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Druckwesen
Von der Bibel zur Werbebroschüre

Die Sternsche Druckerei in Lüneburg bringt seit 400 Jahren alles auf Papier, was der Kunde wünscht. Angefangen hat es 1614 mit der Bibel. Es folgten Gesangbücher, Schulbücher und heute auch Werbehefte. Christian von Stern führt das Familienunternehmen in der 14. Generation.

Von Godehard Weyerer | 11.07.2014
    Altes Buch mit vergilbten Seiten und angestoßenen Kanten am Buchdeckel, aufgenommen am 2.4.2012. Foto: Jens Kalaene dpa/lbn
    Für die Kunden der Druckerei ist das "hölzerne Medium" das Richtige. (dpa / Jens Kalaene)
    Laut geht es zu in einer Druckerei. Da hat sich in all den Jahren wenig verändert. Nur im Foyer des Firmenhauses herrscht Ruhe. Und von der Wand grüßt die Ahnengalerie:
    "Das sind meine Vorfahren, ja."
    Christian von Stern, 50 Jahre alt, führt das Unternehmen, das vor 400 Jahren die erste Bibel druckte, in der 14. Generation:
    "Wenn sie damit aufwachsen, wissen sie natürlich, was Ihnen da bevorsteht."
    Häufig nahm der Vater ihn mit ins Büro, erzählt Christian von Stern, und mächtig stolz war er, dass die Mitarbeiter ihn, den sechsjährigen, als Junior-Chef anredeten. Christian von Stern ist kein Drucker geworden, er studierte Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaften, arbeitete ein paar Jahre in Berlin und kehrte in den Schoß des Familienunternehmens zurück:
    "Als ich damals begann, Verantwortung zu übernehmen, da waren es auch schon 380 Jahre. Das spüren Sie schon, ich gehöre jetzt der 14. Generation an. Ich möchte auch nicht derjenige sein, der dafür verantwortlich ist, dass der Lebensfaden durchtrennt wird. Mir war auch klar, dass ich aus dieser Nummer nicht werde herauskommen können, es sei denn, ich stemme mich mit aller Gewalt dagegen. Aber das wollte ich auch nicht."
    Heute eine Druckerei mit vollem Spektrum
    Zu Beginn der 80er zog die Firma aus den historischen Gemäuern in der Lüneburger Altstadt hinaus ins Gewerbegebiet. Das nüchterne Ambiente der Industriearchitektur durchbrechen - wenn auch nur im Eingangsbereich - einige altehrwürdige Stücke aus vergangenen Jahrhunderten:
    "Das ist zum Beispiel eine Eichentür aus dem 17., 18. Jahrhundert mit wunderschönen Kassetteneinlagen. Die war im Hintereingang des Büros meines Vaters, von dort aus ging es in ein kleines Papierlager und von dort aus ging es gleich in die Rotation. Das Stampfen der Rotationsmaschine war immer im Rücken des jeweiligen Firmenchefs."
    Mit der Bibel fing es 1614 an, es folgten Gesangbücher und Katechismen, später Schulbücher und ab 1810 die erste Zeitung. Heute deckt die Lüneburger Druckerei das komplette Spektrum ab - Broschüre und Bücher, von Beilagen bis hin zur Lüneburger Landeszeitung, der örtlichen Tageszeitung, diverse Wochen- und Anzeigenblätter und das Lüneburger Adress- und Telefonbuch:
    "Herr Richter, schmeißen Sie ruhig mal an..."
    In den Produktionshallen hält Andreas Jörß die Fäden in der Hand. Der Geschäftsführer kam vor 23 Jahren in den Betrieb. Er steht vor der Falzmaschine in der Buchdruckerei. Hier werden die bedruckten Bögen auf das gewünschte Format gebracht, bevor sie geheftet, noch einmal geschnitten und verpackt werden. In diesem Fall die Werbebroschüre eines Gabelstaplerherstellers:
    "Da sind wir sicherlich bei einem Kernthema der Druckbranche, Kunden zu finden, die heute auch noch sagen, das sogenannte hölzerne Medium ist immer noch das richtige Medium. Unsere Aufgabe besteht darin, Kunden zu finden, die im gedruckten Produkte ihre Botschaft am besten dargestellt sehen gegen beispielsweise die konkurrierenden elektronischen Medien."
    18.000 Bögen pro Stunde
    Der Umsatz halte sich in den vergangenen Jahren im niedrigen zweistelligen Millionenbereich recht konstant. Konkreter wird der Geschäftsführer bei der Stärke der Belegschaft: 40 Festangestellte sind es und 40 Aushilfskräfte, die die Zeitungen mit Beilagen bestücken.
    Andruck heute ist 23 Uhr. In der Halle, wo unten der Papierrollen-Vorrat lagert und oben die Rotationsmaschine steht, herrscht noch Ruhe:
    "Hier sehen wir im Unterschied zur Rotationsmaschine eine Bogendruckmaschine, ganz andere Dimensionen, wesentlich kleiner, aber nicht minder modern, eine sogenannte Bogendruckmaschine aus dem Hause Heidelberg, diese Maschine Listenpreis zwischen 2,5 und 3,5 Millionen Euro je nach Ausstattung. Das ist eine Fünf-Farbenmaschine mit Lack im Format DIN A 1."
    "Das ist jetzt DIN A-1 Bogen. Herr Ziewitsch, ist der Bogen schon einmal bedruckt. Nein, weißes Papier..."
    Bis zu 18.000 Bögen rauschen pro Stunde durch die fünf Farbwerke und die Lackierstation, wo das Papier beschichtet wird. Bilder und Texte kommen heute per Datentransfer in den Betrieb. Fehler in der Rechtschreibung und in der Grammatik gehen auf die Kappe der Kunden. Anders noch zu Zeiten des Bleisatzes, als der Text mühsam von Hand Buchstabe für Buchstabe in der Druckerei entstand und von einem vierköpfigen Korrektorat gegengelesen wurde.
    Kein Zwang für die nachfolgende Generation
    Anfang der 90er, erinnert sich Firmeninhaber Christian von Stern, war damit Schluss. Das 400 Jahre alte Familienunternehmen, das er in der 14. Generation führt, hat auch diese Umstellung überlebt. Und mittlerweile reift die nächste Generation heran:
    "Wir haben drei Kinder, eine 18- und 17-jährige Tochter, einen 12-jährigen Knaben, die natürlich noch viele bunte Bilder im Kopf haben, auch in eine Richtung, dass man gerne liest, sich gerne schreibend betätigt. Wir vermitteln ihnen das behutsam, wir schauen mal, was passiert. Ich sehe keine Zwangsläufigkeit, dass eins meiner Kinder hier zwingend meine Nachfolge antreten muss."
    Eine Herzensangelegenheit, den Familienbetrieb zu führen, soll es sein, beteuert der derzeitige Chef, der dem Erwartungsdruck, in die Fußstapfen der vorhergegangenen Generationen zu treten, am eigenen Leib verspürt hat und der diese Erwartung wohl ein Stück weit auch an die 15. Generation weiterreichen wird.