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Drogenpolitik
Mehr Crystal, mehr Tote, kaum Ideen

Cannabis, die alte, und Crystal, die neue Droge dürften zu den wichtigen Themen im neuen Drogen- und Suchtbericht gehören. Die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler stellt ihn am Montag in Berlin vor. 77 Kilo Crystal Meth hat das Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr sichergestellt, so viel wie noch nie. Auch die Zahl der Crystal-Konsumenten steigt.

Von Amelie Ernst | 05.07.2014
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    Mode-Droge Crystal Meth (picture alliance / dpa)
    "Sei schön, sei cool..."
    Wie im Rausch toben die sechs jungen Leute über die Bühne, sie tanzen, kämpfen, schwitzen, springen auf einem Trampolin - mal gemeinsam, aber meist allein.
    Immer schneller muss es gehen, bis der Druck irgendwann verschwindet und alles leicht und schwerelos erscheint... Bunte Pillen fallen vom Himmel.
    Die Droge Crystal Meth hat die Bühne erreicht: Am Theater der jungen Welt in Leipzig versucht Theaterpädagoge David Schönherr gemeinsam mit seinem Ensemble vor allem jugendliche Zuschauer zu erreichen. Allerdings, ohne sie erziehen zu wollen.
    "Das können wir auch gar nicht leisten, hier irgendwie präventiv zu arbeiten, oder zu sagen ‚Drogen sind gut' oder ‚Drogen sind schlecht'. Wir wollen einfach nur ein Bewusstsein dafür schaffen, dass dieses Thema gerade aktuell ist und dass man sich damit beschäftigen sollte. Das quasi an andere Menschen weitertragen, dass die denken ‚Okay: Crystal, Rausch usw. sind Themen, die unser Leben betreffen'. Und das ist auch unser Auftrag, dass wir immer solche Themen finden."
    Zahl der Konsumenten steigt
    Crystal Meth dürfte eines der wichtigen und großen Themen im neuen Drogen- und Suchtbericht sein, den die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler am Montag in Berlin vorstellen wird. 77 Kilo Crystal Meth hat das Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr sichergestellt, so viel wie noch nie. Auch die Zahl der Crystal-Konsumenten steigt: Sieben Prozent mehr registrierten die Drogenberatungsstellen im vergangenen Jahr.
    Wie viele Menschen in Deutschland an den Folgen ihrer Crystal-Abhängigkeit sterben, ist unklar - denn kaum einer kommt durch eine Überdosis zu Tode, wie es etwa bei Heroinsüchtigen häufig der Fall ist. Crystal Meth aber ist ebenfalls lebensbedrohlich - typisch sind Herzversagen und Nierenschäden, Magendurchbrüche, Selbstmordneigung, ein geschwächtes Immunsystem. Alles nicht unbedingt drogenspezifisch und daher für Ärzte nicht immer als Folge des Crystal-Konsums zu erkennen.
    Laut Statistik starben im vergangenen Jahr 1002 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums - die meisten von ihnen waren heroinabhängig. Damit stieg die Zahl der Drogenopfer erstmals wieder seit 2009. Zuletzt waren es immer etwas weniger als 1000 registrierte Drogentote pro Jahr.
    Rausch als Befreiung vom Alltag
    Im Leipziger Theater der jungen Welt waren bislang alle Vorstellungen des Stücks "Crystal - Variationen über den Rausch" ausverkauft: Oft kommen ganze Schulklassen, aber auch Sozialarbeiter und Erwachsene mit eigener Drogenerfahrung.
    "Gestern hatten wir auch einen Herrn dabei, der selber Crystal konsumiert hat und seinen Aussagen nach auch wieder davon losgekommen ist. Das ist dann natürlich immer sehr spannend zu erfahren, was haben diese Menschen alles erlebt. Er hat dann irgendwann gesagt: Sein Ausgleich heute ist das Laufen. Das heißt: Er kann sich heute über den Sport, über eine andere Bewegung in eine Art Rausch versetzen, der einen aus dem Alltag mal rauszieht. Weil das ist es ja eigentlich, der Rausch - die Befreiung vom Alltag, der Schritt aus der Normalität raus."
