Mittwoch, 24. April 2024

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Drohen ohne anzugreifen

Der Politologe Gebhard Schweigler erwartet auf absehbare Zeit keinen Militärschlag der USA gegen den Iran. "Das Weiße Haus mag dazu bereit sein, aber die Nation insgesamt im Augenblick sicherlich nicht", sagte Schweigler, der am National War College in Washington lehrt. Angesichts der Schwierigkeiten im Irak würde sich seiner Einschätzung nach auch das Militär gegen einen Iran-Krieg aussprechen.

Moderation: Stefan Heinlein | 02.08.2007
    Stefan Heinlein: Der Sturz von Diktator Saddam Hussein, Freiheit und Demokratie im Irak als Vorbild für alle arabischen Staaten in der Region, so die Vision von George Bush zu Beginn seiner Amtszeit. Davon ist nicht viel übrig geblieben. Nach dem gescheiterten Irak-Experiment kehrt die US-Regierung zurück zu den Wurzeln ihrer Nahost-Politik. Mit milliardenschweren Waffenlieferungen sollen die verbündeten arabischen Regime aufgerüstet werden als Bollwerk gegen die Feinde der Demokratie. Im Blick vor allem der Iran: Der zunehmende Einfluss Teherans soll mit militärischen Mitteln eingedämmt werden, so die klare Aussage von US-Außenministerin Rice im Verlauf ihrer Nahost-Reise.

    Über diesen Wechsel der US-Strategie am Golf habe ich heute Morgen bereits mit Professor Gebhard Schweigler vom National War College in Washington gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob wir derzeit die Vorboten eines Kalten Kriegs am Golf erleben.

    Gebhard Schweigler: Die Abschreckung ist natürlich mit dem Kalten Krieg nicht zu Ende gegangen, sondern dort, wo Abschreckung gefordert ist und notwendig bleibt, wird sie auch weiterhin zur Anwendung kommen. Mit Blick auf Iran gilt das natürlich insbesondere dann, falls der Iran Nuklearwaffen erwerben sollte oder sich selbst beschaffen sollte. Dann würde der Iran natürlich selbstverständlich in ein Abschreckungssystem eingebaut werden. Die Waffenlieferungen, um die es hier geht, sind wohl eher ein Zugeständnis an sehr wackelige Verbündete, die es gilt, bei der Stange zu halten, denn als Abschreckungsgeste gegenüber dem Iran zu denken. Denn, ehrlich gesagt, die Golfanrainerstaaten, vor allen Dingen auch Saudi-Arabien, wissen wohl mit dem Gerät, das ihnen da geliefert werden würde, nicht sehr viel anzufangen.

    Heinlein: Ist dies aber auch insgesamt ein Eingeständnis, diese Hochrüstungspolitik, dass die Bush-Vision von der Demokratisierung der Arabischen Welt gescheitert ist?

    Schweigler: Nun, dieses Eingeständnis ist, wie Sie schon angedeutet haben, ja schon eigentlich länger erfolgt. Rhetorisch bleibt die Bush-Administration bei dieser Linie, aber de facto auch mit, gerade mit Bezug auf Irak ist man davon eigentlich schon längst abgekommen. Man wäre zufrieden, wenn man im Irak einigermaßen stabile Verhältnisse schaffen könnte und wenn man damit die Region insgesamt einigermaßen stabil erhalten könnte. Zu dieser Stabilität gehört dann eben auch, dass in Saudi-Arabien keine Veränderungen stattfinden, wo ja nun wirklich kein demokratisches Regime herrscht, und auch in den anderen Ländern, Ägypten, Syrien zum Beispiel, ebenfalls keine Veränderungen eintreten. In dem Sinne ist man tatsächlich von dieser großen Vision einer Umkrempelung der gesamten Region nach demokratischem Muster, ausgehend von einem erfolgreichen Einsatz im Irak, längst abgekommen.

    Heinlein: Sie haben in Ihrer ersten Antwort, Herr Professor Schweigler, bereits den Iran erwähnt. Warum rückt Teheran gegenwärtig derart in den Fokus der amerikanischen Außenpolitik? Laut Condoleezza Rice ist der Iran ja die größte Herausforderung für die amerikanischen Interessen.

    Schweigler: Das liegt einmal an den Bemühungen der Iraner, sich nukleare Waffen zu beschaffen. Das ist sicherlich das eine große Thema. Das andere große Thema ist natürlich die Verwicklung des Iran im Irak-Krieg selbst, wo amerikanische Hinweise ständig erfolgen, dass zum Beispiel Teheran terroristische Gruppen, aufständische Gruppen im Irak unterstützt, die direkt gegen amerikanische Truppen vorgehen. Das gilt aber auch deshalb, weil natürlich die Schiiten im Irak nun mit demokratischen Wahlen die Mehrheit gewonnen haben, ein möglicherweise schiitisches Irak weiterhin dort bestimmend sein wird. Und dies mögen natürlich die arabischen Sunni-Staaten nicht, hier vor allem Saudi-Arabien und die Golfanrainerstaaten, die deshalb, wie erwähnt, sozusagen bei der Stange gehalten werden müssen und etwas besänftigt werden müssen, indem man ihnen anderweitig entgegenkommt und ihnen vor allem in Aussicht stellt, gegen eine schiitische Front, die dann den Irak miteinbeziehen würde, gemeinsame Sache zu machen.

    Heinlein: Wie erfolgversprechend ist denn diese neue Strategie? Wird sich der iranische Präsident Ahmadinedschad einschüchtern lassen durch diese Waffengeschäfte in die Nachbarstaaten?

