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Dürre in Deutschland
"Anzeichen der Klimaerwärmung"

Die in Teilen Deutschlands herrschende Dürre sei als Einzelphänomen nicht außergewöhnlich, sagte Mojib Latif, Klimaforscher an der Universität Kiel, im DLF. In der Summe und über einen langen Zeitraum gesehen aber schon. Er hält sie für erste Auswirkungen des Klimawandels und warnt vor schweren Folgen für die Landwirtschaft.

Mojib Latif im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 12.08.2015
    Mojib Latif, deutscher Meteorologe, Klimaforscher, Hochschullehrer und Autor.
    Mojib Latif (picture alliance / dpa / Erwin Elsner)
    Ab 2050 werde es den Klimamodellen zufolge zunächst die Bauern im Süden und Osten Deutschlands treffen, sagte Latif im DLF. Gegen Ende des Jahrhunderts müssten dann auch die Landwirte im Norden mit "nennenswerten Einbußen" rechnen. "Wenn wir so weiter machen wie bisher, werden wir noch häufiger mit Dürren und extrem hohen Temperaturen zu tun haben, aber auch mit Starkniederschlägen und Überschwemmungen."
    Noch gebe es allerdings die Chance, den Klimawandel zu stoppen - zum Beispiel auf der UNO-Klimakonferenz im Dezember in Paris. Latif erwartet, dass sich die Teilnehmer dort auf ein verbindliches Abkommen einigen. "Es wird aber ziemlich weich sein und nicht geeignet, das 2-Grad-Limit einzuhalten."

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: In vielen Teilen Deutschlands ist es noch mal so richtig heiß diese Woche, schönes Sommerwetter. Wir hatten davon ja so einiges schon in den vergangenen Tagen und Wochen. Aber für viele Landwirte ist das auch ein Problem. Sie sprechen von Dürre, von trockener Erde und von möglicherweise einer miserablen Ernte in diesem Jahr. In einigen Gegenden in Deutschland ist in diesem Sommer so wenig Regen gefallen wie seit 50 Jahren nicht mehr. - Am Telefon ist jetzt der Klimaforscher Mojib Latif von der Universität Kiel. Schönen guten Morgen, Professor Latif.
    "Vordergründig eine Wetterkapriole"
    Mojib Latif: Guten Morgen.
    Armbrüster: Woher kommt diese Dürre?
    Latif: Na ja, vordergründig gesehen ist das einfach eine Laune der Natur, eine Wetterkapriole. Aber wenn wir Jahrzehnte uns ansehen, dann bemerken wir, dass solche Wettersituationen zunehmen, gleichermaßen wie auch Starkniederschläge, und das ist genau das, was wir erwarten in Folge der globalen Erwärmung bei uns in Deutschland. Insofern, denke ich, sehen wir hier schon die allerersten Anzeichen, dass sich die Erwärmung auch auf die Extreme niederwirkt.
    Armbrüster: Wie gesichert ist das denn, dass es tatsächlich hier sich um einen Teil des Klimawandels handelt? Ich schätze mal, einige Leute würden auch sagen, das sind möglicherweise tatsächlich ganz normale Ausschläge, wie man sie eigentlich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder erlebt.
    Latif: Ja genau. Als einzelnes Phänomen, als einzelnes Ereignis ist das nichts Außergewöhnliches. Aber wenn man die Summe der Ereignisse betrachtet, dann fällt es schon auf, dass diese Wetterlagen zunehmen. Ich vergleiche das immer gerne mit dem gezinkten Würfel: Wenn wir ihn auf die Sechs zinken, dann kommt die Sechs häufiger. Die Sechs hat es aber vorher auch schon gegeben und die anderen Zahlen kommen natürlich auch noch. Aber wenn man lange genug würfelt, das heißt also in unserem Fall, wenn wir lange genug Zeit betrachten, dann sieht man schon, dass sich langsam etwas ändert.
    Armbrüster: Haben Sie den Eindruck, dass das den Leuten in Deutschland klar ist, dass das hier ein Teil des Klimawandels ist?
