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Drohnen-Technik
Die NATO-Aufklärung startet in Bayern

Einem "Spiegel"-Bericht zufolge will die Bundesregierung noch in diesem Jahr über die Anschaffung von Kampfdrohnen entscheiden. In der bayerischen Provinz gibt es ebenfalls einen Hersteller, dessen Drohnen seit Jahren schon in Afghanistan im Einsatz sind.

Von Sven Ahnert | 21.03.2014
    Einsatz der Drohne "Luna" von EMT im Bundeswehrlager in Kundus im Jahr 2010. Zwei Soldaten arbeiten an der Drohne, die auf einer Abschussrampe steht.
    Im Bundeswehrlager im afghanischen Kundus hat die Bundeswehr die Drohne "Luna" von EMT eingesetzt (picture alliance / dpa / Bettina Grachtrup)
    "Die Zugspitze ist tatsächlich vom Büro aus zu sehen, wenn die Witterungslage es erlaubt. Wir arbeiten da, wo andere immer Urlaub machen." Sascha Lange, verantwortlich für Marktanalyse und Geschäftsentwicklung beim Drohnen-Produzenten EMT im oberbayrischen Iffeldorf, blinzelt Richtung Alpen. Wenig deutet darauf hin, dass hier militärische Aufklärungsdrohnen für die Bundeswehr und Kunden aus Europa, dem Nahen Osten und Fernost gebaut werden. Drohnen – das ist übrigens ein Reizwort für Sascha Lange:
    "Drohnen ist ein sehr alter, tradierter Begriff, der der Wirklichkeit der Mikroelektronik und des Datenlinks nicht mehr entspricht; Wir bevorzugen den Begriff 'Unbemannte Luftfahrzeugsysteme'."
    Der Begriff Drohne wurde seit Bekanntwerden des geheimen Drohnenkrieges der CIA zum Synonym für einen schmutzigen Krieg. EMT bewegt sich daher auf einem schmalen Grat, da die Firma gezielte Tötungen mit Kampfdrohnen verurteilt, den Einsatz unbemannter Aufklärer und Nachrichtendrohnen aber als legitim ansieht.
    Aufklärungsflieger für ISAF-Truppen
    Bekannt ist EMT für Luna,das ist die poetisch anmutende Abkürzung für das profane Fachchinesisch 'Luftgestützte unbemannte Nahaufklärungs-Ausstattung'. Äußerlich ähnelt Luna einem kleineren Motorsegler, der mithilfe eines Katapultes gestartet wird und im Automatikmodus rund 100 Kilometer weit fliegen kann. Bis zu dreißig Stück pro Jahr baut EMT von diesem Militäraufklärer, der seit 2003 für die ISAF-Truppen in Afghanistan im Einsatz ist. Mit Luna werden, wie es im Militärjargon heißt, bewegliche Bodenziele geortet und identifiziert. Auch wenn EMT vom Geschäft mit der Bundeswehr profitiert, windet sich Sascha Lange beim Begriff Rüstungslieferant und empfiehlt einen unverdächtigen Branchenbegriff:
    "Im englischen Fachterminus würde man uns eher als Force Multiplier bezeichnen. Von daher sehen wir uns schon im Bereich der militärischen Nutzung, aber im Bereich Aufklärung."
    EMT, das Kürzel steht für elektro-mechanische Technologien, wurde 1978 vom Diplomingenieur Hartmut Euer gegründet und beschäftigt derzeit knapp 180 Mitarbeiter. In der Zeit des Kalten Krieges produzierte EMT Zielschleppflugzeuge, die Jetpiloten zum Schießtraining dienten. Mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr im Kosovo und später dann in Afghanistan kam der Aufschwung.
    "Wir sind international in Europa in unserem Segment der Luftfahrzeuge bis zu einer Startmasse von 150 kg Marktführer."
    EMT will auch im zivilen Bereich expandieren
    Bekannt ist EMT hauptsächlich für zwei Produkte, die Kleindrohne 'Luna' und die vier Kilo leichte Minidrohne 'Aladin', die einen Radius von gut 15 Kilometern abfliegen kann und ebenfalls bei der Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz ist. Von der Luna-Drohne hat die Bundeswehr ca. 36 Stück im Einsatz. EMT will zukünftig nicht nur auf die militärische Karte setzen und plant, auch im zivilen Sektor zu expandieren. Ein Markt, der einem strengen Reglement unterliegt. Für Ideen wie die Paket- oder Pizza-Drohne hat man bei EMT nur ein müdes Lächeln übrig. EMT testet seine Drohnen in einem speziell eingerichteten Sperrgebiet unweit der Firmenzentrale im Städtchen Penzberg:
    "Wir haben die Möglichkeit, unsere Luftfahrzeuge zur Abnahme in einem speziell gesperrten Luftraum auch fliegen zu lassen. Das ist eine große Erleichterung, da normalerweise für jeden Flug ein Luftraum gesperrt werden müsste."
    Der Umsatz von EMT liegt im mittleren zweistelligen Millionenbereich, genaue Zahlen gibt es nicht. Geliefert wird auch außerhalb Europas, zum Beispiel in nach Saudi-Arabien und nach Pakistan. Unumstritten sind gerade die Geschäfte mit diesen Staaten nicht; aber die Firma verweist darauf, dass sie nach den Exportrichtlinien der Bundeswehr handelt. Im weiträumigen unterirdischen Lager der bayrischen Firma sind über 6000 verschieden teils hochempfindliche Bauteile, inventarisiert, die am Ende das System Luna ergeben. Drohnenbau ist auch eine komplexe Puzzleaufgabe.
    Drohnen für Forstwirtschaft und Polizei
    "Wir schreiben die Software und bauen die Sensoren selber, und alles wird dann auch noch in ein funktionierendes Gesamtsystem integriert. Wir haben eine hohe Systemkomplexität, die wir als mittelständisches Unternehmen bewältigen müssen und können."
    Wenn es um die Stellung am Weltmarkt für kleine und mittlere Aufklärungsdrohnen geht, ist EMT stolz darauf, ein Lead System Integrator zu sein, der Flugzeugbau, Überwachungs- und Kommunikationstechnologie aus einem Guss liefern kann. Die Firma aus Bayern rückt langsam, aber stetig in die Nähe der Konkurrenz aus Israel und den USA. Auf die Bundeswehr kann EMT bauen, aber nicht für die Ewigkeit.
    Für die Zukunft werden verstärkt andere Nutzungen für die Drohnen angepeilt, zum Beispiel als fliegende Augen für den Katastrophenschutz, die Landespolizei und Forstwirtschaft. Die Minidrohnen 'Fancopter' und 'Aladin' sind bereits u. a. für die Landespolizei in Sachsen im Einsatz und verfolgen Verkehrsströme und Unfälle aus der Luft. Wichtig für EMT wäre eine einheitliche Regelung des europäischen Luftraums für bemannte und unbemannte Flugzeuge, damit der noch junge Markt für zivil genutzte Drohnen an Fahrt aufnehmen kann.