin. Über Ihrer Schulter baumelt eine Stofftasche voller Bücher:
    "Ich wohne hier. Bin gerade die Treppe runter."
    "Gehen Sie regelmäßig in die Fahrbibliothek?"
    "Ja! Jede Woche."
    "Jede Woche? Und was leihen Sie dann so aus?"
    "Krimis und Historisches, das mag ich auch gerne."
    Gemischtes Publikum
    Um in die nächstgelegene Stadtteilbibliothek zu gelangen, müsste sie eine halbe Stunde Fußmarsch auf sich nehmen. Die Dresdnerin weiß daher den Bücherbus der Stadt Dresden zu schätzen.

    "Ja, spitzenmäßig! Ich wäre ja richtig angeschmiert, wenn ich die nicht hätte. So viel kann man sich ja gar nicht kaufen, wie ich lese, ja, also das hier ist eine Woche, der Stapel, zwei, vier, sechs, eins habe ich noch zu Hause, eins pro Tag."
    Der Bus füllt sich schnell. Das Publikum ist gemischt. Jüngere, Eltern mit Kindern sowie Rentner geben Bücher ab und stöbern dann in den lindgrün lackierten Regalen, die rundum vom Fußboden bis an die Decke reichen. Oberlichter geben dem Innenraum helles Licht. Die Ausleihe und Rückgabe erfolgt an einem kleinen Tresen. Dahinter sitzt Detlev Tempel und registriert die Bibliotheksausweise sowie die Bücher per Scanner am Computer. Der Wagen ist voll vernetzt. Wer ein Buch sucht oder Beratung braucht kann sich an einen der beiden Mitarbeiter wenden. Auch Bestellungen werden aufgenommen für die nächste Woche. Das Angebot umfasst knapp 6000 Bücher, DVDs, CDs und Zeitschriften. Ein 15-jähriger Schüler stöbert in den Musik-CDs. Er kommt regelmäßig in den Bücherbus. Natürlich könnte er diese auch digital aus dem Netz herunterladen:
    Mann am Computer, hinter ihm Bücherregale, vor ihm ein Mann der sich ein Buch ausleiht.
    Detlev Tempel bei der Arbeit (Deutschlandradio / Alexandra Gerlach)
    "Theoretisch schon, nur hier ist es ja kostenlos. Deswegen ist die Fahrbibliothek viel besser."
    Innenansicht der Fahrbibliothek: Besucher durchsuchen die Regale
    Innenansicht der Fahrbibliothek (Deutschlandradio / Alexandra Gerlach)
    Konjunktur trotz des digitalen Zeitalters
    Gleich daneben steht ein junger Vater mit drei Kindern, das Jüngste liegt noch in der Babytasche. Der Bücherbus sei eine gute Einrichtung, die er mit seiner Familie regelmäßig nutze:
    "Ja, die Nähe, unkompliziert. Jede Woche, alle zwei sind wir hier, wohnen um die Ecke, ich meine, wir könnten auch woanders hin, aber Ältere schaffen das vielleicht nicht? Von daher ist es gut."
    Selbst im digitalen Zeitalter so scheint es hat die mobile Buchausleihe Konjunktur. Zwar seien die Ausleihzahlen leicht rückläufig, sagt Detlev Tempel, aber:
    "Tja, es gibt auch viele ältere Leute, die so ein Lesegerät haben, auch Leser von uns, die sagen, das ist praktisch im Urlaub, ich brauche keine Bücher mehr mitschleppen, aber sie wollen trotzdem noch dieses haptische Erlebnis des Buches oder der Zeitschrift haben. Geht mir übrigens auch so."