    Latif: Na ja, da sind natürlich die Meinungen ziemlich geteilt. Klar: Es gibt Menschen, die sehen das schon. Ich werde eigentlich tagtäglich darauf angesprochen, dass sich unser Wetter schon verändert. Insbesondere die älteren Menschen merken es ja, denn die haben ja in der Tat schon Jahrzehnte erlebt. Aber es gibt natürlich auch immer wieder Stimmen, die sagen, das hat es doch immer gegeben und warum sollten wir uns hier aufregen.
    "Auch Starkniederschläge immer häufiger"
    Gewitterwolken ziehen am 09.06.2014 über den Ort Sörmeke bei Geseke (Nordrhein-Westfalen). Orkanböen, Starkregen und heftige Blitze: Wie eine Walze zog eine Gewitterfront über Nordrhein-Westfalen am 09.06.2014 hinweg
    Unwetter in Nordrhein-Westfalen (picture alliance / dpa / Thomas Rensinghoff)
    Armbrüster: Wenn das nun ein Vorbote oder ein Teil des Klimawandels ist, worauf müssen wir uns dann noch einstellen in den kommenden Jahren?
    Latif: Diese Tendenzen, die werden sich weiter verstärken in dem Maße, wie die Erwärmung weiter voranschreitet. Das heißt, wir werden noch häufiger mit diesen Dürren zu rechnen haben. Wir werden noch häufiger mit diesen extrem hohen Temperaturen zu rechnen haben. Aber wie gesagt - und das ist wichtig -, es ist nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille - und auch das haben wir ja immer wieder in den letzten Jahren erlebt - sind diese Starkniederschläge, die dann auch immer wieder zu Überschwemmungen führen, und insofern müssen wir uns auf beides einrichten: Auf Trockenheit auf der einen Seite, aber auch diese Starkniederschläge und Überschwemmungen auf der anderen Seite.
    Armbrüster: Dann lassen Sie uns mal über die Landwirtschaft in Deutschland sprechen. Ab welchem Punkt wird das Ganze denn für die zu einem Problem?
    Latif: Ja. Allmählich wird es schon zu einem Problem. Unsere Berechnungen zeigen - die sind natürlich mit großen Unsicherheiten behaftet -, dass ab 2050 zumindest in Süd- und Ostdeutschland die Lage schon so wird, dass man mit nennenswerten Einbußen zu rechnen hat. Der Norden Deutschlands wird weniger betroffen sein. Wenn, dann erst gegen Ende des Jahrhunderts.
    Hoffen auf Klimakonferenz in Paris
    Armbrüster: Und das kann man jetzt schon so vorhersagen, oder lässt sich möglicherweise an so etwas noch die eine oder andere Stellschraube drehen, wenn das irgendwie klappen sollte mit zum Beispiel Einschnitten bei den klimaschädlichen Emissionen?
    Latif: Ja, auf jeden Fall. Das sind sozusagen die Szenarien, wenn wir so weitermachen wie bisher. Wir haben ja die große Klimakonferenz, die Weltklimakonferenz Ende des Jahres in Paris, wo die Weichen gestellt werden sollen, dass die Erderwärmung nicht über zwei Grad steigt. Ich hoffe, dass es da endlich zu verbindlichen Abkommen kommt. Bisher war es nicht der Fall und seit es diese Verhandlungen gibt, ist der weltweite Treibhausgas-Ausstoß um ungefähr 60 Prozent gestiegen. Das heißt, Anspruch und Wirklichkeit liegen in der internationalen Klimaschutzpolitik weit auseinander.
    Armbrüster: Das heißt, habe ich Sie da richtig verstanden, Sie rechnen in Paris nicht mit einer grundlegenden Einigung?
