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Droht das Ende der politischen Talkshows in Italien?

Polit-Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Italiens drohen neue Schikanen. Themen, die gelaufen sind, dürfen nicht mehr innerhalb der nächsten acht Tage von einer anderen Talkshow der RAI behandelt werden.

Von Thomas Migge | 18.02.2011
    Es wird gestritten. Meistens heftig, wenn Silvio Berlusconi thematisiert wird. Wie gestern Abend in der politischen Talkshow "Annozero" im zweiten Kanal der öffentlich-rechtlichen RAI. Studiogäste von rechts bis links diskutierten über Berlusconis Verhältnis zu den Frauen, vor allem zu den käuflichen Signorine. Es ging hoch her, denn Abgeordnete der "Partei der Freiheit" des Regierungschefs verteidigten diesen gegen die, wie es hieß, "kommunistischen Angriffe".

    Bald schon, wahrscheinlich in den nächsten Tagen, werden neue Regeln innerhalb der RAI-Realität, die so erfolgreiche Talkshows wie "Annozero" betreffen. Dann darf das Thema Berlusconi und die Frauen, um bei diesem Beispiel zu bleiben, nicht mehr innerhalb der nächsten acht Tage von einer anderen Talkshow der RAI behandelt werden. Erst nach Ablauf dieser Frist darf dieses spezifische Thema wieder diskutiert werden.

    Ein Unding, schimpfte Corrado Augius, Doyen des italienischen Fernsehjournalismus und Direktor der Talkshow "Diario Italiano", im dritten Kanal, in diesen Tagen zu Beginn seiner Sendung:

    "Das ist ohne Beispiel in ganz Europa. Man scheint Angst zu haben, dass unsere Sendungen jene Illusionen zerstören, die von anderen, den politisch Mächtigen, als Wahrheiten verkauft werden. Die Meinungsfreiheit ist eine der wichtigste Regeln der Demokratie."

    Mauro Masi ist Generaldirektor der RAI. Ein Mann von Berlusconis Gnaden. Masi scheint die politischen Talkshows seiner drei Kanäle an die Kandare nehmen zu wollen. Mit neuen Regeln, die Masi mit dem Hinweis auf die, Zitat, "Pflicht der politischen Ausgeglichenheit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens" begründet.
    Abgesehen von der Vorgabe, dass ein in einer Sendung behandeltes Thema von den anderen Talkshows erst wieder nach acht Tagen aufgegriffen werden darf, sollen zukünftig jeweils zwei Talkmaster moderieren. Mit dieser Entscheidung will man die, wie es heißt, politische Einseitigkeit gewisser Sendungen vermeiden. Dieser zweite Talkmaster soll politisch das Gegenstück zum bisherigen Moderator sein.

    Die Direktoren der drei RAI-Fernsehkanäle haben also die Aufgabe, das Format ihrer Sendungen, in denen zu politischen Themen diskutiert wird, zu erneuern. Das bedeutet nichts anderes, klagen die Betroffenen in ihren Sendungen, als das aus der bisherigen Sendeformate. Erfolgreiche Sendeformate, denn Talkshows wie "Annozero" erreichen Einschaltquoten wie wichtige Fußballspiele. Anstatt sich also über solche Einschaltquoten zu freuen, die ja auch zu hohen Werbeeinnahmen führen, klagt Gad Lerner, der auf RAI 3 die Talkshow "L'infedele" moderiert, wolle man solche Sendungen kaputtmachen:
    "Das sind die typischen Reaktionen eines rückwärtsgewandten Italiens, dass alle Kritiker wie mich als Anti-Italiener bezeichnet. Nur unsere Sichtweise, die eines freien und kritischen Dialogs, gibt uns die Hoffnung auf eine bessere Zukunft."

    Die neuen Regeln des RAI-Generaldirektors enthalten auch das kuriose Verbot, Videos mit Politikern auszustrahlen. Ein Verbot, das vor allem die Sendung "Annozero" betrifft, die zahlreiche solcher Videos zeigt. Der Opposition zufolge handelt es hierbei um ein "Santoro-Verbot", liegt dieser Talkmaster dem Regierungschef wegen seines zur rhetorischer Aggressivität neigenden Stils besonders im Magen.

    Paolo Garimberti, Präsident der RAI, äußerte sich kritisch über die neuen Regeln des Generaldirektors. Kein Wunder, arbeitete Garimberto doch früher für die regierungskritische Tageszeitung "la Repubblica". Bleibt abzuwarten, ob der Präsident mehr zu sagen haben wird als der Generaldirektor, dessen Weisungsbefugnisse für Sendeformate theoretisch unantastbar sind. Die betroffenen Talkmaster erklärten bereits, dass sie die neuen Regeln nicht akzeptieren werden. Protest ist angesagt und, wenn die Regen Realität werden, offener Widerstand.