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Ducemuseum

Es handelt sich um Werte, die immer die gleichen bleiben. Die zwar aktualisiert werden, aber trotzdem im Kern unwandelbar sind. Deshalb ist es nur richtig, dass jetzt ein Museum für Mussolinieingerichtet wurde. Auch wenn wir heute nicht mehr einen Staat, wie er ihn schuf wollen, so begrüssen wir doch seine politischen Ideen, seinepolitischen Entscheidungen.

Von Thomas Migge | 31.05.2004
    Auch heute, nach über 60 Jahren. Pino Rauti ist Ehrenpräsident der italienischen Partei, "La Fiamma Tricolore". Eine Partei, die aus der neofaschistischen MSI hervorgegangen ist und die den Spagat zwischen neofaschistischem Gedankengut und demokratischem Rechtsstaat wagt. Rauti ist zur Eröffnung eines neuen Museums nach San Martino in Strada angereist. Die kleine und unscheinbare Ortschaft befindet sich in der norditalienischen Region Romagna. Hier hat ein gewiefter Pelzwarenunternehmer - der sich als Antifaschist und Mussolinifreund bezeichnet - einige Millionen Euro in die Restaurierung der Villa Carpena investiert. Das grosse Gebäude war, erklärt die Historikerin Anna Maria Cattaneo, der Ferien-Wohnsitz der Familie Mussolini in ihrer Heimatregion Romagna:

    Es handelt sich bei dieser kulturpolitischen Initiative um den Versuch, einen Aspekt unserer modernen Geschichte von einer ganz privaten Seite aus zu studieren. Seit einiger Zeit haben wir es in Italien mit einer Revision des Faschismusbildes zu tun: Es gibt viele Ausstellungen, die das künstlerische Schaffen des Regimes vorstellen. Warum deshalb nicht auch das Privatleben des Duce thematisieren? Warum lassen wir diese Person von damals nicht auch auf diese Weise zu Wort kommen.

    Villa Carpena ist zu einem kulturpolitischen Streitpunkt geworden - vor allem in der seit Jahrzehnten links regierten Doppelregion Emilia-Romagna: Man erinnert sich nicht gern daran, dass der in Predappio geborene Benito Mussolini zunächst als Linksradikaler für Aufsehen sorgte und dann als Begründer der rechtsradikalen Vereinigungen der "fasci"², aus denen die politische Bewegung des Faschismus hervorging. Den meisten Bewohnern der Emilia-Romagna gefällt es gar nicht, dass ihre Region seit Kriegsende zum Reiseziel von vielen Immer-noch-Anhängern des Duce geworden ist. Von Neofaschisten, die nicht nur nach Predappio pilgern, wo Mussolini geboren und wo er beerdigt wurde, sondern jetzt auch nach San Martino in Strada, ins Mussolinimuseum, wo sie einen wirklich einzigartigen Einblick in dasPrivatleben des Diktators erhalten.Anna Maria Cattaneo:

    Der Besuch beginnt mit dem Hinweis auf die Beziehungen zwischenMussolini und seiner Familie. Enge Beziehungen, die in diesem Museumdeutlich werden. Der Diktator als Familienmensch: das ist das Thema derAusstellungsräume, die genau so wieder hergerichtet wurden wie in den späten30-er Jahren, Jahre, die für Mussolini sehr wichtig waren.

    Versuchte er sich doch in jenen Jahren als Begründer eines neuenitalienischen Imperiums. Gleichzeitig mit seinen spektakulären Auftritten als neuer Cäsar suchte Mussolini die familiäre Gemütlichkeit. Während er in seiner römischen Residenz Villa Torlonia wie ein kleiner König zu leben versuchte - und sich dort nie besonders wohlfühlte - zog er sich gern mitseiner Frau und den Kindern in die Villa Carpena zurück. Die rekonstruierten Räume des Gebäudes vermitteln einen intimen Einblick in die Privatsphäre des Duce: in der Küche sind die Utensilien zu sehen, mit denen Rachele Mussolini die von ihrem Gatten so geliebten Tagliatellenudeln zubereitete. Im Speises all ist das Glöckchen zu bestaunen, mit denen der Familienvater seine Sippe zum Essen zusammenrief. In seinem Büro hängen die Wände voller Selbstbildnisse und im ehelichen Schlafzimmer werden die Ski Mussolinis ausgestellt. Der Schriftsteller Emanuele Trevi ist ein bekennender Linker und doch kann er den Aufruf vieler Intellektueller und linker Parlamentarier zum Boykott des neuen Museums nicht teilen:Seine Lebenserfahrung, die zählt doch, aus ihr erkennen wir, was den Duce in Wirklichkeit bewegte. Uns was bewegte ihn im Grunde seines Herzens? Dass er zuhause eine Mamma hatte, viele Kinder und den Tonangeben durfte. Ein kleinbürgerlicher Spiesser also, das war Mussolini und das wird in diesem Museum wie an keinem anderen Ort deutlich. Dieses Museum ist eine einzigartige Szenografie.

    Aber nicht nur für geschichtsbewusste Demokraten und Antifaschisten wie Emanuele Trevi. Seit ihrer Öffnung wird die Villa Carpena vor allem von Ewiggestrigen besucht. Von Mussolinianhängern, die aus dem benachbarten Ort Predappio anreisen. Dort besuchen täglich rund 3.000 Personen die Gruft des Benito Mussolini. Eine Gruft, bewacht von der so genannten mussolinianischen Ehrengarde, der immerhin 750 Mitglieder angehören. Den Bürgermeister von Predappio und San Martino in Strada sind die Mussolini-Touristen gar nicht willkommen. Sie befürchten, dass jetzt -angesichts eines neuen Reiseziels, das den Duce beschwört - noch mehr Neofaschisten anreisen werden.