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Duin: Energiewende ist kein Sparmodell

Die Energiewende wird mit zusätzlichen Kosten verbunden sein, sagt Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister, Garrelt Duin (SPD). Zugleich komme in der Diskussion das Thema Energieeffizienz zu kurz.

Garrelt Duin im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 17.08.2013
    Jürgen Zurheide: Wie geht es denn nun weiter mit der Energiewende? Einige Großkonzerne haben angekündigt, dass sie konventionelle Kraftwerke, also solche, wo Kohle verfeuert wird, aber auch Gas, dass sie die vom Netz nehmen wollen. Auf der anderen Seite braucht man das, die sogenannten Back-up-Kapazitäten, wenn mal nicht genügend Strom und Wind da ist. Was passiert da gerade am Energiemarkt? Denn ansonsten soll es ja auch alles noch günstiger werden, das verspricht uns die Politik zumindest jetzt in Wahlkampfzeiten. Wie das zusammenpasst, wollen wir bereden, und dazu begrüße ich den nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin, der ist am Telefon. Guten Morgen, Herr Duin!

    Garrelt Duin: Schönen guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Duin, also erst mal, die Umweltschützer jubeln möglicherweise, wenn Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, Sie nicht unbedingt, weil die auch in Nordrhein-Westfalen stehen, und weil das Großkonzerne sind, die bei Ihnen – hoffentlich jedenfalls noch – Steuern zahlen. Wie reagieren Sie, warum freuen Sie sich nicht?

    Duin: Es geht ja bei der Energiewende nicht nur um das Thema Klimaschutz, das ist eines von drei wichtigen Fragen. Es geht auch um Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Und Versorgungssicherheit werden wir über Jahrzehnte noch nur dann sicherstellen können, wenn neben den erneuerbaren Energien, insbesondere natürlich Wind und Sonne, wir auch konventionelle Kraftwerke behalten, die dann zum Einsatz kommen, wenn nicht genügend Sonne scheint und nicht genügend Wind weht. Das ist im Jahr häufig genug der Fall, und dafür brauchen wir diese konventionellen Kraftwerke. Wenn die jetzt zunehmend vom Netz genommen werden, laufen wir Gefahr, dass eben nicht mehr rund um die Uhr ausreichend genug Strom zur Verfügung gestellt werden kann.

    Zurheide: Auf der anderen Seite, wenn die Konzerne sagen, ich verdiene da kein Geld mehr mit, dann kann man verstehen, dass die die Dinger abschalten, so auf Deutsch, wenn Sie die am Netz halten wollen, müssen Sie oder respektive wir als Verbraucher wieder bezahlen. Wer soll es bezahlen?

    Duin: Ich glaube, dass wir uns ehrlich machen müssen, und nicht länger behauptet werden darf, dass die Energiewende ein Sparmodell ist, sondern das wird auch mit zusätzlichen Kosten verbunden sein. Die Frage ist am Ende aber nicht mehr nur alleine, was kostet dann eine Kilowattstunde, sondern wie viel Kilowattstunden verbrauchen wir, also das Thema Energieeinsparung, Energieeffizienz muss in diese Diskussion auch noch wieder viel stärker mit hineingenommen werden. Aber Sie haben völlig recht, wir haben hier Beispiele in Nordrhein-Westfalen, das spektakulärste ist ein Neubau der Firma Statkraft, vor drei Monaten eingeweiht, eines sehr modernen Gaskraftwerkes, das ist in diesem drei Monaten zwei Tage am Netz gewesen. Dass man damit nicht nur nicht große Gewinne macht, sondern überhaupt gar kein Geld verdient, schwer in die roten Zahlen kommt, das ist ja offensichtlich, und da kann man dem Unternehmen keinen Vorwurf machen, sondern das System stimmt nicht, und deswegen brauchen wir meines Erachtens dringend einen wirklichen Neuanfang dieser Energiewende, sonst werden die Probleme immer größer, und wir werden sie dann irgendwann nicht mehr lösen können, wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird.

    Zurheide: Schnell handeln heißt aber, dass man dann eben praktisch diese Reservekapazitäten bezahlen muss, obwohl sie nicht laufen. Nur dann zahlen wir ja doppelt.