    Droge Crystal Meth ist nicht neu
    Die Droge Crystal Meth ist keine neue Erscheinung: Methamphetamin wird erstmals Ende des 19. Jahrhunderts hergestellt, zunächst flüssig, später auch in kristalliner Form. Seit den 30er Jahren ist es als stimmungsaufhellendes Medikament unter dem Namen Pervitin zu haben; für Frauen sogar in Pralinenform. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs erhalten hunderttausende Wehrmachtssoldaten Pervitin: Die Pillen, auch Panzerschokolade genannt, dämpfen die Angst und steigern die Konzentration. Auch nach dem Krieg bleibt Pervitin als verschreibungspflichtiges Medikament im Handel - Sportler schlucken es zur Leistungssteigerung, Hausfrauen bekämpfen damit Depressionen. Bis 1988 ist der Stimmungsaufheller Pervitin legal erhältlich.
    "Das haben viele Zuschauer uns auch beschrieben, dass sie das total gut nachvollziehen können, diesen Leistungsdruck, den man auch im Alltag hat oder im Beruf,
    Was Schauspielerin Anna-Lena Zühlke und ihre Kollegen in Leipzig auf die Bühne bringen, das kennen Kristin und Jan aus der Realität. Die beiden leben rund hundert Kilometer nordöstlich von Leipzig, in der Nähe von Finsterwalde in der Niederlausitz. Beide sind Ende zwanzig, beide waren jahrelang crystal-abhängig und versuchen nun den Entzug.
    "Also bei mir hat's angefangen mit Ecstasy, Speed, Amphetamine, LSD, Crystal - die ganze Palette durchweg eigentlich - bis auf Heroin." "Ich hab' angefangen mit Kiffen, dann habe ich Amphetamine genommen. Und dann bin ich irgendwann zum Crystal gekommen." "Zu Anfangszeiten war's wirklich nur just for fun, und später lernt man aber auch, die Drogen für sich zu nutzen. Das ist dann halt über Sachen wegzuhören, wenn man irgendwo Ärger hat. Oder halt auch Leistungssteigerung auf Arbeit und solche Sachen. Man nutzt halt die Drogen für sich aus."
    Konsum zieht sich durch alle Schichten
    Funktionieren im Job, gleichzeitig nachts Party machen, wenig Schlaf, kaum Hunger - nicht nur für die beiden Azubis verlockend.
    "Ich kenne auch viele Firmeninhaber, die's konsumieren, weil sie dem Leistungsdruck nicht mehr gewachsen sind." / „Es sind ja auch nicht nur junge Leute, sondern auch viele, die schon ein gestandenes Leben haben. Und es war auch bei uns nicht so, dass wir deswegen arbeitslos geworden sind. Ansonsten haben wir unser Leben so gemeistert. Da war auch immer der Job an erster Stelle. Und dann kam erst das Vergnügen."
    Bis vor einem Jahr schnupften die beiden täglich ungefähr ein Gramm Crystal Meth. Kostenpunkt: Zwischen 20 und 80 Euro, je nachdem, woher der Stoff kommt. Je näher an der tschechischen Grenze, desto billiger. Rauchen und Spritzen geht auch, das sei aber nicht so ihr Ding gewesen, erzählen Jan und Kristin. Doch auch vom Schnupfen hat Kristin irgendwann genug - auch beim Blick in den Spiegel.
    "Man kriegt schlechte Zähne, die körperliche Wundheilung, also dauert länger wenn Du mal eine aufgekratzte Wunde hast oder was. Das dauert ewig bis das wieder zuwächst. Das Hautbild hat auch ´nen relativ hohen Faktor: Viele Weiber sehen davon total zermanscht aus im Gesicht, weil sie sich dann auch noch ewig Pickel drücken und so'ne Sachen. Das hat sich alles so positiv für mich entwickelt, dass ich ihn halt auch dazu gedrängt habe, da doch auch den Weg zu machen."
    Therapie nicht ohne Nebenwirkungen
    Als Jan wegen seiner Drogensucht dann auch noch den Führerschein verliert, beginnt auch er eine Therapie. Nicht ohne Nebenwirkungen.
    "Ich muss bei mir sagen: Ich hab' extrem zugenommen nachdem ich mit dem Crystal aufgehört habe. Aber das gibt sich mit der Zeit, hat mein Therapeut gesagt. Ich hab kaputte Zähne, die habe ich auch schon machen lassen. Ich habe Gott sei dank keine Psychosen - das hätte auch extremer ausarten können."
    Seinen Job in einer Maschinenbaufirma verliert Jan trotzdem - oder gerade wegen der Therapie. Als sein Chef davon erfährt, kommt die Kündigung. Als Crystal-Konsument hingegen hatte Jan immer bestens funktioniert.

