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Duale Ausbildung als Exportmodell

Die deutsche Berufsausbildung gilt in Amerika als vorbildlich. In Tennessee bildet Volkswagen Lehrlinge nach dem dualen System aus. Der umfassende Ansatz unterscheidet die deutsche Lehre von Berufsausbildungen in amerikanischen Unternehmen.

Von Marcus Pindur | 12.08.2013
    Die VW-Lehrwerkstatt in Chattanooga, Tennessee. Insgesamt 53 Lehrlinge werden hier ausgebildet. VW finanziert die Volkswagen-Akademie am Chattanooga State Community College, das Pendant zur deutschen Berufsschule, und hat einen zweistelligen Millionenbetrag in die Lehrwerkstatt investiert.

    Die Auszubildenden schätzen die Kombination von theoretischer Ausbildung und praktischer Erfahrung. So Caleb Higginbotham.

    "Ich habe mich für diese Ausbildung entschieden, nachdem ich mehrere Jahre gearbeitet hatte und mir klar wurde, dass ich eine fundierte Ausbildung brauche, um gute Jobs zu bekommen. Ich habe mir verschiedene Programme angeschaut. Ich habe mich für dieses entschieden, weil es sehr umfassend ist und hier viel praktisch gelehrt wird. Und ich lerne am praktischen Beispiel besser als nur auf der Schulbank."

    Die duale Ausbildung sei sehr umfassend, das unterscheide sie von Berufsausbildungen in amerikanischen Unternehmen, sagt Ilker Subasi, der Leiter der Aus- und Fortbildung bei VW Chattanooga.

    "Die amerikanischen Unternehmen beschränken die Ausbildung nur auf das Anlernen. Das heißt, der Mitarbeiter wird angelernt für vier, fünf Wochen, für zwei Monate, an einer Maschine, und dann ist er schon der 'specialist'. Wir haben das Konzept so aufgebaut, dass wir ganzheitlich ausbilden. Wir möchten von Grund auf, die Grundfertigkeiten ausbilden. Und dann step by step an die eigenen Prozesse heranführen. Das heißt eine ganzheitliche Ausbildung mit einer kompletten Handlungsorientierung."

    Die Problemlösungskompetenz sei wichtig, sowohl für die Einhaltung der Qualitätsstandards als auch für die Produktivität. Denn: Eine Minute Produktionsstillstand kostet 15.000 Dollar.

    Die deutsche duale Berufsausbildung gilt in Amerika als vorbildlich - nicht erst, seitdem Präsident Obama sie in seiner Rede zur Lage der Nation thematisiert hat. Der deutsche Botschafter in Washington, Peter Ammon, bringt amerikanische Gouverneure und Bildungsträger mit deutschen und amerikanischen Unternehmen zusammen, im Rahmen der sogenannten "Skills Inititiative", einer Initiative der deutschen Botschaft, mit der das Interesse am deutschen Berufsausbildungssystem geweckt werden soll. Das Echo ist groß, sagt Peter Ammon.

    "Ich bin immer wieder beeindruckt von der Reaktion amerikanischer Regierungsvertreter. Ich war gestern im Weißen Haus, dort habe ich an einem Treffen mit Chefs großer Unternehmen, die hier tätig sind, teilgenommen. Und es wurde immer wieder das Modell der deutschen Ausbildung als Vorbild, als weltweites Vorbild genannt."

    Die Übertragung des deutschen dualen Ausbildungssystems auf amerikanische Verhältnisse gehe nicht völlig reibungslos, sei aber wünschenswert, meint die Sozialwissenschaftlerin Katherine Newman von der Johns-Hopkins-Universität.

    "Das deutsche Berufsausbildungssystem ist durchaus auch in den USA anwendbar. Aber wir müssten einige Änderungen in unserem Bildungssystem vornehmen, damit es so produktiv sein kann wie in Deutschland. Wir hatten und haben ähnliche Lehrausbildungen, es ist also kein völlig fremdes Konzept für uns. Aber es ist in Deutschland ausgereifter als bei uns. In Deutschland ist die Zusammenarbeit von Unternehmen, Gewerkschaften und Bildungsinstitutionen weitaus etablierter als in den USA."

    Deutschland wird in den USA zunehmend als wirtschaftlicher Stabilitätsanker in Europa betrachtet. Deshalb auch ein neuer transatlantischer Blick auf das deutsche Berufsbildungssystem. Das sei auch eine neue Dimension der deutschen Außenpolitik, so Botschafter Ammon.

    "Ich glaube, die Themen der Außenpolitik verändern sich, sie werden breiter. Früher gab es Politik, dann kamen Handel und Wirtschaft hinzu, jetzt kommen gemeinsame Standards in der Berufsausbildung hinzu. Ich erinnere daran, man sagte früher: Wer die Norm hat, hat den Markt. Heute würde ich sagen, wer die Normen der Ausbildung setzt, hat zumindest einen Vorteil auf den globalisierten Märkten."