    Latif: Ich rechne mit einer Einigung. Sie wird aber ziemlich weich sein. Das heißt, sie wird nicht geeignet sein, tatsächlich dieses Zwei-Grad-Limit einzuhalten. Ich hoffe, wenn es denn erst einmal ein Abkommen gibt - und ich gehe fest davon aus, dass es in Paris eines geben wird -, dass man dann Schritt für Schritt in den darauffolgenden Jahren dieses Abkommen auch weiter verschärfen kann. Wie gesagt, theoretisch jedenfalls wäre es noch möglich, die schlimmsten Veränderungen zu vermeiden.
    "Auswirkungen auf Flüchtlingsströme und Wirtschaft"
    Äthiopien im Teufelskreis von Dürre und Armut, 06.04.2000
    Äthiopien im Teufelskreis von Dürre und Armut (picture alliance / dpa / Joel Robine)
    Armbrüster: Herr Latif, wir haben jetzt über die Bedingungen für die Landwirtschaft gesprochen. In welchen Bereichen wird sich der Klimawandel noch als erstes bemerkbar machen?
    Latif: Ja das hängt natürlich ganz stark von der Region ab. Ich möchte gerne noch mal darauf hinweisen, dass wir natürlich auch betroffen sind von Dingen, die jetzt nicht in Deutschland passieren, sondern in anderen Regionen der Erde, denn wir leben ja inzwischen in einer global vernetzten Welt und es ist völlig egal, wo etwas passiert, letzten Endes betrifft uns das auch: entweder durch ökonomische Auswirkungen. Es gibt da durchaus Wirtschaftswissenschaftler, die behaupten, dass infolge eines ungebremsten Klimawandels es zu einer weltweiten Rezession kommen könnte, von der wir natürlich automatisch betroffen sein werden. Und - das darf man auch nicht unterschätzen - Flüchtlingsströme werden weiter zunehmen und auch die Weltsicherheit wird in der einen oder anderen Form davon betroffen sein. Deswegen interessieren sich unter anderem auch die Militärs (auch in den USA) sehr stark für den Klimawandel.
    Armbrüster: Ist es denn dann so, dass Europa unter diesen Bedingungen quasi eine Insel der glückseligen bleiben kann, eine Insel, in der sich sozusagen der Klimawandel nicht so deutlich bemerkbar machen wird wie in anderen Ländern, oder sehen wir da jetzt vielleicht gerade in diesen Wochen, dass durchaus auch hier bei uns einiges passieren kann?
    Latif: Es wird eine Zweiteilung geben in Europa und diese Grenze läuft quer durch Deutschland. Das heißt, Nordeuropa wird eher weniger betroffen sein, denn dort sind die Temperaturen ja nicht so hoch. Dort werden die Tiefs immer noch vorbeischauen und Regen bringen. Südeuropa auf der anderen Seite, der Mittelmeerraum wird extrem betroffen sein und Deutschland liegt genau dazwischen, und deswegen haben wir auch bei uns in Deutschland diese Unterschiede, dass im Norden der Republik eigentlich die Auswirkungen bisher jedenfalls nicht so gravierend sind wie weiter südlich und im Osten.
    Armbrüster: So wie Sie das jetzt schildern, Herr Latif, klingt das alles, als wäre es tatsächlich gründlich erforscht und als müssen wir uns tatsächlich darauf einstellen. Wie stimmen denn die Klimaforscher in diesen Vorhersagen tatsächlich überein?
    Latif: Es sind natürlich Modelle und Modelle sind fehlerhaft. Es kann kein perfektes Modell geben. Aber es ist immer das Beste, was wir haben. Und was die Übereinstimmung angeht: Das was ich gerade beschrieben habe, das ist sozusagen der Konsens aller Modelle. Das sieht man in sehr, sehr vielen der Modelle, obwohl es natürlich auch abweichende Modelle gibt. Aber man muss - und das hat ja auch gerade der Papst noch mal hervorgehoben -, man muss entscheiden auf der Basis der heute besten verfügbaren wissenschaftlichen Ergebnisse.
    Armbrüster: … sagt hier bei uns im Deutschlandfunk der Klimaforscher Mojib Latif von der Universität Kiel. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.