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    Eine Mitarbeiterin des Zollfahndungsamtes Dresden hält während der Pressekonferenz zur Vorstellung der Jahresbilanz 2011 des Zollfahndungsamtes Dresden sichergestelltes N-Methylamphetamin (umgangssprachlich abgekürzt Meth oder Crystal) in den Händen. (picture-alliance / dpa / Arno Burgl)
    In Tschechien sind die Grundstoffe frei verkäuflich
    Jedes Jahr zählen die Drogenberatungsstellen mehr Crystal-Abhängige wie Kristin und Jan: Allein in Sachsen hat sich ihre Zahl in den letzten zehn Jahren mehr als vervierfacht. Noch immer kommt der Stoff vor allem aus Laboren in Tschechien: Die Grundstoffe sind dort in Apotheken frei verkäuflich; anders als in Deutschland ist der Besitz von bis zu zwei Gramm nicht strafbar. Viele Süchtige fahren übers Wochenende selbst nach Tschechien und decken ihren Bedarf auf den Asia-Märkten direkt hinter der Grenze - genannt "Ameisenschmuggel". Auch der Handel über das Internet nimmt zu. Und wer noch mehr Geld sparen will oder muss, der folgt den Anleitungen zur Herstellung von Crystal in der eigenen Küche - die Rezepte sind nur ein paar Klicks entfernt.
    Rezepte für Crystal Meth per Mausklick
    Trotzdem fehlt bislang ein bundesweiter Plan zum Kampf gegen Crystal Meth. Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung kommt das Thema Drogenpolitik auf über 180 Seiten gar nicht vor; von "Drogen" ist nur ein einziges Mal die Rede - allerdings im Zusammenhang mit der Rockerkriminalität.
    Seit Januar dieses Jahres ist die CSU-Politikerin Marlene Mortler Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Bislang hatte sie sich vor allem mit Agrar- und Tourismuspolitik beschäftigt. Marlene Mortler kommt aus Bayern, dem Bundesland mit den meisten Drogentoten: 230 waren es im vergangenen Jahr. Ihr Wahlkreis liegt in Franken, nur rund 100 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt. Wie in anderen Grenzregionen findet Crystal Meth auch dort immer mehr Absatz. Konkrete Konzepte hat aber auch sie nicht; wie ihre Vorgängerinnen verweist sie auf die betroffenen Bundesländer.
    "Es gibt kein großes Maßnahmenpaket. Nicht, oder man kann auch sagen: noch nicht. Bisher war das Ganze eher ein regionales Thema, das heißt, die einzelnen Bundesländer waren damit fixiert und haben nach ihren eigenen Möglichkeiten, finanzieller aber auch präventiver Art, gesucht: Was passt für uns am besten, womit kommen wir am besten zurecht? Und noch mal: Es nützt nichts, jetzt zu sagen, wie schlimm das alles ist. Damit habe ich noch nichts gelöst. Sondern wirklich gezielt Maßnahmen zu identifizieren, die den Zielgruppen am besten gerecht werden."
    Konsumenten sind vor allem Schüler und berufstätige Erwachsene
    Zumindest eine Studie hat der Bund jüngst in Auftrag gegeben - und die macht sieben Zielgruppen für die Droge Crystal aus, darunter vor allem Schüler und berufstätige Erwachsene. Der Untersuchung zufolge leben viele Abhängige in ländlichen Gebieten; Crystal füllt die Leere ihres Alltags, baut Stress ab, ersetzt Freunde, macht offen und sorgt für gute Laune.
    Viele Süchtige könnten ihr Drogenproblem lange geheim halten, sagt Studienleiter Sascha Milin vom Hamburger Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung. Und das positive Feedback "Mensch, wie schaffst Du das bloß alles!" sei sogar eine zusätzliche Motivation, weiter zu konsumieren.
    "Überraschenderweise haben wir so etwas gefunden wie junge Eltern, die Crystal konsumieren. Das mögen Familien sein, die sowieso in prekären Lebenssituationen sind. Mögen aber auch einfach Familien sein, die noch relativ jung sind und die die Belastung durch den Beruf und die Elternschaft bewältigen wollen und dennoch auch noch ein jugendliches Leben führen wollen, ausgehen und abends fit sein wollen."
