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Drosselung der Ölfördermenge
"Eine folgerichtige Entscheidung der Opec"

Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) stehe mittlerweile mit dem Rücken zur Wand, sagte die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert im DLF. Wenn ihre Vetreter nicht dauerhaft niedrige Preise akzeptieren wollten, seien sie dazu verpflichtet, das Öl-Angebot zu reduzieren. Zudem müssten sie zeigen, dass die Opec als Organisation noch eine Legitimation habe.

Claudia Kemfert im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 29.09.2016
    Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
    Letztendlich seien es fast alle OPEC-Staaten, die sehr viel Öl produzieren, maximal produzieren, sagte Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im DLF. (dpa/picture-alliance/Bernd Wüstneck)
    Dirk-Oliver Heckmann: Lange Zeit hatte sich die OPEC ja nicht darauf einigen können, die Produktion herunterzufahren. Was hat jetzt den Ausschlag gegeben? Das habe ich vor der Sendung Professor Claudia Kemfert gefragt. Sie ist die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
    Claudia Kemfert: Ich denke, die OPEC steht wirklich mittlerweile mit dem Rücken zur Wand, denn viele OPEC-Staaten haben erhebliche wirtschaftliche Probleme, ausgelöst durch den sehr niedrigen Ölpreis, der zu erheblichen Einnahmeverlusten geführt hat und immer noch führt, sodass man sich hier jetzt auch bewusst wird, dass man etwas tun muss. Die OPEC hat auch in den letzten anderthalb Jahren wirklich sehr viel Öl produziert, weil jedes Land möglichst maximale Produktionsmengen anbieten will. Das kann natürlich nicht so weitergehen und da hat man sich offensichtlich besonnen und hofft auf höhere Preise.
    Heckmann: Das heißt, selbst das reiche Saudi-Arabien hat die Auswirkungen des billigen Öls zu spüren bekommen?
    Kemfert: Richtig. Selbst das reiche Saudi-Arabien bekommt es mittlerweile zu spüren. Dort hat man auch erhebliche Schwierigkeiten mittlerweile. Und viele OPEC-Staaten, sei es zum Beispiel auch Venezuela, aber auch viele im arabischen Raum, haben mittlerweile so große Probleme, dass man sich dort offensichtlich genötigt sieht, letztendlich etwas zu tun, und hofft, dass der Markt das auch so akzeptiert und die Preise etwas nach oben gehen.
    "Letztendlich sind es fast alle OPEC-Staaten, die sehr viel Öl produzieren"
    Heckmann: Iran will ja nach der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen seine Wirtschaft wieder in Schwung bringen und dafür kräftig Öl weiter auch fördern, und Saudi-Arabien war ja immer gegen Ausnahmen für Teheran. Dieser Druck, diese Schwierigkeiten, von denen Sie gerade gesprochen haben, die haben dazu geführt, dass die beiden Erzrivalen sich sogar verständigen konnten.
    Kemfert: Offenbar konnte man sich jetzt etwas verständigen. Aber es ist auch nicht nur der Iran, der jetzt mit Sicherheit etwas mehr produzieren wird, unabhängig davon, was man beschlossen hat. Es ist auch Irak, die produzieren auch sehr, sehr viel Öl. Letztendlich sind es fast alle OPEC-Staaten, die sehr viel Öl produzieren, maximal produzieren. Russland produziert auch noch mal sehr viel und die Amerikaner trotz teurem Fracking und niedrigem Ölpreis auch noch immer. Einige produzieren große Mengen und das in der Summe führt zu diesem großen Überangebot, und genau daraus will man jetzt ein bisschen herauskommen.
    Heckmann: Jetzt ist ja noch nicht festgelegt, Frau Kemfert, welche Länder wieviel einsparen müssen. Gehen Sie denn davon aus, dass man sich darauf wird einigen können, dass diese Drosselung tatsächlich vollzogen wird?
    Kemfert: Ich denke, wenn man es so ankündigt und auch deutlich macht, dass man hier eine Einigung erzielt hat, wenn das eintreten sollte, dass das wieder nicht funktioniert, wird es die OPEC auch so gar nicht mehr geben. Sie hat ja ohnehin an Macht erheblich verloren und hat überhaupt nicht mehr den Einfluss, den sie früher mal hatte. Wenn es jetzt noch so ist, dass man sich trotz der ganzen Schwierigkeiten noch nicht mal auf diese Mengen einigen kann, dann ist die OPEC tatsächlich Geschichte. Dann gibt es das einfach nicht mehr. Dann muss man einfach in der Zukunft von Einzelstaaten ausgehen, die in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr spielen.
    "OPEC hat immer versucht, in der Vergangenheit die Ölpreise zu beeinflussen"
    Heckmann: Welche Folgen hätte das?
    Kemfert: Die Folge ist ja die, dass die OPEC immer versucht hat, in der Vergangenheit die Ölpreise zu beeinflussen, dass man da auch einen gewissen Spielraum hat, um Preise bewegen zu können. Das hat ja ohnehin in der Vergangenheit nicht mehr so gut funktioniert, weil der Anteil der OPEC ja auch immer weiter gesunken ist. Und dadurch, dass man so zerstritten war und ganz unterschiedliche Interessen hatte, war es ja gar nicht mehr möglich, dass man hier diesen Einfluss konnte geltend machen. Das will man jetzt wieder ändern. Und wenn man dann diesen Gesichtsverlust hätte und die haben sich dann wieder nicht geeinigt, dann macht die OPEC auch gar keinen Sinn mehr.
