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Duisburgs Bürger machen mobil

Am 24. Juli 2010 starben auf auf der Loveparade in Duisburg 21 Menschen, hunderte Besucher wurden verletzt. Mittlerweile steht fest: Die Veranstaltung hätte gar nicht genehmigt werden dürfen. Viele Duisburger sehen die Schuld beim Oberbürgermeister und sammeln Unterschriften für dessen Abwahl.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 21.07.2011
    "Sind Sie Duisburger?" - "Ja, ich bin Duisburger." - "Es geht um den Neuanfang, also um die Abwahl unseres Oberbürgermeisters." - "Ach so, Herr Adolf!" - "Herr Adolf. Es wird Zeit, dass er wirklich endlich geht."

    Seit gut einem Monat nun steht Monika Ayed, burschikos gekleidet in Jeans und Cordjacke, fast jeden Tag in der Duisburger Innenstadt und bittet die Passanten ruhig, aber beharrlich um ihre Unterschrift. Jeder, der sich auf ihrer Liste einträgt, votiert für die Abwahl des Oberbürgermeisters Adolf Sauerland von der CDU. Doch Eckhart Horn, der neugierig stehengeblieben ist, zögert noch:

    "Da muss man natürlich noch mal drüber nachdenken. Sie hatten natürlich mehr Zeit, ich hab darüber noch nicht so nachgedacht. Von welcher Partei sind Sie?" - "Ich bin von keiner Partei, ich bin eine ganz einfache Bürgerin, ich bin jetzt Rentnerin." -"Mmmh. Dachte jetzt erst, das sei vielleicht von der SPD gesteuert."

    Monika Ayed, die vor ihrem Ruhestand jahrzehntelang berufstätig war, ist selbstbewusst genug, um solche Äußerungen nicht übel zu nehmen. Diese Unterschriftenaktion sei allein von unabhängigen Bürgern organisiert.

    "Wir wollen ja nicht von Schuld reden, die Schuld, die klärt die Staatsanwaltschaft. Hier geht’s um die politische Verantwortung, die er nur hat." - "Details sind aber schon aufgetaucht, dass die Polizei auch Schuld hat." - "Es geht doch nicht um Schuld!"

    "Neuanfang für Duisburg" nennt sich das Bündnis – ein loser Zusammenschluss engagierter, durchaus auch wütender Bürger, die um den Ruf ihrer Stadt fürchten und deshalb im Internet und auf der Straße für Sauerlands Abwahl werben. Um das eigentliche Verfahren auf den Weg zu bringen, müssen bis zum 19. Oktober mindestens 55000 Duisburger unterschreiben, über 30000 Bürger sollen das schon getan haben. Dieser Mann traut sich hingegen nicht

    "weil der Herr Sauerland natürlich mein Arbeitgeber ist, der Stadt. Und wenn da meine Unterschrift drunter steht, sieht er, wer ich bin, wo ich arbeite, und das kann ich nicht machen. Ganz einfach."

    Seinen Namen und seine Position bei der Stadt Duisburg möchte der Mann nicht nennen. Aber offen erzählt er von seinem Zwiespalt. Hätte er einen anderen Job, würde er sofort unterschreiben, versichert er, auch wegen der Stimmung im Rathaus. Dieser nagenden Ratlosigkeit, die seit der Loveparade viele Kollegen befallen hat, sagt der junge Mann:

    "Das Negative kommt zum Vorschein. Wie kann so was passieren? Warum, weshalb? Das schon. Klar. Sicher. Ich bin Duisburger. Und meine Kollegen auch."

    Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen elf Mitarbeiter der Stadtverwaltung, der Oberbürgermeister ist bislang nicht darunter. Und vorerst will Adolf Sauerland auch nicht zurücktreten. Er wolle sich nicht vom Acker machen, sagt er:

    "Mir geht’s darum, in der nächsten Zeit, mit meinen Kolleginnen und Kollegen, die als Beschuldigte aufgerufen sind, den für sie so unheimlich schwierigen Weg gemeinsam durchzufechten."

    Solidarisch soll das klingen, dabei ist die Stimmung bei Sauerlands "Kolleginnen und Kollegen" durchaus gespalten. Schon lange vor der Loveparade gab es interne Kritik am OB. Jetzt sei ein Neuanfang nur ohne Sauerland möglich – ein Satz, der auch am Stand der Unterschriftensammler immer wieder zu hören ist. Zwar hat der Oberbürgermeister Mitte Juli erstmals die moralische Verantwortung übernommen, aber ein Rücktritt komme für ihn nur infrage, wenn ihm persönliche Fehler nachgewiesen werden könnten. Für Theo Steegmann, Sprecher der Unterschriften-Initiative, ist das schwer zu schlucken:

    "Ich konnte es auch nicht ertragen als Duisburger, diese Verlogenheit, die dann auch von dem Herrn Sauerland weiter ausgestrahlt wird, das ging nicht."

    Steegmann ist in Duisburg bekannt wie ein bunter Hund. Als Betriebsratsvorsitzender hat er vor fast 25 Jahren den Protest gegen die Schließung des Krupp-Stahlwerkes im Stadtteil Rheinhausen organisiert, es war der vielleicht letzte große Arbeitskampf im Pott. Jetzt will der 55-Jährige es noch einmal wissen. Mit der Unterschriftenaktion will er eine Bürgerabstimmung erzwingen: Ob an der aber tatsächlich die nötigen 25 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen werden, dafür mag Steegmann seine Hand nicht ins Feuer legen. Zum Teil sei es schon schwer, die Leute zu motivieren, räumt er ein:

    "Sie müssen jetzt sehen, dass diese Stadt nach wie vor eine hohe Arbeitslosigkeit hat, über lange, lange Jahre, und wir auch einen sehr hohen Anteil Langzeitarbeitslose haben hier in der Stadt. Das bringt schon eine sehr schwierige Stimmung mit sich. Darüber für Politik zu interessieren, das ist den Schweiß der Edlen wert."

    Auch Adolf Sauerland kommt ins Schwitzen in diesen Tagen. Das drohende Abwahlverfahren, es ist schon der zweite Versuch, ficht ihn scheinbar nicht an. Er dreht den Spieß einfach um:

    "Wenn es zu einer Abstimmung kommt, hat diese Abstimmung natürlich auch einen Vorteil: Wenn diese Abstimmung für die Antragssteller daneben geht, hat man eine bessere zusätzlich demokratische Legitimierung."

    Als sie das hört, wird Unterschriftensammlerin Monika Ayed schließlich doch noch richtig sauer. Sie erinnert an die Ketchup-Attacke, die Pfeifkonzerte, die Morddrohungen gegen Sauerland und ist überzeugt:

    "Das kann nicht mehr gut gehen. Der versteckt sich nur noch, der wird überhaupt nicht mehr von den Leuten richtig wahrgenommen. Die Leute sind einfach stinksauer, wütend auf ihn."