    "Crystal Eltern" oft überfordert
    Das Phänomen dieser "Crystal-Eltern" und speziell -Mütter, beobachten die Ärzte am Leipziger Klinikum St. Georg mit Sorge. Auf der Intensivstation für Neugeborene lägen permanent ein bis zwei Kinder von crystal-abhängigen Müttern. Und nicht immer erkennen die Ärzte das Drogenproblem auf Anhieb. Heroin- oder kokainabhängige Patientinnen seien oft in einem Entzugs- oder Methadon-Programm erfasst, erzählt Chefärztin Eva Robel-Tillig. Bei den Müttern, die Crystal Meth nehmen, sei das meistens nicht so. Deshalb erahnen die Ärzte das Problem oft erst nach der Geburt - wenn überhaupt.
    "Bei den Crystal-Kindern ist es so, dass wir froh sind wenn die Mütter sich uns outen, uns also ihren Abusus zur Kenntnis geben. Wir beobachten bei diesen Kindern, dass sie sehr ruhig, eher lethargisch sind, schlecht trinken, schlecht an Gewicht zunehmen. Und wir wissen aus Langzeitstudien, dass diese Kinder motorische Defizite bis zum dritten Lebensjahr entwickeln, und häufig eine ausgeprägte ADHS-Symptomatik, also ein Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom bis hin zur Pubertät haben, was sich dann leider auch im Erwachsenenalter, trotz Therapie, fortsetzt."
    Nur etwa jedes dritte Crystal-Kind, das die Leipziger Ärzte aus der Klinik entlassen, kann langfristig in der Familie bleiben. Oft sind die Eltern mit sich und der Situation überfordert; der Weg führt dann meistens in eine Pflegefamilie.
    "Früher war's ja nur über Tschechien, aber jetzt gibt's so viele Methoden, Crystal einfach herzustellen. Und das ist auch schon in Berlin das Crystal, im Görlitzer Park gibt's alles."
    Herstellung ist einfach
    Im Görlitzer Park gibt es alles: Der Park in Berlin-Kreuzberg ist ein mittlerweile bundesweit bekannter Drogenumschlagplatz. Mindestens zwei oder drei Dealer an jedem Eingang, meist afrikanische Flüchtlinge, und im Schnitt jeden zweiten Tag eine Razzia - für viele Spaziergänger ist die Situation eine Zumutung:
    "Man wird alle zwei Meter angesprochen, man hat teilweise auch Angst, weil man weiß ja auch nicht, was sind das für Leute. Und das ist auch einfach nicht schön, weil das ist ein Park mitten in Kreuzberg, hier sind auch viele Familien - das macht kein Spaß." "Das sind richtig Mafia-Strukturen, das habe ich auch beobachtet. Da ist ein Holer, da ist ein Rufer, da ist ein Bringer, da ist einer, der für eine Gruppe zuständig ist. Also mein Freund hat gezählt letzte Woche, hier durch: Vierzig Mal wurde er angesprochen."
    Holer - Rufer - Bringer
    Vor allem Marihuana und Haschisch, die Produkte der Cannabispflanze, werden im Görlitzer Park gehandelt und konsumiert. Cannabis ist die in Deutschland am häufigsten konsumierte illegale Droge. So wird es am Montag wohl auch wieder im Drogenbericht der Bundesbeauftragten stehen.
    Monika Herrmann (Bündnis 90 / Die Grünen), Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Kreuzberg.
    Monika Herrmann (Bündnis 90 / Die Grünen), Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Kreuzberg. (dpa / picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Seit ein paar Wochen versucht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, die Dealer im Görlitzer Park zumindest tagsüber in Schach zu halten: Zwei bis drei Mitarbeiter vom Ordnungsamt patrouillieren gemeinsam mit der Polizei durch den Park und vereiteln so das eine oder andere Geschäft. Doch das Grundproblem ist für die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann damit noch nicht gelöst. Sie plant als Konkurrenz zu den Dealern eine legale Cannabis-Abgabestelle im Görlitzer Park. Arbeitstitel: Coffeeshop.
    "Wir denken an einen ganz schlichten und nüchternen Verkaufs-Shop, wo es ausschließlich Cannabis zu kaufen gibt. Und keine gemütliche Kifferhöhle werden wird."
    Doch dass genau das passieren wird, befürchten vor allem konservative Politiker. Hier zeigt sich der uralte Streit der Drogenpolitik, was denn nun besser sei: legalisieren oder verbieten. Der Berliner CDU-Mann Kurt Wansner hält einen Coffeeshop im Görlitzer Park jedenfalls für das falsche Signal.
    "Da würde deutschlandweit ein Touristenansturm auf diesen Park sein. Das heißt, die Menschen, die da wohnen, die würden gar nicht mehr in diesen Park hineinkommen."
