Samstag, 20. April 2024

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Drogenabhängige Kinder
Auf Dialog statt Konflikt setzen

Wenn Eltern merken, dass ihre Sprösslinge massive Drogenproblem haben, bricht eine Welt zusammen. Eine Mischung aus Vorwürfen, Verzweiflung und Druckaufbau macht sich breit. Besonders schwierig wird es für Eltern, wenn die Kinder schon volljährig sind. Selbsthilfegruppen können Eltern die erste Stütze im Kampf gegen die Selbstzerstörung ihrer Kinder sein.

Von Thomas Liesen | 10.11.2015
    Für Eltern kann ein drogenabhängiges Kind zur Lebensqual werden.
    Für Eltern kann ein drogenabhängiges Kind zur Lebensqual werden. (imago/Mavericks)
    Er ist 63 Jahre alt, immer in gesicherter Position gewesen, weltoffen, hat früher auch mal Rockmusik gemacht. Und er war immer für seine drei Kinder da, wenn sie ihn brauchten. Ein ganz normaler Vater, eine eher gut situierte Familie. Daher ahnt niemand, was passieren würde.
    "An irgendeiner Geburtstagsfeier merkten wir, dass sie sehr aufgedreht war und auf Nachfrage haben wir dann auch erfahren, dass sie Kokain nimmt und... Ja, erst mal ist eine Welt zusammengebrochen, nun bin ich als Polizeibeamter ein bisschen mit dem Metier auch beschäftigt gewesen, aber nichtsdestotrotz, in der eigenen Familie bricht erst mal die Welt zusammen und die erste Möglichkeit, die man sucht, ist: Wie kann ich meinem Kind helfen?"
    Leugnen des Drogenproblems ist gängiges Muster
    Wolfgang Odenthal kontaktiert Ärzte, sucht und findet Therapeuten. Seine Tochter ist aber bereits über 18 und damit volljährig. Er kann sie zu keiner Therapie zwingen. Zudem leugnet sie standhaft, dass da überhaupt ein Problem wäre.
    "Erst mal gibt es kein Problem, und sie merken dann, dass Geld fehlt oder Gegenstände fehlen, die dann verhökert wurden, dass das Problem sehr wohl besteht. Irgendwo muss das Geld ja herkommen für die Drogen und das fängt in der eigenen Familie an, dass dann Gegenstände entwendet werden."
    Als die Beweise für ihr Drogenproblem klar auf dem Tisch liegen, stellt er sie wieder zur Rede. Doch sie bleibt unbeirrt bei ihrer Version der Wahrheit.
    "Du siehst das total verkehrt. Oder: Du rauchst ja auch oder: Du trinkst ja auch Alkohol. Das sind dann diese automatischen Antworten, die dann kommen. Hat sie im Prinzip ja auch irgendwo recht, ich habe dann das Rauchen drangegeben. Und dann ist man als Elternteil erst mal still und hofft, dass es irgendwann bei dem Kind klack macht und dass sie auf den richtigen Weg kommt und versuchen, da rauszukommen aus ihrer Drogensucht."
    Doch seine Hoffnungen werden alle enttäuscht. Sie nimmt bald Heroin, dann zusätzlich Alkohol. Sie lässt sich zwar irgendwann überreden, eine Therapie zu beginnen, doch nach kurzer Zeit bricht sie diese ab. Eine Frage bohrt quälend in Wolfgang Odenthal:
    Selbsthilfegruppe hilft Angehörigen
    "Die stellt man sich zuerst: Woran liegt´s? Warum? Was habe ich verkehrt gemacht, was ist verkehrt gelaufen?"
    Er wendet sich an eine Selbsthilfegruppe. Und zum ersten Mal sieht er, dass andere Eltern sehr ähnliche Geschichten erleben. Alle fühlen sich hilflos, fragen sich, wo sie versagt haben. Und die meisten müssen einsehen: Ihre Möglichkeiten, das Kind zu retten, sind begrenzt. Besonders tragisch muss das Wolfgang Odenthal am eigenen Leib erfahren.
    "Wir haben sie gefunden in ihrer Wohnung. Wir haben ihr dann eine Wohnung besorgt in unserer Nähe hier in Köln und ja, dann hat sie aber wahrscheinlich den falschen Stoff erwischt."
    Neun Jahre nach dem Einstieg in die Welt der Drogen ist seine Tochter tot. Um das Unfassbare zu verarbeiten und um anderen in ähnlichen Situationen zu helfen, engagiert sich der 63-Jährige weiter in der Selbsthilfe. Sein wichtigster Rat an alle Eltern:
    "Versuchen, immer den Dialog zu finden, sie auch nicht unter Druck setzen, sondern ganz klar auf einer Ebene mit ihnen reden und ich denke, das ist erst mal die Grundlage überhaupt, um an diese Geschichten heran zu kommen."