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Durststrecke bei Karstadt

Der Milliardär Nicolas Berggruen ist heute zu Gast im eigenen Haus: Er informiert sich in der Essener Karstadt-Zentrale über sein Unternehmen, das er vor zweieinhalb Jahren aus der Insolvenz übernommen hat. Für Ärger sorgt seine Ankündigung, aus der Tarifbindung auszusteigen.

Von Denise Friese | 04.06.2013
    Von Krise will man bei Karstadt nicht reden – aber Nicolas Berggruen gibt in einem aktuellen Bild-Interview zu, dass die Herausforderungen größer und anstrengender sind als gedacht. Nach 20 Jahren Missmanagement sei Karstadt wirklich "krank" gewesen. Wie man diesem Patienten noch helfen kann, wird wohl heute das wichtigste Thema bei seinem Besuch in der Essener Chefetage sein. Der 51-jährige Deutsch-Amerikaner bleibt aber optimistisch und er stützt auch jetzt seine Hoffnung auf die Mitarbeiter. So wie im Sommer 2010 als er sich gegen zwei andere Bieter durchsetzen konnte:

    "Karstadt gehört auch die Mitarbeiter, die Karstadt jeden Tag und für Jahre gearbeitet haben. Und die zwei - und natürlich das Management - sind die richtigen Besitzer von Karstadt. Und ich wünsche natürlich denen viel Erfolg und vielen Dank."

    Viel Wertschätzung für die Mitarbeiter, der neue Eigentümer im Dandylook kam gut an. Der Jubel von damals ist den meisten Beschäftigten mittlerweile allerdings vergangen.

    Zwar bekommen sie nach jahrelangem Verzicht wieder das volle Gehalt – aber Tariferhöhungen hat das Karstadt-Management vor Kurzem für die nächsten zwei Jahre gestrichen. Seitdem wird gestreikt: Die Karstadt-Verkäufer waren bereits in Hessen, Hamburg und im Ruhrgebiet auf der Straße.
    Heute gab es noch mal Proteste in Recklinghausen, wo die aktuellen Tarifverhandlungen für den Einzelhandel laufen:

    "Fast alle Karstädter sind da nicht mit einverstanden – und wir werden alles dazu beitragen, unsere Tariferhöhung durchzusetzen."

    "Ich fühle mich persönlich auch nicht wertgeschätzt, weil ich denke, wir haben schon sehr viel getan, dass das Unternehmen noch weiter besteht. Und ich kann auch nicht ein sanierungsbedürftiges Haus kaufen und erwarten, dass die Mieter das Geld mitbringen."

    "Sein Versprechen, das er am Anfang gegeben hat und warum er die Firma erworben hat. Da war ich persönlich dabei und da hat er gesagt, wenn wir Geld benötigen, wenn wir Unterstützung brauchen. Wird er es tun."

    Nicolas Berggruen verlangt jetzt aber Dankbarkeit und betont, dass es Karstadt nicht mehr geben würde, wenn er nicht eingestiegen wäre. Das mag sein – auch die Gewerkschaft ver.di hat sich übrigens für ihn als Bieter und Retter eingesetzt. Doch die Fachfrau für den Einzelhandel, Stefanie Nutzenberger, kritisiert ihn mittlerweile auch für den langen Sanierungsprozess. Besonders in der Chefetage würden die Fehler gemacht:

    "Jetzt wieder die Beschäftigten zur Kasse zu bitten, die bereits 650 Millionen Euro bezahlt haben, ist der falsche Weg und das würde bedeuten, dass weiter in falsches Management, in Missmanagement investiert wird und dass das finanziert wird."

    Die Tariferhöhung zu streichen, kratze an der Motivation der Beschäftigten – und ausgerechnet sie sollen ja das Geld in die Kasse holen.

    Doch der Kostenpunkt Personal könnte wirklich eine Ursache für das kranke Karstadt sein. Davon zumindest geht der Einzelhandelsexperte Gert Hessert aus. Er war selbst vor Jahren bei Karstadt im Management und beobachtet die Warenhausgruppe genau:

    "Vergleichen wir mal eine wichtige Kennziffer: Personal bei Kaufhof und Karstadt - etwa 20 Prozent schlechtere Produktivität bei Karstadt. Das heißt, Karstadt müsste vergleichsweise 5000 Mitarbeiter abbauen, um die gleiche Produktivität von Galeria Kaufhof zu erlangen."