    Legalisierung hat Vor- und Nachteile
    Unterstützung erhält die grüne Bezirksbürgermeisterin dagegen von der Cannabis-Lobby: Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes, verweist gern auf Uruguay oder US-Bundesstaaten wie Colorado, die den Verkauf von Cannabis legalisiert oder zumindest gelockert haben. Für Staat und Konsument habe eine Legalisierung eigentlich nur Vorteile, meint Lobbyist Wurth.
    "Man kann vom Samen quasi bis zum letzten Gramm im Verkauf nachvollziehen, welche Wege das Zeug geht. Und entsprechend natürlich auch Steuern darauf nehmen – das ist auch ein wichtiger Aspekt. Und der Shop selbst, der müsste dann die Ware erst mal deklarieren, oder auch der Großhandel, dass man weiß, welche Sorte ist das, wie hoch ist der THC-Gehalt und der CBD-Gehalt, was auch noch wichtig ist. Dass es eben frei von Streckmitteln und anderen Zusätzen ist."
    Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, kann sich sogar die kontrollierte Freigabe aller Drogen vorstellen; die Illegalisierung durch die Politik habe weder die Zahl der Drogentoten gesenkt noch die Drogenmafia entscheidend geschwächt. Außerdem müssten alle Bundesländer endlich Drogenkonsumräume einrichten, so die Linke - bisher haben das erst sechs Bundesländer getan.
    Marlene Mortler, die Bundesdrogenbeauftragte, hält davon nichts. In Hamburg, wo es bereits Drogenkonsumräume gibt, sei die Zahl der Drogentoten im vergangenen Jahr sogar gestiegen. Und schon gar nicht, meint die CSU-Politikerin, erledige sich das Suchtproblem von selbst, sobald eine Droge legalisiert werde. In dem Punkt sind sich Union und Sozialdemokraten in der Regierungskoalition einig:
    Wirtschaftliche Interessen sprechen für Legalisierung der Droge
    "Das ist einfach ein Trugschluss: Wenn Cannabis legalisiert wird, dann ist es ja nicht weg. Im Gegenteil: Dann ess' ich's ja - jetzt mal übertrieben - wie Brot. Und dann habe ich am Ende noch mehr Probleme. Und Sie müssen immer wissen: Diejenigen, die über Legalisierung sprechen, die haben teilweise auch noch ganz was anderes im Hinterkopf - nämlich: Wie kann ich damit viel Geld verdienen. Wenn ich nach Uruguay schaue, wenn ich in andere Länder schaue, die den Versuch jetzt mal gewagt haben, dann muss ich auch wissen, dass hier massive wirtschaftliche Interessen auf der anderen Seite dahinter stehen."
    Nach wie vor ist Afghanistan der bedeutendste Opiumproduzent und Heroinlieferant für den europäischen Markt. Die Anbaufläche wuchs dort allein im vergangenen Jahr um rund ein Drittel. Kokain kommt vor allem auf dem Seeweg aus Südamerika nach Deutschland. Doch nur einen Bruchteil entdeckt der Zoll in den gut getarnten Containern im Hamburger Hafen; nicht selten spielt der Zufall eine Rolle, wie jüngst bei den Bananenkisten voller Kokain, die erst im Supermarkt auffielen.
    Auch der Drogenhandel im Internet bereitet den Ermittlern zunehmend Sorgen: Gekauft wird auf illegalen Seiten im sogenannten "Darknet", geliefert ganz regulär mit dem Paketdienst. Dahinter steckten illegale Dealer-Strukturen. Und die ließen sich auch durch eine Legalisierung der Drogen nicht zerschlagen - sagt Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamtes:
    "Ich glaube nicht, dass durch eine Legalisierung die organisierte Kriminalität wirklich getroffen wird. Es wird nach wie vor immer Grenzen geben müssen. Das heißt, es wird irgendwo eine Grenze geben müssen, wer sich womit strafbar macht."
    Für einen Coffeeshop im Görlitzer Park müsste zunächst das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte grünes Licht geben. Und der schwarz-rot-dominierte Bundestag müsste das Betäubungsmittelgesetz ändern oder neu auslegen - beides ist im Moment äußerst unwahrscheinlich.
    "Sei schön, sei cool..."
    Cannabis, die alte, und Crystal, die neue Droge - beide werden im kommenden Suchtbericht im Fokus stehen. Vielleicht flammen dann alte Debatten rund um Legalisierung und Prävention neu auf. Die Motive für den Konsum aber bleiben die gleichen.