    Schweigler: Das ist zu bezweifeln. Wie gesagt, die Iraner wissen wohl selbst, wie wenig zuverlässig Einheiten, Militärs in diesen Staaten sind, wo es ja immer darum geht, die Militärs möglichst so schwach zu halten, dass sie die führenden Königshäuser nicht stürzen können, aber andererseits so stark zu halten, dass sie möglicherweise einen Angriff vom Iran abwehren könnten. Aber darum geht es wie gesagt im Augenblick nicht. Für die Amerikaner ist dabei sicherlich auch ein wichtiger Grund, da, wie gesagt, die Saudis zum Beispiel mit diesen Waffen wenig anfangen können, selbst vor Ort präsent zu bleiben, weil sie dann natürlich diese Geräte zum Teil selbst bedienen müssen beziehungsweise die Berater dafür stellen. Auch das mag Teil, mit Teil dieser Strategie sein.

    Wichtig wäre dabei noch, um auf Ihre Frage einzugehen, kurz zu erwähnen, dass dies alles natürlich davon abhängt, dass erstens der Präsident wiedergewählt wird oder zumindest ein republikanischer Präsident wiedergewählt wird und zweitens der Kongress diesen Waffenlieferungen zustimmt. Und beides ist äußerst zweifelhaft.

    Heinlein: Sie sagen, die Saudis könnten mit diesen Waffen wahrscheinlich wenig anfangen. Dennoch, Condoleezza Rice hat gesagt, Saudi-Arabien werde diese Waffen in den kommenden zehn Jahren brauchen. Heißt das vielleicht auch, es gibt Krieg gegen Teheran, gegen den Iran?

    Schweigler: Na ja, das ist nach wie vor schwer vorstellbar. Allein aus rein militärischen Gründen den Iran zu besetzen, irgendwie militärisch zu unterwerfen, ist zumal nach den Erfahrungen im Irak eigentlich undenkbar. Wenn überhaupt die Aussage einigermaßen richtig sein soll, dann nur in dem Sinne, dass man, und damit komme ich wieder auf Ihre Eingangsfrage zurück, den Golfanrainerstaaten und Saudi-Arabien die Möglichkeit geben will, eine Drohkulisse, eben eine Abschreckungskulisse, aufzubauen gegen einen möglichen Angriff von Seiten Irans, der aber nach meiner Einschätzung eben auch nicht bevorsteht.

    Heinlein: Ist denn das Weiße Haus grundsätzlich bereit, auch mit militärischen Mitteln gegen den Iran vorzugehen?

    Schweigler: Das Weiße Haus mag dazu bereit sein, aber die Nation insgesamt im Augenblick sicherlich nicht. Denn, wie gesagt, es ist nicht sehr leicht vorstellbar, dass zum Beispiel der Kongress dazu seine Zustimmung geben würde. Es ist auch im Augenblick militärisch kaum zu sehen, dass die amerikanischen Militärs in der Lage wären mit den Schwierigkeiten, die sie im Irak haben, nun zusätzlich noch Kampfeinsätze gegen den Iran zu führen. Das wissen die Militärs eigentlich am besten. Und von denen wäre in diesem Fall auch erheblicher Widerstand zu erwarten.

    Heinlein: Der Kongress ist skeptisch, sagen Sie. Auch hier in Europa werden diese Waffenlieferungen sehr, sehr kritisch bewertet. Werden denn in den USA diese Warnungen der NATO-Verbündeten vor einer Destabilisierung der Region in Washington überhaupt wahrgenommen?

    Schweigler: Sie werden in dem Sinne wahrgenommen, dass Washington natürlich überhaupt kein Interesse an einer Destabilisierung der Region hat. Die amerikanische Strategie mit diesen Waffenlieferungen zielt eben darauf, die Region zu stabilisieren. Worüber man sich streitet, ist, ob das die richtigen Mittel sind, die Region zu stabilisieren, erstens, und zweitens ob die Stabilisierung der Region, was im Endeffekt eben auf einen Erhalt von undemokratischen Regierungen hinausläuft, ob das die richtige Strategie langfristig ist, um die Region stabil zu halten.

    Heinlein: Ist man sich denn in Washington des Risikos bewusst, dass das ohnehin angeschlagene Image der USA in den arabischen Staaten durch diese Waffenlieferungen neuerlich ruiniert wird, vielleicht gänzlich ruiniert wird, zumal ja der Löwenanteil dieser Waffenhilfe, 30 Milliarden US-Dollar, an Israel geht?

    Schweigler: Nun, Israel erhält diese Waffenhilfe schon seit Jahr und Tag, ebenso wie in etwas geringerem Umfang Ägypten. Das ist nur eine Fortsetzung von Hilfslieferungen, die seit dem Jom-Kippur-Krieg, von Abschluss des Jom-Kippur-Krieges von 1973/74 laufen. Das Ansehen der USA, das weiß man hier sehr wohl, ist in der ganzen Welt schlecht und im Mittleren Osten sicherlich auch. Da gibt es im Grunde keine neue Überlegung zu führen. Ein Aspekt, weil Sie Israel ansprechen, hat natürlich auch damit zu tun, dass die Amerikaner versuchen, insbesondere Saudi-Arabien erneut in einen israelisch-palästinensischen Friedensprozess einzubinden. Man wird wohl im Herbst eine Konferenz abhalten, zu der Saudi-Arabien eingeladen ist, wo man hofft, dass die Saudis erstmals seit 1991 wieder mit den Israelis direkten Kontakt aufnehmen. Man hofft damit den Friedensprozess weiter voranzutreiben. Vielleicht sind die für Saudi-Arabien zumindest in Aussicht gestellten Waffenlieferungen auch Teil des Preises, der dafür von amerikanischer Seite zu zahlen ist.