    Heckmann: Andere Erdöl produzierende Länder wie Russland - haben Sie ja gerade eben schon angesprochen -, die sollen jetzt dazu aufgerufen werden, ihre Produktion ebenfalls zu drosseln. Glauben Sie eigentlich, dass ein Land wie Russland darauf eingehen wird?
    Kemfert: Russland hat ähnliche Probleme wie die OPEC, die sehr stark auf die Einnahmen angewiesen sind aus den Ölverkäufen, und Russland hat wirklich ein sehr großes Interesse, dass der Ölpreis wieder steigt, und nimmt ja ab und zu auch an diesen Treffen mit der OPEC teil, um so Signale zu senden. Bisher hat man sich aber überhaupt nicht geeinigt darauf, dass die Produktion gedrosselt wird. Insofern ist es eher unwahrscheinlich, dass Russland sich dem anschließt. Ich kann mir aber vorstellen, dass es ein Interesse gibt, dass Russland auch Signale sendet. Aber da die Amerikaner immer noch sehr viel produzieren, halte ich es eher für unwahrscheinlich, dass Russland in irgendeiner Form reagiert.
    Heckmann: Bisher wurde ja gefördert ohne Ende und dahinter stand ja auch so eine gewisse Strategie, neue Konkurrenten wie die USA, die Sie gerade angesprochen haben, mit ihrem Schiefergas aus dem Markt zu drängen. Hat man sich jetzt von dieser Strategie verabschiedet?
    Kemfert: Die Strategie ist ja auch überhaupt nicht aufgegangen, denn die Amerikaner fördern ja immer noch jede Menge Öl mittels Fracking, obwohl das relativ teuer ist und der Ölpreis niedrig ist. Zwar ist die Produktion in Amerika gerade in den letzten anderthalb Jahren schon auch zurückgegangen, aber eben nicht in dem Umfang, wie man sich das gehofft hatte. Insofern ist die Strategie der OPEC gar nicht aufgegangen. Man ist am Zugzwang, weil man merkt, so kann es nicht weitergehen, und die OPEC braucht auch eine Legitimation und da hofft man sich jetzt, mit diesem Schritt diese auch wieder zu bekommen.
    "Dann würde der Ölpreis auch durchaus steigen"
    Heckmann: Was heißt das Ganze jetzt für die Verbraucher? Wie stark werden die Preise für Benzin und Öl steigen?
    Kemfert: Die große Frage ist, wie glaubwürdig das ist, ob diese Ankündigung tatsächlich auch in Taten mündet. Wenn das passiert, dann haben wir tatsächlich eine Verkürzung des Angebotsüberschusses. Wir haben immer noch sehr viel Öl am Markt, aber nicht mehr ganz so viel. Dann würde der Ölpreis auch durchaus steigen. Wenn die OPEC es nicht schafft, das entsprechend umzusetzen, dann wird der Ölpreis auch erst mal niedrig bleiben. Aber da der Preis jetzt sehr spekulativ getrieben ist, wird man jetzt eher mit erheblichen Schwankungen rechnen müssen, und die Verbraucher werden das direkt erleben mit steigenden Benzinpreisen und auch Heizölpreisen.
    Heckmann: Erdöl ist ja weiterhin ein wichtiges Schmiermittel für die Weltwirtschaft. Was bedeutet das für die weltweite Konjunktur?
    Kemfert: Die Konjunktur ist jetzt erst mal weniger betroffen. Der niedrige Ölpreis war ja jetzt erst mal in dem Sinne ganz gut für die Konjunktur, aber hat auch nicht geholfen, dass es diverse Abwärtstrends gibt. Und umgekehrt, wenn der Ölpreis wieder ein bisschen steigt, wird das jetzt nicht unmittelbar direkte Konsequenzen haben. Für die deutsche Energiewende hat ein niedriger Ölpreis ja schon Konsequenzen, denn ein niedriger Ölpreis ist eher Gift für die Energiewende. Sollte der Ölpreis wieder etwas steigen, wird auch das Energie sparen wieder attraktiver. Das ist ja ohnehin der richtige Weg.
    Heckmann: Wenn Sie jetzt einen Strich darunter machen, was würden Sie sagen, ist das eine gute Entscheidung gewesen heute?
    Kemfert: Es ist eine folgerichtige Entscheidung der OPEC, weil die OPEC dafür zuständig ist, dass es im Moment so viel Öl auf dem internationalen Markt gibt. Sie sind verpflichtet, dieses Angebot ja auch zu reduzieren, wenn sie nicht dauerhaft ganz niedrige Preise akzeptieren wollen. Und sie müssen auch zeigen, dass sie überhaupt noch da sind und eine Legitimation haben. Deswegen denke ich ist es eher ein folgerichtiger Schritt, den man auch erwarten konnte.
    Heckmann: Professor Claudia Kemfert war das, Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Frau Kemfert, ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Kemfert: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.