    Duin: Es wird so sein, dass wir diejenigen, die konventionelle Kraftwerke betreiben, auch dafür entlohnen müssen, dass sie diese Kapazität vorhalten, auch wenn sie in dem Moment vielleicht nicht benutzt wird. Das heißt nichts anderes, als dass wir die Betreiber solcher Kraftwerke eben auch dafür bezahlen müssen, dass sie ein Kraftwerk vorhalten, das dann zum Einsatz kommt. Und die Frage ist, dass wir ein Marktmodell entwerfen, wie man zum Beispiel durch entsprechende Auktionierung, also sehr marktorientiert, einen solchen Preis dann festsetzt. Wir haben ja bisher nur den Markt an der Strombörse in Leipzig, das wird nicht mehr das einzige Instrument bleiben können, wenn wir diese Versorgungssicherheit auf Dauer sicherstellen wollen.

    Zurheide: Nun hat Ihr Kanzlerkandidat Steinbrück gerade gesagt, der Strom soll für die Verbraucher günstiger werden, was ich da höre, ist, dass eigentlich nichts günstiger wird, sondern dass da oben noch was draufkommt, möglicherweise ja berechtigt. Aber wie passt das zusammen? Haben Sie mit Steinbrück da schon mal drüber gesprochen?

    Duin: Wir sind da in einem sehr intensiven Austausch und sind da auch völlig einer Meinung. Es geht darum, dass wir eine ganz grundlegende Reform vornehmen. Das heißt, auch die Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien muss auf neue Füße gestellt werden.

    Zurheide: Neu heißt dann in dem Fall auch ein bisschen, da muss dann weniger reinfließen als bisher?

    Duin: Absolut richtig, wir haben ja zurzeit einen ziemlich ungebremsten und vor allen Dingen unkoordinierten Ausbau der erneuerbaren Energien, wir haben die Situation, dass es dort für 20 Jahre eine feste, nicht zu knapp bemessene Einspeisevergütung gibt, und auch an dieses Thema werden wir heranmüssen, sonst wird man das gar nicht in den Griff kriegen können, es wird auch da ein neues Marktmodell geben müssen. Das hätten wir alles schon seit zweieinhalb Jahren diskutieren können und voranbringen können, Herr Altmaier und Herr Rösler haben sehr unausgegorene Vorschläge nur dazu gemacht, wir sind jederzeit bereit, diese Gespräche wieder aufzunehmen. Peer Steinbrück hat einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, der eine gute Grundlage dafür ist – wir brauchen, ich sage es noch mal, einen wirklichen Neuanfang dieser Energiewende, damit auch die Investitionssicherheit in den Unternehmen wieder gegeben ist, und alles andere ist gerade der Fall, das läuft richtig gegen die Wand.

    Zurheide: Und Ihr grüner Koalitionspartner macht mit, wenn dann alte Kohlekraftwerke, die nicht mehr laufen, aber dennoch bezahlt werden?

    Duin: Das wird zu akzeptieren sein. Wir brauchen einen ganz diskriminierungsfreien Zugang auch der konventionellen Kraftwerke zu diesem Markt, und da werden sich dann am Ende diejenigen durchsetzen, die am effizientesten sind, und da kann man nicht eine Technologie von vornherein aussperren. Wir haben ja in Europa einen Zertifikate-Handel hinsichtlich der CO2-Reduzierung, und diese Ziele werden, ja erreicht, und deswegen kann man nicht einer Technologie sagen, ihr dürft nicht mehr an diesem Markt teilnehmen, sondern das muss für alle Kraftwerke in gleichem Maße einen Zugang geben, sich an diesem Markt zu beteiligen, und wer dann am günstigsten ist, der kriegt dann auch den Zuschlag.

    Zurheide: Und für die Verbraucher, glauben Sie, kann es dennoch günstiger werden, denn das ist das Versprechen von Steinbrück – also ich habe da Zweifel.

    Duin: Es gibt in den dafür einschlägigen Gesetzen durchaus Möglichkeiten – darauf hat Peer Steinbrück hingewiesen –, dass, wenn an der Börse der Preis für erzeugte Energie sinkt, dass dieser Preisvorteil dann auch an die Kunden weitergegeben werden muss, und da, wo das nicht der Fall ist, kann man eben über diese juristischen Möglichkeiten dann die Versorger auch zwingen, diese günstigeren Preise an die Bürgerinnen und Bürger, an die Kunden weiterzugeben, davon ist bisher kein Gebrauch gemacht worden, darauf hat Peer Steinbrück zu Recht hingewiesen, dass er als Bundeskanzler eben diese Möglichkeit nutzen würde, um dann auch die entsprechenden Preisvorteile weiterzugeben.

    Zurheide: Das war der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin zu seinen Vorstellungen zur Energiewende. Herr Duin, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Duin: Vielen Dank!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.