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Druck auf dritte Rundfunksäule

Das Programm von Freien Radios ist offen für alle - jeder Bürger kann es nach seinen Vorstellungen gestalten. Trotzdem gerät die dritte Säule neben dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk immer stärker unter Druck.

19.09.2009
    Kritisch, engagiert und mit beachtlichem Erfolg. Seit über 30 Jahren sendet Radio Dreyeckland in Freiburg, heute sogar in 14 Sprachen. Es gibt ein Arbeitsweltradio mit Erwerbslosen, alternative Nachrichtenprogramme, einen Knastfunk. Gelebte Demokratie im Rundfunk.

    Die Politik in Baden-Württemberg scheint das nicht ganz so zu sehen. Jedenfalls kursierten Pläne im Landtag insbesondere bei der regierenden CDU, die Frequenzlizenzen für die neun freien Radios im Land nicht zu verlängern. Den kommerziellen privaten Radiostationen hatte man bereits eine automatische Verlängerung der Lizenzen zugestanden. Die Freien Radiomacher intervenierten. Kurt-Michael Menzel, Geschäftsführer von Radio Dreyeckland:

    "Man ist immer zufrieden, wenn man bestimmte Verschlechterungen abgewehrt hat. In diesem Fall war es die Verschlechterung, dass wir auf kaltem Wege abgeschafft werden sollten mit Lizenzauslauf im Jahre 2011 und das wir dann wahrscheinlich nicht eine Verlängerung bekommen hätten, sondern abgewartet worden wäre, wann der digitale Funk eingeführt wäre 2016. Und wir ins Internet verdrängt worden wären. Wahrscheinlich. Das ist verhindert worden, insofern haben wir einen Teilerfolg erreicht."

    Ein Teilerfolg, denn die Finanzierung sei weiter prekär, so Menzel. Den freien Radios in Baden-Württemberg steht gesetzlich ein kleiner Anteil der Rundfunkgebühren zu. Doch durch Abzüge wie die Telekom-Sendegebühren landet letztlich nur ein Viertel der Gelder bei den freien Radios. Heute sind das 50.000 Euro im Jahr pro Sender. Und das für ein 24 Stunden Programm. Seit 2004 ist dieser Mini-Betrag aus den Rundfunkgebühren zudem um 15 Prozent gesunken. Viele redaktionelle Aufgaben, aber auch die Jugendarbeit seien oft nicht mehr finanzierbar, heißt es bei Radio Dreyeckland.

    Man verlangt daher eine Aufstockung der Mittel aus den Rundfunkgebühren. Radio Dreyeckland-Macher Menzel fordert zudem:

    " ... dass die Frequenzausstattung zumindest im regionalen Bereich wesentlich verbessert werden soll und dass keine Diskriminierung stattfindet, falls dann dieser bis jetzt gesetzlich angeordnete Switch von Analog auf Digital stattfinden soll zum 1.1.2016."

    Für das freie Radio Flora in Hannover sind das fast Luxusprobleme. Der basisdemokratisch organisierte Sender verlor seine Frequenz, ist seit Juni dieses Jahres nur noch im Internet zu empfangen. Argument der Landesmedienanstalt Niedersachsen: Zu geringe Quote. Auf den freigewordenen Frequenzplatz setzte man LeineHertz 106einhalb. Statt kritischem Gesellschaftsfunk von unten eine Kopie kommerziellen Hörfunks inklusive durchformatiertem Programm.

    Für die gebürtige Argentinierin Viviana Uriona vom Bundesverband Freier Radios steht fest, dass das partizipatorische und politische Modell der freien Radios in Deutschland unter Druck steht. So verweigern Politiker und Landesmedienanstalt in Berlin-Brandenburg seit Jahren die Lizenzierung eines freien Radios mit dem Argument, man habe bereits einen "Offenen Kanal". Doch offene Kanäle liefen, so Uriona, ohne redaktionelle Planung ab und hätten nicht den Anspruch alternativer Berichterstattung.

    "Wir sind immer wieder konfrontiert mit der Situation, dass die Lizenzen oder Frequenzen an eine bestimmte Vorstellung von "freien Medien" in Anführungsstrichen vergeben werden, das auf keinen Fall dem Bild der freien Radios entspricht. Deswegen haben wir damit zu kämpfen klarzumachen, dass wir als freie Radiomacher oder international gesagt community media ein politisches, gesellschaftliches Projekt haben, das die Veränderung der Gesellschaft vorantreiben oder begleiten will."

    Jetzt haben die Berliner freien Radiomacher zumindest für drei Monate eine schwache UKW-Frequenz erhalten, auf der man ein "Herbstradio" senden kann. Eventuell ein Anfang für eine dauerhafte Lizenzierung.

    Für Menzel von Radio Dreyeckland wird das aktive Desinteresse der Politiker an freien Radios auch in Zukunft nicht so leicht zu ändern sein:

    "Da helfen auch gut gemeinte Resolutionen wie zum Beispiel des europäischen Parlaments, die ausdrückliche diese Form der Möglichkeit gesellschaftlicher kultureller Teilhabe via Rundfunk positiv beurteilen, helfen da im eingemachten Bereich dann nichts. Da ist dann doch das Werbehemd kommerzieller Veranstalter näher und gegebenenfalls auch teilweise der öffentlich-rechtlichen Veranstalter, in deren Gremien man unmittelbar sitzt und unmittelbar ja auch durchaus über die Aufsichtsorgane über die Personalpolitik Einfluss nehmen kann."