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E-Scooter
Praktisch, doch mit erhöhtem Risiko

Elektroroller dürfen seit dem 15. Juni ohne Führerschein im Straßenverkehr benutzt werden. Der Spaß an der neuen urbanen Mobilität darf den Blick auf die Risiken jedoch nicht verstellen. Was an Unfällen und Verletzungen zu erwarten ist, zeigen Länder, in denen diese Roller schon genutzt werden.

Von Lukas Kohlenbach | 17.06.2019
Ein Mann fährt im Anzug auf seinem Elektroroller über eine Hauptstrasse in Washington DC.
Schöne neue E-Scooter-Welt - einschließlich der damit verbundenen Risiken (picture alliance / Ralf Hirschberger)
Elektro-Scooter könnten ein wichtiger Baustein in der Verkehrswende werden. Denn mit den kleinen Flitzern lassen sich kurze Strecken wie der Weg zur nächsten U-Bahn-Station umweltfreundlich und bequem zurücklegen. Christopher Spering sieht dem Vormarsch der Elektro-Roller dennoch eher sorgenvoll entgegen. Der Leiter der Sektion Prävention der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie rechnet mit steigenden Unfallzahlen.
"Bei den E-Scootern ist das Hauptproblem, dass die Fahrer eine relativ instabile Körperposition haben. Das Gefährt an sich hat einen recht tief gelegten Schwerpunkt und der Körper, der dann in einer stehenden Position auf einem relativ kleinen Brett steht, hat eben einen wiederum erhöhten Schwerpunkt. Und durch diese Umverteilung und auch durch diese etwas instabile Position ist eben der Zusammenhang mit der Geschwindigkeit von zirka 20 km/h und den anderen Verkehrsteilnehmern ein sehr hohes Verletzungspotenzial."
Der Kopf ist gefährdet
In den USA stiegen die Unfälle mit E-Scootern einer Schätzung auf Basis des nationalen Unfallregisters zufolge von 6.230 im Jahr 2013 auf 8.525 im Jahr 2017. Und das noch bevor Verleihfirmen seit Anfang 2018 E-Scooter in vielen amerikanischen Städten verteilten. Jüngere Zahlen für ganz Amerika liegen im Unfallregister noch nicht vor. Eine Studie in Salt Lake City zeigte jedoch: Mit dem Boom der Sharing-Services stieg die Unfallzahl von 8 im Jahr 2017 auf 50 Unfälle im Jahr danach.
Außerdem zeigen die Daten aus den USA die häufigsten Verletzungsfolgen bei Unfällen mit E-Rollern: Besonders der Kopf ist gefährdet. Ein Helm könnte Schutz bieten.
"Wir wissen aus Unfalldaten und auch aus Crash-Tests, dass der Helm natürlich den Unfall nicht verhindert, aber die Unfallfolgen und die Verletzungsschwere deutlich mindern kann. Und deswegen ist es absolut angezeigt und wichtig, dass E-Scooter-Fahrer einen Helm tragen, weil gerade der Kopf und die Halswirbelsäule sehr exponierte Körperregionen sind und der Zusammenstoß von zum Beispiel Fahrradfahrer und E-Scooter oder E-Scooter und E-Scooter sind zwei Verkehrsteilnehmer mit einer potenziell hohen Geschwindigkeit ohne Knautschzone und da ist ein Helm definitiv essenziell."
Keine Helmpflicht
Eine Helmpflicht ist in der neuen Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung jedoch nicht vorgesehen. Und dass viele E-Scooter-Fahrer freiwillig einen Helm benutzen, ist unwahrscheinlich: US-Forscher beobachteten in Kalifornien sieben Stunden lang Elektroscooter-Fahrer. Von 193 Fahrern trugen gerade mal elf einen Helm.
Auch an Armen oder Beinen verletzen sich E-Rollerfahrer oft. Hier kommt es häufig zu Brüchen und Prellungen. Die Ursache sind meist plötzliche Stürze über den Lenker oder zur Seite – und zwar in der Regel ohne Fremdeinwirkung. Die Fahrer verlieren einfach die Kontrolle: Entweder weil sie zu schnell unterwegs sind oder weil ihnen Unebenheiten im Fahrweg zum Verhängnis werden. Je kleiner die Räder, umso schwerer ist es, bei Rillen und Kanten das Gleichgewicht zu halten.
Das Alter der E-Rollerfahrer birgt weitere Risiken. Legal ist die Nutzung in Deutschland erst ab 14 Jahren. Nach oben gibt es aber keine Altersgrenze. Dabei seien gerade ältere Menschen besonders unfallgefährdet. Das zeigten die Erfahrungen mit Elektro-Fahrrädern, sagt Christopher Spering.
"Wir können als Tendenz auf jeden Fall sehen, dass durch die Elektromobilität insbesondere eben auch wieder das Verletzungsmuster bei älteren Verkehrsteilnehmern gestiegen ist. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass ein wirklich älterer Organismus ja zum Teil eben auch mit verlangsamter Reaktionsfähigkeit und auch reduzierter Muskelmasse, damit auch weniger Körperspannung einfach normalerweise anders verunfallt. Durch die nun wieder erhöhten Geschwindigkeiten durch Elektromobilität und durch Unterstützung ist natürlich dieser ja eigentlich physiologische Parameter, dass also eine Entschleunigung quasi stattfindet, aufgehoben und damit sind die Verletzungsmuster anders."
Nicht nur Risiken, sondern auch viele Vorteile
Vorsicht ist also geboten, vor allem wenn Ungeübte sich mal eben kurz einen E-Scooter ausleihen. Denn schon bei einer Kollision mit 20 Stundenkilometern kann es Schwerverletzte geben. Christopher Spering sieht aber nicht nur die Gefahren der neuen Form der urbanen Mobilität, sondern auch ihre vielen Vorteile. Elektroroller sind eine bequeme und ökologische Alternative zu PKW und Motorrollern und die Fahrer bewegen sich auch ein wenig körperlich.
"Da sind also definitiv sehr viele Bestandteile, die den E-Scooter unterstützen und sicherlich ist auch ein gewisser Spaßfaktor dabei. Und wir wollen natürlich von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie keine Spaßverderber sein, sondern wir wollen einfach nur sagen, welche Risiken es gibt und dass man eben die Nutzung von derartigen Gefährten sehr bewusst und mit gewissen Regeln und der entsprechenden Vorsicht durchführen sollte und nicht einfach, nur weil es jetzt gerade Spaß macht."