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Drohungen ins Leere

Die Organisation RAI ist die italienische Entsprechung der deutschen Gebühreneinzugszentrale (GEZ). Landet eine Zahlungsaufforderung in den Briefkästen der Italiener, wandert diese meist ungeöffnet in den Müll. Offenbar wollen sie einfach nicht für öffentlich-rechtliches Fernsehen zahlen.

Von Thomas Migge | 07.05.2011
    "Wer zahlt denn noch Fernsehgebühren?"

    Fernseh- und Bühnenschauspieler, bekannte Regisseure und spannende Locations: die alljährlichen Werbespots der RAI sind kleine Filmprodukte, die überraschen, die witzig sein und unterhalten sollen. Die aber vor allem die Italiener davon überzeugen sollen, bis spätestens 31. Januar eines jeden Jahres ihre Fernsehgebühren zu zahlen. Das sind für dieses Jahr 110,50 Euro.

    Überzeugungsarbeit tut Not in Sachen RAI-Gebühren. Immer mehr Italiener sind nämlich nicht mehr dazu bereit, für das Staatsfernsehen Geld auszugeben. Aus verschiedenen Gründen.

    Mario Malatesta ist Zeitungshändler in Rom und prinzipiell gegen Fernsehgebühren:

    "Das ist doch eine richtig gute Nachricht, denn warum sollen wir Bürger diese Steuer zahlen? Ich jedenfalls zahle sie seit Jahren nicht, weil meiner Meinung nach das Fernsehen gratis sein muss. Auch in diesem Jahr habe ich natürlich nichts überwiesen!"

    Carla Collicelli ist Hausfrau. Sie sieht nicht ein, warum sie für das Staatsfernsehen zahlen muss, während die Privaten doch umsonst sind:

    "Die Fernsehgebühren: das ist eines der Probleme unseres Alltags. Ich sehe nicht ein, warum ich für die RAI so viel Geld überweisen muss. Die Privaten sind heute doch so präsent wie die staatlichen Sender. Die RAI muss sich deshalb der Idee des Gratis-Fernsehens anschließen, um die Konkurrenz auf dem Medienmarkt zwischen RAI und Berlusconis Mediaset nicht zu beeinträchtigen."

    Eine andere Gruppe von Italienern zahlt deshalb keine Fernsehgebühren, weil sie mit den Programmen der RAI nicht mehr glücklich werden. Dazu Bruno de Martini, Lehrer in Rom:

    "Die RAI macht schlechte Programme. Sie bietet immer öfter Sendungen wie man sie auch bei den Privaten sehen kann. Dabei hat die RAI vor allem einen Bildungsauftrag: sie muss ein informatives und hintergründiges Programm bieten. Das tut sie nicht und deshalb verstehe ich es, dass immer mehr Italiener die Gebühren nicht mehr zahlen wollen. Die Fernsehgebühren gehören abgeschafft!"

    Die jüngst von der RAI ermittelten Zahlen sprechen für sich: Je weiter man in Italiens Süden vorrückt, umso seltener trifft man auf Fernsehzuschauer, die die Gebühren zahlen. Auf Sardinien wird diese Steuer von rund 30 Prozent aller Zuschauer nicht überwiesen. Auf Sizilien sind es 42 Prozent und in Kampanien mit der Großstadt Neapel sind es stolze 55 Prozent. Mit dramatischen Folgen für die Finanzen der RAI. Inzwischen gehen der RAI auf diese Weise Einnahmen in Höhe von durchschnittlich 500 Millionen Euro im Jahr verloren. Gleichzeitig verzeichnet das Staatsunternehmen immer größere Einbussen in Sachen Werbeeinnahmen: die fließen vor allem zu Berlusconis Unternehmen Mediaset. Um mehr Werbung anzulocken, bieten deshalb die Programmmacher der RAI immer öfter Sendungen, die große Einschaltquoten garantieren: Shows, Big Brother etc. Doch mit diesem Denken beißt die Katze sich in den Schwanz, meint der für die RAI arbeitende Journalist Marco Travaglio:

    "Ich will hier nicht entscheiden, ob es richtig und falsch ist, dass die RAI sich programmmäßig den Privaten anpasst. Fakt ist aber, dass bei immer ähnlicher werden Programmen zwischen RAI und Mediaset die Zuschauer nicht mehr einsehen, warum sie für die RAI Gebühren zahlen sollen. So hinkt die RAI der Mediaset hinterher und Berlusconis Sender machen große Gewinne."

    Travaglio und andere Journalisten der RAI planen deshalb einen Streik. Sie wollen, dass das gesamte journalistische Personal der öffentlich rechtlichen für einen Tag die Arbeit niederlegt - um auf diese Weise gegen zwei Übel zu demonstrieren: zum einen gegen die Steuerhinterziehung in Sachen Fernsehgebühren und zum anderen gegen die programmatische Anbiederung der RAI an die Privaten. Eine Anbiederung, die vor allem Regierungschef und Medienzar Berlusconi zugute kommt – ist es doch sein erklärtes Ziel, die Finanzkrise der RAI dazu zu nutzen, um einem radikalen Umbau des Staatsfernsehens in die Wege zu leiten: die RAI soll danach zu einem gebührenpflichtigen Infofernsehen reduziert werden. So kann sein Medienunternehmen mit populären Programmen den großen Reibach machen.