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E.ON kassiert Prognose

Der größte deutsche Energiekonzern E.ON hat, trotz eines guten Geschäftsverlaufs in den ersten neun Monaten dieses Jahres, seine Gewinnprognosen für die kommenden Jahre gekippt. Das DAX-Schwergewicht sorgte damit für einen Paukenschlag und schickte seinen Aktienkurs zeitweise um mehr als zehn Prozent in den Keller.

Günter Hetzke im Gespräch mit Andreas Kolbe | 13.11.2012
    Andreas Kolbe: Minus zehn Prozent, ein Kursrutsch von diesem Format – zumal bei einem Schwergewicht wie Eon – das gibt es wirklich selten. Ins Studio gekommen ist Günter Hetzke aus der Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion. Erklären Sie uns das: Warum ist der Absturz so heftig?

    Günter Hetzke: Die Gewinnwarnung, Herr Kolbe, kam unerwartet und hat fast alle auf dem vollkommen falschen Fuß erwischt. Ein Grund für den Absturz ist aber nicht allein der düstere Zukunftsausblick. Siemens zum Beispiel hatte vor einigen Tagen schlechte Quartalszahlen vorgelegt, trotzdem war die Aktie ja anschließend gestiegen, weil der Konzern gleichzeitig ein vielversprechendes Spar- oder Zukunftsprogramm vorgelegt hatte, also Pläne, wie man aus der Talsohle herauskommen will. Diese Aussicht auf Besserung, also ein neues Konzept, das fehlt bisher bei E.ON. Hier blieb es bis zum jetzigen Zeitpunkt bei der Warnung, die im Raum schwebt. Und das hat natürlich ordentlich verschreckt.

    Kolbe: Noch im Sommer hat Konzernchef Johannes Theyssen ja vermeldet, die Talsole sei durchschritten nach der plötzlichen Kehrtwende der Bundesregierung in Sachen Atomenergie. Was ist jetzt anders?

    Hetzke: Die kurzfristig erzielten Erfolge, die sich ja auch in den heute vorgelegten Quartalszahlen wiederspiegeln, sie laufen noch nicht auf eine solide tragfähige Perspektive hinaus. Wir wissen: Der hochverschuldete Konzern braucht für Investitionen Geld und trennt sich weiterhin von Projekten, Kraftwerken und Beteiligungen. So stehen zum Beispiel mehrere Regionalversorger zum Verkauf, wie E.ON Thüringen oder E.ON Westfalen Weser. Die Verkäufe dürften im Frühjahr abgeschlossen sein. Aber es liegt auf der Hand: Was einem nicht mehr gehört, das steht im Stromerzeugungsgeschäft auch nicht mehr zur Verfügung. Von dieser Seite gibt es keine Einnahmen mehr.

    Ein weiterer Punkt: E.ON ist in ganz Europa aktiv von der iberischen Halbinsel bis Sibirien. Viele dieser Länder, vor allem in Südeuropa, aber kämpfen gegen eine lang anhaltende Wirtschaftsflaute. Es wird weniger Strom als vorher benötigt, also schrumpfen auch hier die Einnahmen. Und höhere Preise als vorher lassen sich auf einem Markt mit sinkender Nachfrage natürlich nicht durchdrücken.

    Außerdem ist das Gasgeschäft, ein wichtiges Standbein für den Konzern, unrentabel, weil es in Konkurrenz zu den erneuerbaren Energien steht, also Strom aus Wind- oder Sonnenkraft zum Bespiel. Dieser Strom muss, laut gesetzlichen Vorgaben, vorrangig ins Netz eingespeist werden. Und damit sind Gaskraftwerke keine kalkulierbare Einnahmequelle mehr und die Erneuerbaren Energien sind es noch nicht.

    Und ein weiterer ganz wichtiger Faktor für den düsteren Ausblick sind auch die Fehlkalkulationen in vielen industriellen Schwellenländern. Da läuft es oft gar nicht.

    Kolbe: Heute E.ON, morgen kommen die Zahlen von RWE. Besteht da auch die Gefahr einer solchen Überraschung?

    Hetzke: Damit rechne ich nicht, nein. Es fehlt bei RWE genau die letztgenannte Schwachstelle. Der Essener Konzern ist auf das Geschäft in Europa konzentriert – mit all den Schwächen, wie einer sinkenden Stromabnahme, aber eben auch einer gewissen Übersichtlichkeit. Die Märkte in Asien oder Lateinamerika sind für RWE kein Thema und damit auch nicht die damit verbundenen Risiken, unter denen E.ON gerade richtig leidet.

    Das sind zwar Märkte, auf denen der Hunger nach Energie steigt, aber das sind oft auch Orte, an denen Rechtsunsicherheit herrscht oder Korruption. Nehmen wir als Beispiel den geplanten Bau des Kohlekraftwerks in Chile, eines der Milliardenprojekte von E.ON, über das im Augenblick vor Gericht entschieden wird. Was eben auch heißt, es entstehen derzeit Kosten, aber Umsatzsteigerungen und Gewinne liegen in weiter Ferne.

    Eine Fehlkalkulation in Südamerika, unter der E.ON übrigens nicht allein leidet, wie auch der Blick auf das neue Stahlwerk von ThyssenKrupp in Brasilien zeigt.

    Kolbe: Der Energiekonzern E.ON kassiert seine Gewinnziele. Die Aktie stürzt ab. Informationen waren das von Günter Hetzke.