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Drogenbericht der Bundesregierung
Mehr Kokain, mehr Heroin und mehr Tote

Im vierten Jahr in Folge ist die Zahl der Drogentoten in Deutschland gestiegen. Die Ursachen sind vielfältig. Von einem Trend wollen Experten dennoch nicht sprechen. Rückschlüsse auf allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen seien aber möglich.

28.04.2016
    Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch (l) und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler
    BKA-Chef Münch (l.) und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mortler: Es werden wieder mehr Drogen konsumiert (picture alliance/dpa/Klaus-Dietmar Gabbert)
    1.226 Menschen starben 2015 an den Folgen von Drogenkonsum, 19 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und immer mehr nahmen zum ersten Mal sogenannte harte Drogen zu sich: Kokain, Heroin, insgesamt 20.890 Menschen, vier Prozent mehr als 2014. Einige der Zahlen, die die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, gemeinsam mit BKA-Präsident Holger Münch in Berlin in ihrer "Rauschgiftlage" für Deutschland vorstellte. 2012, noch vor vier Jahren, war die Zahl der Drogentoten in diesem jährlichen Bericht dreistellig gewesen, 944 waren es damals. Ein Zuwachs von fast einem Drittel seitdem.
    Gewachsen sind seitdem auch die Herausforderungen für die Drogenpolitik, Stichwort "Legal Highs". Badesalze und Kräutermischungen, die im Internet verkauft werden - und große Risiken bergen: Die Zahl der Menschen, die an den Folgen des Konsums dieser synthetischen Drogen starben, stieg von 25 auf 39. Die Bundesregierung will die "Legal Highs" noch in diesem Jahr verbieten, ein Gesetzentwurf lege man bereits kommende Woche vor, kündigte Mortler an. Und mahnte: Die Drogen- und Suchtpolitik dürfe trotz aller Herausforderungen nicht an Gewicht verlieren.
    Warnung vor "Dramatisierung"
    Wie lassen sich die Zahlen erklären? Lässt sich bereits von einem Trend sprechen? Braucht es neue Strategien? Experten aus dem Bereich Drogen- und Suchtpolitik relativieren. Statistiken seien nur "begrenzt aussagefähig", sagte Gabriele Bartsch, die stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, im Deutschlandfunk: Todesfälle in Folge von Drogenmissbrauch würden in den Bundesländern sehr unsystematisch erhoben werden, oft handle es sich nur um Vermutungen über die Ursachen, so Bartsch. Man könne außerdem die Jahre nicht miteinander vergleichen, ergänzte Sachsens Staatsministerin für Soziales und Verbraucher, Barbara Klepsch, in der Diskussionsrunde "Länderzeit".
    Auch Kerstin Jüngling warnt vor einer "Dramatisierung". Sehr wohl sei es wichtig, die Hinweise aus jedem einzelnen Todesfall zu beachten, betonte die Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin, beispielsweise welche Drogen konsumiert wurden: So sagt für Jüngling die wachsende Beliebtheit von Amphetaminen viel über eine Gesellschaft und ihren Umgang mit Leistungsdruck aus. Erwachsene nähmen diese leistungssteigernden Mittel zu sich - wie auch bereits Jugendliche, die dann Cannabis nähmen, um sich wieder zu beruhigen.
    Droge Nummer eins bleibt Alkohol
    Denn: Die noch vor Amphetaminen am meisten verbreitete illegale Substanz bleibt Cannabis. Immer mehr Vertreter aus Politik und Gesellschaft machen sich für die Legalisierung dieses Rauschmittels stark. Als Einstiegsdroge könne man es auch nicht mehr bezeichnen, sind sich die Experten einig. Früher sei dies so gewesen, so Gabriele Bartsch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, als Cannabis Tabak gefolgt sei. Inzwischen sei Tabak aber "out" - und Alkohol zur neuen Einstiegdroge für Jugendliche geworden, auch weil Alkohol gesellschaftlich sehr akzeptiert sei.
    Alkohol sei immer noch "Droge Nummer eins", stellte die sächsische Staatsministerin Barbara Klepsch im Deutschlandfunk klar. Das zeige schon das Verhältnis von rund 75.000 Toten durch Alkohol gegenüber 1.200 durch Drogen, so Renate Lind-Krämer, die stellvertretende Leiterin des Drogenreferates der Stadt Frankfurt am Main. Aber natürlich sei jeder Drogentote einer zuviel.
    (bor/tzi)